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Veröffentlicht am 20.12.2017

Ein rheinischer Entdecker in Peru

Die goldene Stadt
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ist Rudolfo Augusto Berns, ursprünglich aus Solingen, der sich in dem Andenstaat ordentlich ausgetobt hat. Er soll nämlich Machu Picchu, die Stadt der Götter oder hier: die goldene Stadt "in Echt" entdeckt ...

ist Rudolfo Augusto Berns, ursprünglich aus Solingen, der sich in dem Andenstaat ordentlich ausgetobt hat. Er soll nämlich Machu Picchu, die Stadt der Götter oder hier: die goldene Stadt "in Echt" entdeckt haben und nicht etwa der Brite Hiram Bingham. Dies jedenfalls die Theorie - eine von vielen - die Sabrina Janesch in ihrem Roman zum Leben erweckt.

Eine von vielen Theorien, muss man sagen, der sich die Autorin aber so richtig gründlich gewidmet hat. Und glaubwürdig wirkt es definitiv, wirkt all das, was sie schreibt und es ist auf jeden Fall alles sehr, sehr sorgfältig recherchiert.

Das kann ich ganz sicher behaupten, denn ich kenne Machu Picchu und einige der Geschichten um diesen sagenhaften Fund herum (wenn auch nicht die von Berns, denn 2001, als ich diese so faszinierende Stätte besucht habe, war noch nicht die Rede von ihm).

Von der Autorin kenne und liebe ich bereits "Tango für einen Hund, einen Roman, in dem Sabrina Janesch auf genialste Weise Aberwitziges auffährt und literarisch alle Register zieht. Hier ist es eher die historische Sorgfalt und Gründlichkeit, die sie walten lässt, sie schmeisst sich ganz schön rein in dieses historische Genre und beackert es so sorgfältig, dass ihre Biografie des Rudolfo Augusto Berns - denn nichts anderes ist dieses Buch im Grunde - ein paar der Umsicht und Akribie geschuldete Längen aufweist.

Dennoch habe ich es richtig gern gelesen, denn Sabrina Janesch ist eine Autorin, die ihr Handwerk definitiv versteht, in das von ihr Geschriebene kann man sich definitiv reinlegen. Und man sollte sich als Leser vor der Sorgfalt, mit der die Autorin ihres Amtes waltet, verneigen und zwar richtig tief! Hier ist wirklich an alles gedacht worden, wenngleich historische Romane nicht unbedingt das Genre sind, in dem ich ihr eine glorreiche Zukunft prophezeihe!

Trotzdem, die Lektüre lohnt sich auf jeden Fall: Und die Autorin Sabrina Janesch gilt es, im Auge zu behalten - ich denke, von ihr werden wir noch Großes lesen. Und wenn nicht, dann können wir uns doch auf viel Abwechslung und hochwertige Unterhaltung freuen!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Belleville - ein fremdenfeindliches Dorf

In tiefen Schluchten
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Auch wenn es auf den ersten Blick alles andere zu sein scheint, denn Touristen sind gerne gesehen. Auch Tori Godon, die zusammen mit ihrem leider inzwischen verstorbenen Mann Carl, einem Nachfahren von ...

Auch wenn es auf den ersten Blick alles andere zu sein scheint, denn Touristen sind gerne gesehen. Auch Tori Godon, die zusammen mit ihrem leider inzwischen verstorbenen Mann Carl, einem Nachfahren von Hugenotten, die auch gerade dort in der Umgebung, in der Ardeche, ansässig waren, bevor sie vertrieben wurden, hatte bislang nur Gastfreundlichkeit erfahren.

Bis sie Näheres erfahren möchte, um einige Dinge zu klären. Adriaan, ein holländischer Höhlenforscher, ist nämlich einfach verschwunden, ganz sang- und klanglos. Und dann stirbt auch noch Didier, ein recht gesprächiger, ja schwatzhafter alter Mann.

Dann nämlich werden die Leute auf einmal schweigsam und wenden sich ab - warum wohl? Gut, dass es ein paar andere Deutsche im Dorf gibt, die Tori bei ihren Nachforschungen zur Seite stehen!

Anne Chaplet schreibt fesselnd, literarisch anspruchsvoll und mit großer Kenntnis der internationalen Zeitgeschichte, daher ist auch ihr neues Werk auf sprachlicher Ebene ein Genuss und setzt sich wohltuend von der Masse deutscher Krimis ab. Der Plot dieses Krimis, durch den eine neue Reihe eingeleitet werden soll, vermag durchaus Schritt zu halten mit den schriftstellerischen Fähigkeiten der Autorin. Allerdings bleiben gerade zum Ende hin, wo doch eigentlich aufgelöst werden sollte, im letzten Drittel ziemlich viele Dinge offen. Stört mich nicht, wenn die Reihe, die hier angefangen wird, im Laufe der Zeit das ein oder andere auflöst, auch wenn ich es insgesamt dann doch ein wenig ergebnisorientierter bevorzuge.

