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Veröffentlicht am 20.03.2025

Fade Berliner Nächte

Skin City
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Skin City ist der neue und damit vierte Berlin-Roman von Johannes Groschupf. Die drei Vorgänger habe ich mit Begeisterung gelesen, bei diesem hier wollte sich dieses Gefühl nicht einstellen. Warum? Weil ...

Skin City ist der neue und damit vierte Berlin-Roman von Johannes Groschupf. Die drei Vorgänger habe ich mit Begeisterung gelesen, bei diesem hier wollte sich dieses Gefühl nicht einstellen. Warum? Weil er als Thriller und Berlin Noir vermarktet wird, diese Versprechen aber leider nur in Ansätzen einhalten kann.

Die Handlung ist schnell erzählt. Drei Personen im Fokus, die sich durch die Randbezirke der Metropole bewegen und deren Bahnen sich am Ende kreuzen.

Zentrale Figur ist die Polizistin Romina, kennen wir bereits aus „Die Stunde der Hyänen; versetzt in ruhige Lichterfelde, anfangs mit ihrem Kollegen auf der Spur einer Einbrecherbande aus Georgien, dann auf der Suche nach einem Schläger, der ihre jüngere Schwester heftig verprügelt hat, zu guter Letzt auf Rache aus für den Tod ihres Vaters.

Auf ihren ruhelosen Streifzügen trifft sie auf Koba, den jungen Einbrecher aus Georgien. Mit zwei Kumpanen steigt er auf Geheiß seiner Bosse in ausgekundschaftete Vorstadtvillen ein, die reiche Beute versprechen. Manchmal bekommt er einen Anteil, manchmal wird er windelweich geschlagen. Er will weg, auf und davon nach Kanada, in das Land seiner Sehnsucht.

Und dann ist da noch Lippold, ein White Collar Krimineller, gerade frisch aus dem Knast entlassen, aber schon wieder auf der Suche nach der Gelegenheit, die das große Geld verspricht. Aber zuerst gilt es noch, eine alte Rechnung zu begleichen.

Groschupf bleibt diesmal sehr an der Oberfläche, reißt vieles nur an, aber unter die Haut geht da leider nix. Die harte, kalte, stakkatoartige Sprache, für die ich ihn üblicherweise schätze, und die diesmal nur zu Beginn zu finden ist, bleibt hierbei leider völlig auf der Strecke. Schade.

Veröffentlicht am 14.03.2025

Schöne Landschaftsbeschreibungen, aber...

Middletide
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Elijah ist heimgekehrt. Der Traum von einer erfolgreichen Schriftstellerkarriere ausgeträumt. Zurück in Point Orchard im amerikanischen Nordwesten. Er muss seine Wunden lecken, muss heilen.

Anfangs lebt ...

Elijah ist heimgekehrt. Der Traum von einer erfolgreichen Schriftstellerkarriere ausgeträumt. Zurück in Point Orchard im amerikanischen Nordwesten. Er muss seine Wunden lecken, muss heilen.

Anfangs lebt er isoliert, richtet die baufällige Hütte wieder her, in der er mit seinem trunksüchtigen Vater gelebt hat, schafft sich ein Heim. Streift durch die Wälder, legt Beete an, lebt von dem, was ihm die Natur schenkt. Der Heilungsprozess dauert, geht nur in kleinen Schritten vorwärts, doch mit der Hilfe eines väterlichen Freundes findet er allmählich zurück ins gemeinschaftliche Leben.

Aber die Vergangenheit holt ihn ein, als auf seinem Grundstück Erin Landry, die Ärztin des Dorfes, mit der er auch eine kurze Affäre hatte, erhängt aufgefunden wird. Anfangs geht der Sheriff von einem Selbstmord aus, wird aber hellhörig, als er feststellen muss, dass in Elijahs Roman ein ähnlicher Vorfall beschrieben wird. Ist das ein Selbstmord, der sich als Mord herausstellen wird?

