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Veröffentlicht am 20.12.2017

Das Wandern ist des Vaters Lust

Acht Berge
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und zwar das der ganz sportlichen Art, nämlich das Bergsteigen und deswegen verschlägt es Pietro bereits in jungen Jahren regelmäßig aus dem urbanen Mailand ins ursprüngliche Monte Rosa, wo er mit seinen ...

und zwar das der ganz sportlichen Art, nämlich das Bergsteigen und deswegen verschlägt es Pietro bereits in jungen Jahren regelmäßig aus dem urbanen Mailand ins ursprüngliche Monte Rosa, wo er mit seinen Eltern den ganzen Sommer verbringt. Und bald schon Bruno kennenlernt, der ein ganz anderes Leben führt als er selbst. Nämlich eines, das sich ganz und gar in Grana, einem winzigen Dorf abspielt. Und auch die Familienverhältnisse sind so unterschiedlich, wie sie nur sein können.

Italien wird hier mal ganz anders präsentiert. Gelati? Strand? Gigolos? Liebesschnulzen? Pizza?
Fehlanzeige! Wenn Sie dieses Italien suchen (und auch finden) wollen, dann ist dies definitiv der falsche Roman für Sie. Aber wenn Sie erfahren wollen, wie Italien auch sein kann sowie ganz andere Italiener als die üblicherweise bekannten kennenlernen möchten, dann sind Sie hier richtig.

Ein stiller Roman? Nein, so empfinde ich eigentlich nur, wenn ihn mit den üblichen Italien-Klischees vergleiche. Er ist nicht laut, aber er ist vor allem kraftvoll und eindringlich in seiner Darstellung des Menschen in der Natur und der gegenseitigen Bedeutung füreinander. Eine wunderbare Sprache ist es, die Paolo Cognetti für seine Schilderungen findet und die auch in der Übersetzung meiner Ansicht nach sehr stark und poetische auf eine klare Art wirkt. Dass dieses Buch 2016 des Premio Strega, des italienischen Literaturpreises für würdig befunden wurde, wundert mich nicht!

Auf jeden Fall ein sehr besonderer Roman, in dem die Frage, ob man eine Wahl hat, wiederholt eine Rolle spielt. Auch Freundschaft, Verpflichtungen, die Wirkung, die Herkunft auf das weitere Leben hat, sowie familiäre Beziehungen spielen eine Rolle. Ein Buch für Freunde anspruchsvoller Literatur, die Lust auf etwas Ungewöhnliches aus Italien haben!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Eine komplizierte Liebesgeschichte

Der Herzschlag deiner Worte
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Eine? Da kann die Autorin Susanna Ernst bestimmt nur müde lächeln, denn in ihrem Buch haben sich eine ganze Reihe von Kandidaten für komplexeste Beziehungen versammelt - die sich durchaus auch mal überlappen!

Alex ...

Eine? Da kann die Autorin Susanna Ernst bestimmt nur müde lächeln, denn in ihrem Buch haben sich eine ganze Reihe von Kandidaten für komplexeste Beziehungen versammelt - die sich durchaus auch mal überlappen!

Alex jedenfalls ist ein junger Vater, ein alleinerziehender zudem, der ein Kind von einer Frau bekommen hat, mit der er nie richtig zusammen war. Wobei - das ist fast einfach gegen das, was seine Eltern zu bieten haben - zu bieten hatten, muss man leider sagen, denn sein Vater Vince ist bereits verstorben und das im zarten Alter von 53 Jahren.

Nur gut, dass Alex' Schwester Cassie auf der Beerdigung ihres Vaters die Liebe ihres Lebens trifft. Und glauben Sie mir, das ist im Vergleich zu dem, was sich sonst noch so abspielt, noch überaus zahm und übersichtlich - und klar!

Sie glauben es mir nicht? Dann lassen Sie sich auf dieses Buch ein, Sie werden es nicht bereuen. Denn dank der herzerfrischenden Schilderungen von Susanna Ernst ist alles dann doch sehr gut nachvollziehbar und zeitweilig zwar geheimnisvoll, aber niemals irritierend. Und auch nicht kitischig! Auch wenn es jede Menge Verbindungen aufzudecken gibt, die sich beileibe nicht nur auf der Erde abspielen.