Wunderbar hingegen die herrlichen Schilderungen der Landschaft, der Atmosphäre und insgesamt des südlichen Frankreich, nicht der Küste, sondern der Berglandschaft, der Cevennen. Fernab von touristischen Prospekten tut sich hier eine Welt auf, die vom Leser verlangt, sie in Gänze zu erfassen - Anne Chaplet bietet dafür die besten Voraussetzungen. Ich habe schon einige der Krimis der Autorin gelesen, die teilweise in Lateinamerika spielen - ich finde, dort wurde die Stimmung nicht ganz so einfühlsam eingefangen, wie es hier in Frankreich der Fall ist. Ich empfehle das Buch für Frankreichfans, für Leser, die nicht auf actionreiche, sondern eher auf stimmungsvolle Spannung stehen und für diejenigen, die das Genre "Krimi" nicht zu eng fassen.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Holland in Not?

Und es schmilzt
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Nein, Belgien, aber dafür nicht zu knapp! Eva wächst in dem kleinen Ort Bovenmeer in einer scheinbar intakten Familie auf: es ist alles da, was man braucht: Bruder, Schwester und vor allem beide Eltern. ...

Nein, Belgien, aber dafür nicht zu knapp! Eva wächst in dem kleinen Ort Bovenmeer in einer scheinbar intakten Familie auf: es ist alles da, was man braucht: Bruder, Schwester und vor allem beide Eltern. Dass dennoch ganz gewaltig der Wurm drin ist, fällt nur den wenigsten auf und die sind sich nicht sicher, was genau sie sehen. Evas kleine Schwester Tesje ist nämlich verhaltensgestört - kommt ja in jeder besseren Familie vor, sowas. Denken die Nachbarn.

Und Eva hat Freunde, sie wächst in einem Dreierklübchen mit zwei gleichaltrigen Jungs auf, manche nennen sie auch die drei Musketiere - von der Schulbank bis zum späten Abend machen sie jahrelang alles gemeinsam.

Aber trotzdem, irgend etwas stimmt nicht und das offenbart sich erst allmählich, auch Eva selbst. Sie muss das Dorf erst verlassen und neun Jahre meiden, bis sie weiß, was sie will.

Und dann kommt sie zurück mit einem riesigen Eisblock im Gepäck und setzt ein Ausrufezeichen.

Ein Roman, der Trauer transportiert, Einsamkeit und Hilflosigkeit. Wie um Himmels Willen war die junge Autorin Lize Spit dazu imstande, aus diesen Elementen eine kraftvolle Geschichte zu konstruieren, in einem ganz eigenen Stil, einer eigenen Sprache, einen, der einige überaus eindringliche Charaktere beinhaltet. Evas Freunde sind es allerdings nicht, sie bleiben eher grau, es sind die Nebenfiguren, die farbig werden, diejenigen, an die auch Eva nicht nahe genug herankommt. Nicht nahe genug, um ihre Welt bunt werden zu lassen.

Eine Geschichte, die von einer Gesellschaft zeugt, in der mehr Schein als Sein ist, von Menschen, die aneinander vorbeigehen und zwar in Dörfern, in denen doch eigentlich jeder jeden kennt. In Bovenmeer nicht und der Umgang der Akteure miteinander ist auch nicht gerade ohne. Was ist sozial schwach? Es sind nicht diejenigen, die nicht arbeiten, keine Familie haben, sondern es sind die, die ihren Nächsten das Leben zur Hölle machen. Auf die ein oder andere Art, aus unterschiedlichen Beweggründen, mit unterschiedlichen Treibern, teilweise unbeabsichtigt.

Lize Spit - eine Powerfrau? Nein, eine Trauerfrau, jedenfalls in diesem Roman. Den man aber dennoch lesen sollte, weil er aufrüttelt und bewegt. Wäre die Autorin nicht so jung, würde ich sagen - diese Zitrone hat (noch) viel Kraft. Ja, also doch Power. Auf eine ganz eigene Art: sie gibt den Evas und Tesjes dieser Welt eine Stimme!

Verstörend und lesenswert!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Loretta im Liebeskummer

Mausetot im Mausoleum
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Dunkle Wolken über dem (Ruhr)Pott: Loretta und Pascal haben sich getrennt und zwar aus pragmatischen Gründen. Pascal kommt mit den Ermittlungsarbeiten, in die Loretta immer wieder rein zufällig hereingerät, ...

Dunkle Wolken über dem (Ruhr)Pott: Loretta und Pascal haben sich getrennt und zwar aus pragmatischen Gründen. Pascal kommt mit den Ermittlungsarbeiten, in die Loretta immer wieder rein zufällig hereingerät, überhaupt nicht klar und ist ausgezogen. Loretta ist so fertig, dass sie sich von allem fernhält, auch von ihren Freunden, die sie mit gutem Essen und Besuchen bei der Wahrsagerin aufzumuntern versuchen. Da nicht mal Ersteres klappt, ist es wirklich ernst. Wenigstens lässt sie sich durch eine geliehene Fotoausrüstung zu einem neuen Hobby motivieren.