Und schon wird aus dem erfolglosen Schriftsteller Elijah ein Verdächtiger in einem Mordfall, der seine Unschuld beweisen muss. Glücklicherweise findet er Rückhalt und Unterstützung bei seiner Jugendfreundin Nakita und deren Vater, die an seine Unschuld glauben und ihm helfen wollen, diese zu beweisen.

„Middletide – Was die Gezeiten verbergen“ ist das Debüt der amerikanischen Langstreckenläuferin Sarah Crouch. Geboren und aufgewachsen ist sie im Staat Washington. Zweifellos ein Pluspunkt, denn sie kennt ihre Heimat und weiß sie anschaulich zu beschreiben. Und diese Fähigkeit ist durchaus mit ihrem offensichtlichen Vorbild Delia Owens vergleichbar.

Leider verzettelt sich die Autorin im Aufbau ihrer leider vorhersehbaren Story in Einzelheiten, lässt sich seitenweise über Elijahs Nahrungszubereitung aus, über Gerüche, über die Hühner und, und, und. Lauter Dinge, die ablenken, mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun haben, langatmig sind und als Bremsklotz wirken. Dazu dann noch das ständige Hin und Her durch zahlreiche Zeitsprünge, die die Einordnung erschweren, das Tempo verlangsamen und den Fortgang der Geschichte unnötig in die Länge ziehen. Und warum hat Crouch fiktive Indigene erschaffen und in die Story eingearbeitet? Absolut überflüssig, da deren Herkunft absolut keine Auswirkungen auf die Handlung hatte? Wollte sie so dem Vorwurf der kulturellen Aneignung entgehen?

Wer eine spannende Lektüre sucht, die elementare Fragen nach „Liebe, Verlust und Rache“ thematisiert, wird enttäuscht sein. Zumindest war das bei mir der Fall, denn außer schönen Landschaftsbeschreibungen wurde mir hier leider nichts geboten. Dennoch bin ich überzeugt davon, dass auch diese Geschichte ihre Leserinnen finden wird, denn Liebe, Verlust und Rache zieht immer.

Veröffentlicht am 25.02.2025

Kein Vergleich mit dem Vorgänger

Der Gott des Waldes
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Die Bankiersfamilie Van Laar veranstaltet jedes Jahr ein Sommercamp für Jugendliche auf ihrem Waldgelände in den Adirondacks. Aber an einem Tag im August 1975 ist plötzlich alles anders als zuvor. Barbara, ...

Die Bankiersfamilie Van Laar veranstaltet jedes Jahr ein Sommercamp für Jugendliche auf ihrem Waldgelände in den Adirondacks. Aber an einem Tag im August 1975 ist plötzlich alles anders als zuvor. Barbara, die Tochter der Van Laars, ist weg, spurlos verschwunden wie schon ihr Bruder Bear vor vielen Jahren. Ein Verlust, der tiefe Wunden in der Familie hinterlassen hat und bis zu diesem Tag nicht hinreichend geklärt werden konnte. Es gab zwar Vermutungen, Erklärungen und die entsprechenden Aktionen von offizieller Stelle, aber dennoch blieben Zweifel.

Was ist mit Barbara geschen? Keine Hinweise, keine Spuren. Ist sie aus eigenem Antrieb verschwunden? Hat ihre erste Liebe sie dazu veranlasst? Wurde sie entführt? Oder gibt es etwa einen Zusammenhang mit dem Ausbruch des verurteilten Mörders Jacob Sluiter aus dem Gefängnis? Wiederholen sich die Ereignisse um das Verschwinden Bears? Und wie kann die Famile den erneuten Verlust eines Kindes verkraften und damit umgehen?