Wagen Sie es, gönnen Sie sich das Buch, ich schwöre: es irritiert wenn, dann nur ganz, ganz kurz und wenn Sie sich dann ausgeweint, ausgelacht und anderweitig "ausgetobt" haben, werden Sie das Buch mit einem wohlig-warmen Gefühl aus der Hand legen - natürlich erst, nachdem Sie es beendet haben, denn DAS werden Sie sich nicht entgehen lassen wollen. Die warmherzigste Familiengeschichte nämlich, die Sie seit Menschengedenken gelesen haben!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Vater werden ist nicht schwer

No. 9677 oder Wie mein Vater an fünf Kinder von sechs Frauen kam
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vor allem, wenn die Befruchtung im Reagenzglas erfolgt und man als Erzeuger nicht großartig irgendwelche Konsequenzen zu tragen hat. Als Samenspender nimmt man keinerlei finanzielle Verpflichtung auf sich, ...

vor allem, wenn die Befruchtung im Reagenzglas erfolgt und man als Erzeuger nicht großartig irgendwelche Konsequenzen zu tragen hat. Als Samenspender nimmt man keinerlei finanzielle Verpflichtung auf sich, im Gegenteil, man wird dafür bezahlt.

Will Bardo hat sich so als Collegestudent etwas dazuverdient und ist auf diese Weise im Alter von 38 Jahren Vater von fünf Kindern im Teenageralter. Ein stolzer? Man weiß es nicht, denn er kennt sie nicht.

Von diesen fünf Kindern, aufgewachsen in vier Familien, machen sich vier auf die Suche nach ihrem leiblichen Vater. Das Ganze geht von Milo und Hollis aus, die bei lesbischen Elternpaaren aufgewachsen sind und sich im Alter von 14, 15 auf die Suche nach ihren Wurzeln machen wollen. Aus ihrer Perspektive ist die Geschichte auch geschrieben, sie erzählen abwechselnd. Außer ihren Mitstreitern, die ja auch ihre Halbgeschwister sind, spielt auch JJ eine nicht gerade kleine Rolle: er wurde als Baby adoptiert, ist Milos Freund - bald auch der von Hollis - und nimmt ungeheuren Anteil an ihrem Schicksal.

Abgesehen von der Vatersuche gibt es mehrere andere relevante Themen wie bspw. Homosexualität und das Teenagerdasein an sich. Autorin Natasha Friend geht das Thema locker und eloquent an und gibt dem Leser das überaus angenehme Gefühl, dass lesbische Eltern etwas völlig Normales sind. Sind sie ja auch in Zeiten der Ehe für alle, oder nicht? Ist bloß noch nicht jeder drauf gekommen.

Ein warmherziges Buch mit gut entwickelten Figuren - ganz eindeutig eine Stärke der Autorin - das in ihrer Heimat, den Vereinigten Staaten in Zeiten von Trump sicher nicht nur auf Zustimmung stößt. Also auch ein mutiges Buch, was in der Hinsicht schade ist, dass sowas überhaupt nötig ist. Und es schlägt eine Bresche für Kinder, die in etwas anderen als der üblichen Familienkonstellation aufwachsen.

Absolut lesenswert, vor allem, da die Geschichte eine ganz andere Entwicklung nimmt als die eigentlich erwartete. Unkonventionell und warmherzig - einfach gut!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Ermordet im Auftrag der eigenen Eltern

Love like blood
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werden im Rahmen sogenannter Ehrenmorde jährlich zig junge Frauen und viele davon leb(t)en mitten unter uns. Wenig wissen wir darüber und Mark Billingham, der schon einige mehr oder weniger spannende Krimis ...

werden im Rahmen sogenannter Ehrenmorde jährlich zig junge Frauen und viele davon leb(t)en mitten unter uns. Wenig wissen wir darüber und Mark Billingham, der schon einige mehr oder weniger spannende Krimis geschrieben hat, trägt dazu bei, hier ein Tabuthema zu beleuchten.

Und wie er das tut - dieser Krimi ist eindeutig einer seiner spannendsten und gelungensten, auch wenn streckenweise recht ruhig daherkommt. Aber dann zieht es auch wieder an.
Einmal mehr ist die ebenso außergewöhnliche wie vielschichtige Londoner Ermittlerin Nicola Tanner involviert, doch diesmal leitet sie die Untersuchung nicht. Sie ist nämlich stark lädert, hat sie doch ein privates Unglück der schlimmsten Art erfahren. Aber sie holt sich ein paar Kollegen ins Boot, allen voran den etwas unkonventionellen, man könnte sogar manchmal sagen: nassforschen Thorne - und stößt gemeinsam mit ihnen zunächst auf eine ganze Reihe von Hindernissen.