Trotz ihrer Trauer mangelt es nicht an neuen Herrenbekanntschaften und bald hat Loretta eine erste Verabredung zum Fotospaziergang, die aber leider mit einer Leiche endet.

Auch wenn Loretta sich von Leichen fernhalten will und jetzt in Dennis' Sex-Hotline sogar Nachtschichten übernimmt, kann sie sich da nicht raushalten. Sogar Pascal, dem sie immer noch verbunden ist, wird reingezogen und dabei geht es um Leben und Tod. Wird er überleben?

Dass die anderen Mitglieder des Freundeskreises eher wenig auftauchen, ist für mich zwar ein Schlag, aber ich blicke voller Zuversicht auf den nächsten Band, das wäre dann bereits der Zehnte!

Trotz der geringen Sichtbarkeit von Frank und Co.: Mal wieder läuft ohne Freundschaft nix - dies ist wie immer das Credo der Loretta-Reize. Ein anderes könnte "witzig geht die Welt zugrunde" sein. Nur schade, dass es schon wieder vorbei ist, denn auch dieser, bereits neunte Band der Reihe, war sehr unterhaltsam, auch wenn er im Vergleich zu den direkten Vorgängern ein Ideechen abfiel. Wird Loretta vielleicht müde? Ich hoffe nicht!

Denn trotz allem: Wer Spaß kombiniert mit ein wenig Spannung mag, der kommt an dieser Reihe mit Loretta Luchs nicht vorbei!

Autor: Lotte Minck

Veröffentlicht am 20.12.2017

Rückkehr

Kirchberg
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Eine Frau steht mitten im Leben. Denkt sie. Und dann gibt es auf einmal einen Break und alles ist anders: Tumor, Schlaganfall, Gehirnschäden und auch solche der körperlichen Art. Da kann Hanna, deren Stern ...

Eine Frau steht mitten im Leben. Denkt sie. Und dann gibt es auf einmal einen Break und alles ist anders: Tumor, Schlaganfall, Gehirnschäden und auch solche der körperlichen Art. Da kann Hanna, deren Stern gerade am Aufgehen war, nicht mehr weitermachen. Weder mit ihrer Habilitation noch mit sonst etwas in ihrem bisherigen Leben.

Hoch hinaus war sie schon gekommen und wollte noch höher steigen, fort von dem schwäbischen Dorf, in dem sie aufgewachsen war, bei den Großeltern. Nachdem ihre Mutter sie nicht wollte, sie gar zur Adoption freigegeben hatte. Hatten deren Eltern das halt übernommen.

Wie man sieht, Hanna, eigentlich Johanna, hatte es nie so richtig leicht, auch wenn ihre Großeltern besondere Menschen waren, doch war sie immer eine Außenseiterin. Auf ihre Art jedenfalls. Doch eines war sie nie: Sprachlos. Erst jetzt, mit über 40, hat die Sprache als wichtigstes Kommunikationsmittel sich (fast) von ihr verabschiedet.

Hanna kehrt zurück in ihr Dorf, in das Haus ihrer Kindheit, das nun leer ist und mit Leben gefüllt werden will. Und das wird es auch - auf ganz überraschende Weise.

Ein Buch voller Einblicke und Rückblicke. Hannas Leben wird auf eine besondere Art vor dem Leser ausgebreitet, nicht nur sie spielt eine Rolle, nein, es ist auch ihr Umfeld, das zu Wort kommt. Jeder Protagonist hat sozusagen seine Zeit. Und die Autorin Verena Boos belässt es nicht bei der Vergangenheit, sondern wagt auch einen Blick in die Zukunft.

Ein Buch, in dem viel Schmerz enthalten ist, der allerdings auf so gelassene Art transportiert, für so selbstverständlich genommen wird, dass er dem Leser gar nicht immer so deutlich vor Augen ist. Ein Buch über die Grenzen, die dem Menschen gesetzt sind, aber auch über die Möglichkeiten. Über Freundschaft, Liebe, Offenheit, Verschlossenheit und Abgrenzung. Manchmal kam es ein wenig spröde daher, auch wenn die Figuren durchaus Charme haben, vor allem Lisa, ein kleines, ein sehr kleines Mädchen, das der bereits gebrochenen Hanna auf bemerkenswert unvoreingenommene Weise begegnet und so manche Lanze für sie bricht. Doch manchmal hatte ich den Eindruck, als stehe die Autorin sich selbst im Weg, könne diesem Familienroman - denn nichts anderes ist er - nicht das Engagement, die Größe, das Herz schenken, die es verdient. Ein Buch, das ich gerne gelesen habe, auch wenn irgend etwas - ich kann gar nicht klar formulieren, was - fehlte!