Gerüchte und Vermutungen brechen sich Bahn, verändern den Blick der Außenwelt auf die Familie. Als eine groß angelegte Suchaktion kein Ergebnis bringt, muss an von dem Schlimmsten ausgehen und die Ermittlungen in die Hände der Polizei geben. Aber auch Judyta Luptack, die junge Inspektorin, verantwortlich in diesem Fall, steht vor einem Rätsel und kommt nicht weiter, was allerdings auch dem Umstand geschuldet ist, dass kein Vertrauen in sie gesetzt und sie massiv bei ihren Nachforschungen behindert wird.

Nun könnte man meinen, Liz Moore hätte einen Kriminalroman geschrieben. Weit gefehlt. Sie nutzt zwar das Verschwinden eines Teenagers als Ausgangspunkt, aber ihr eigentliches Thema ist die Milieustudie einer dysfunktionalen Familie im Allgemeinen und die verhängnisvollen Auswirkungen psychischer Misshandlung in den Beziehungen im Besonderen.

Durch den multiperspektivischen Aufbau ihres Romans führt sie uns die dunklen Abgründe, allmählich Risse und deren Auswirkungen vor Augen, die bei genauerem Hinschauen in den Beziehungen sichtbar werden. Die Geringschätzung, die Vernachlässigung, die psychische Gewalt – all das lauert um die Ecke und ist nicht nur im Familiengefüge der Van Laars zu finden.

Familiengeschichten, ein Thema, das schon oft in der Literatur beackert wurde und auch bei Moore kaum Neues zu bieten hat. Über weite Strecken habe ich mich als außenstehender, unbeteiligter Beobachter gefühlt, bar jeglicher Emotionen, die ich beim Lesen von „Long Bright River“ empfunden habe, was meiner Meinung nach an dem riesigen Personentableau lag plus den ausführlichen und sich teilweise wiederholenden Schilderungen alltäglicher Handlungen, beides für ein gleichmäßiges Dahinplätschern auf mittlerem Niveau, ohne große Höhen oder Tiefen, verantwortlich. Weit entfernt von dem Vorgänger, der mein Buch des Jahres 2021 war. Schade.

Veröffentlicht am 19.02.2025

Leider springt der Funke nicht über

Die Komplizin – Ihr Mann ist ein Serienkiller. Was ist sie – Täterin oder Opfer?
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„Die Komplizin“, das siebte Buch der Eddie Flynn-Reihe lässt mich etwas ratlos zurück, denn obwohl ich die Vorgänger allesamt sehr gerne gelesen habe, wollte der Funke diesmal nicht so richtig überspringen.

Worum ...

„Die Komplizin“, das siebte Buch der Eddie Flynn-Reihe lässt mich etwas ratlos zurück, denn obwohl ich die Vorgänger allesamt sehr gerne gelesen habe, wollte der Funke diesmal nicht so richtig überspringen.

Worum geht’s? Die Polizei weiß Bescheid, der flüchtige Daniel Miller ist der „Sandmann“, ein Killer, der 17 Frauen brutal ermordet hat. Aber als bei der Hausdurchsuchung an einem Kleidungsstück seiner Frau Carrie Blutflecken gefunden werden, die, wie sich bei der Analyse herausstellt, von einem Opfer stammen, gerät auch sie in den Fokus. Wusste sie, dass ihr Mann ein Killer ist, oder hat sie ihm gar bei seinen Morden geholfen?

Sie wird festgenommen, aber gegen Kaution bis zum Prozess wieder auf freien Fuß gesetzt. Ihr Anwalt bittet Eddie inständig, den Fall vor Gericht zu vertreten. Nach kurzen Zweifeln ist er von der Unschuld der zukünftigen Mandantin überzeugt und übernimmt in Absprache mit seinem Team die Verteidigung. Und schon geht der Schlamassel los. Carrie taucht ab, was wiederum ihren Killer-Ehemann auf den Plan ruft…

Okay, ich bin keine Freundin der Serientäter-Thematik, die meist plump inszeniert und oft die Mängel des Plots übertüchen soll. Aber da ich davon ausgegangen bin, dass Cavanagh den Fokus, wie in den Vorgängern, auf Eddies clevere Tricksereien während der Gerichtsszenen legt, habe ich mich entschieden, es dennoch zu lesen. Hätte ich es mal lieber gelassen, denn im Wesentlichen spielt sich die Handlung außerhalb der „heiligen Hallen“ ab und lässt gewährt den Taten des Sandmanns für meinen Geschmack viel zu viel Raum.