Asien - denn die Personen, die Tanner verdächtigt, einen Ehrenmord verübt zu haben, kommen von diesem Kontinent - bebt, doch das Londoner Team kommt nicht weiter. Oder doch?

Mark Billingham schreibt eloquent und eindringlich, er entwickelt gekonnt eine gewisse Spannung, die er aus meiner Sicht diesmal durchgehend halten kann. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet, man kann sich sowohl die Mitglieder der muslimischen Gemeinde als auch weitere Figuren, die im Erzählverlauf eine Rolle spielen, sehr gut vorstellen.

Trotz einigen ziemlich brutalen Szenen ist dies ein eher ruhiger Spannungsroman, der überhaupt nicht auf Knalleffekte setzt, sondern auf subtile Schwingungen und Verwebungen. Obwohl, es ist ein richtig, richtig dickes Ende und wenn dies nicht Billingham wäre, würde ich den Autor verdächtigen, doch ein klein bisschen sensationslüstern unterwegs zu sein.

Die Auflösungen waren für mich dieses Mal eine absolute Überraschung. Nicht so sehr die Personen, sondern vielmehr die Motive bzw. die Motivationen. Wirklich sehr geschickt und und klug konstruiert! Und es war immer was los, was bei diesem Autor nicht immer der Fall ist. Aus meiner Sicht sein bislang gelungenster Spannungsroman, den ich wirklich jedem Krimifreund ans Herz lege!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Eine Zeitkapsel, in der Verbrechen angekündigt werden

SOG
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Das klingt wie aus einem SF-Roman, aber ist dennoch bittere Realität in den Ermittlungen der Kripo in Reykavik: dort wurden vor über 10 Jahren Schüler aufgefordert, ihre Visionen für die Zukunft aufzuschreiben ...

Das klingt wie aus einem SF-Roman, aber ist dennoch bittere Realität in den Ermittlungen der Kripo in Reykavik: dort wurden vor über 10 Jahren Schüler aufgefordert, ihre Visionen für die Zukunft aufzuschreiben und einer von ihnen hat auf die kaltblütigste Weise den Entwicklungen vorgegriffen: dort werden Morde vorausgesagt, die zum Teil inzwischen tatsächlich geschehen sind.

Hat das alles etwas mit der Leiche eines Mädchens aus derselben Zeit zu tun - auch darauf gibt es Hinweise? Aber bald schon finden sich Verbindungen zur Gegenwart - und zwar welche der gruseligsten Art. Ich will nicht viel verraten, aber wer was gegen abgetrennte Körperteile hat, sollte sich von diesem Buch verhalten.

Nur so viel: der ganze Kriminalbereich Islands im weitesten Sinne outet sich als korrupter Sumpf sondergleichen, in den auch Familien - bis hin zu Kindern im Kindergartenalter - mit hineingezogen werden.

Wie im Vorgängerfall "DNA" setzt die isländische Autorin Yrsa Sigurdardottir das mehr oder weniger unfreiwillig zueinander findende Ermittlergespann bestehend aus Psychologin Freya und Kommissar Huldar ein - beide hatten schon mal eine Begegnung, eine der ganz anderen Art.

Aber lesen Sie selbst, denn es ist wie immer unterhaltsam und originell, was die isländische Autorin hier verzapft hat. Allerdings sollten Sie nicht zu zart besaitet sein, denn es ist ganz schön starker Tobak, der hier aufgetischt wird und auch Kinder spielen eine Rolle und auch sie bzw. der Umgang mit ihnen sind Themen, die von der Autorin nicht gerade sanft dargestellt werden.

Also definitiv eher was für Thrillerfans als für Freunde des klassischen Whodunnit. Und für solche, die auf überraschende Wendungen stehen, wobei es für meinen Geschmack manchmal fast zu absurd zugeht. Ein bisschen weit hergeholt sind die Konstruktionen auf jeden Fall und das ist noch eine Untertreibung meinerseits.

Dennoch wieder ein spannender Fall mit schrägen, gut und eindringlich dargestellten Protagonisten, den ich gern gelesen habe. Ich hoffe sehr, dass Freya und Huldar, deren Nicht-Beziehung mal wieder auf die Probe gestellt wird, erneut zuschlagen und dass ihre Hassliebe sich endgültig in die ein oder andere Richtung verlagert. Wie auch immer, ich würde gern mehr von ihnen lesen!