Da sind sie wieder, diese altbekannten Versatzstücke: Ein Mord und noch ein Mord, Entführung, Befreiung unter Zeitdruck etc. Kurze Kapitel, wechselnde Perspektiven und Tagebuch-Auszüge des Täters und dessen Frau sorgen zwar für Tempo, bieten aber kaum Überraschungen. Und was ich definitiv vermisst habe, war der tiefere Blick in Psyche und Motiv des Täters. Einziger Lichtblick ist Gabriel Lake, der Neuzugang mit FBI-Vergangenheit in EddiesTeam, der mit Sicherheit auch in der Fortsetzung der Reihe seinen Auftritt haben und die eine oder andere entstandene personelle Lücke füllen wird.

Fazit: Die Handlung ist konventionell gestrickt, bietet kaum Überraschungen und ist inklusive der Auflösung vorhersehbar. Der schwächste Band der Reihe.

Veröffentlicht am 15.02.2025

Ermüdende Suada

America Fantastica
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Boyd Halverson, einst Pulitzer-Kandidat, nun nur noch ein Journalist unter vielen, hadert mit dem Leben. Verantwortlich für seine missliche Lage macht er seinen Ex-Schwiegervater Jim und will sich an ihm ...

Boyd Halverson, einst Pulitzer-Kandidat, nun nur noch ein Journalist unter vielen, hadert mit dem Leben. Verantwortlich für seine missliche Lage macht er seinen Ex-Schwiegervater Jim und will sich an ihm rächen. Um das Vorhaben zu finanzieren, raubt er eine Bank aus und nimmt die Kassiererin Angie als Geisel. Gemeinsam mit ihr macht er sich zumindest anfangs relativ unbehelligt auf den Weg, um mit Jim abzurechnen. Interessanterweise sind es (aus Gründen) keine Gesetzeshüter, die die Verfolgung aufnehmen, sondern diverse zwielichtige Gestalten, angefangen bei Angies Freund und noch anderen Schlägertrupps. Während der Fahrt entspannt sich das Verhältnis zwischen Geisel und Geiselnehmer zunehmend, und so versorgt Boyd seine Mitfahrerin in einem nicht versiegenden Redestrom mit sämtlichen Informationen darüber, was wie und warum in Amerika aktuell schief läuft. Zu Beginn ist das stellenweise noch ganz interessant, aber im Verlauf nutzt es sich recht schnell ab und wird ermüdend.

Tim O’Brien hat den Kanal voll. Anders kann ich mir seinen Roman „America Fantastica“ nicht erklären, in dem er sich an der Realität (s)eines Landes während der ersten Amtszeit Trumps abarbeitet. Einer Zeit, in der Lügengespinsten die Wahrheit verdrängen, die schon längst keine Gültigkeit mehr hat. Während dieses aberwitzigen Roadtrips schildert er die gesellschaftlichen Veränderungen. Ein Versuch, die amerikanischen Mythen zu demaskieren, der mal mehr, mal weniger gut gelingt. Über weite Strecken kommt das zum einen durch die verwendeten Stereotypen leider viel zu stark überzeichnet daher und vermittelt zum anderen an vielen Stellen den Eindruck, dass hier jemand schreibt, der meint, den absoluten Durchblick zu haben und sich nach Zeiten zurück sehnt, die längst vergangen sind. So wird aus einem Roman mit Noir-Ansätzen eher eine Mischung aus Groteske, persönlichem Bekenntnis und Weltsicht, dessen Botschaft dadurch an Bedeutung verliert.

Kann man lesen, muss man aber nicht.