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Veröffentlicht am 21.03.2025

Thriller mit Mehrwert

Der Gott des Waldes
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Es ist Sommer im Jahr 1975 als ein Mädchen verschwindet. Sie war im Sommercamp in den Adirondack Mountains, im Naturreservat, das ihren Eltern gehört. Ausgerechnet Barbara Van Laar verschwindet plötzlich, ...

Es ist Sommer im Jahr 1975 als ein Mädchen verschwindet. Sie war im Sommercamp in den Adirondack Mountains, im Naturreservat, das ihren Eltern gehört. Ausgerechnet Barbara Van Laar verschwindet plötzlich, genau wie ihr Bruder 14 Jahre vorher. Das ist schon mehr als seltsam.

In kurzen Kapitel wird hier das Geschehen eingekreist und jeder Aspekt der Geschichte beleuchtet. Was sagt Louise, die Betreuerin der Mädchen im Camp? Oder TJ, die Leiterin, ist sie nicht komisch? Die Eltern sind Snobs, das weiß jeder. 1961 ist der Sohn verschwunden, auch da sehen wir uns um. Ist diese Ehe glücklich? Barbaras Mutter Alice scheint nicht gerade der fürsorgliche Typ zu sein.

Die Polizei hat einen Verdächtigen im Blick, aber Investigator Judy Lutpack glaubt nicht daran. Sie ist jung, neu in der Abteilung und auch noch eine Frau. Die Kollegen nehmen sie nicht ernst, aber Judy lässt nicht locker.

Dies ist ein Thriller mit Mehrwert. Es werden nicht nur mysteriöse Vorkommnisse aufgeklärt, man lernt auch viele spannende Figuren sehr gut kennen, schaut in die Köpfe der unterschiedlichsten Charaktere und bekommt einen lebendigen Eindruck der Zeit und des Milieus. Privilegien und Verpflichtungen der High Society, die Rolle der Frauen, Kindererziehung, Naturliebe, Survival, Außenseitertum und sogar ein bisschen Mystery, all das spielt eine Rolle und wird zu einer finsteren Geschichte verknüpft, deren Ende niemand erwartet.

Das Personal ist vielleicht ein bisschen umfangreich, aber die Sprache absolut großartig. Ich habe es sehr gerne gelesen.

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Veröffentlicht am 20.03.2025

Eindringlich, norddeutsch, maritim

Stromlinien
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Am Anfang hat mich dieses Buch begeistert. Es liest sich super, die Sprache ist schön und die Atmosphäre sehr eindringlich, norddeutsch, geheimnisvoll und maritim.

Da sind zwei Zwillingsschwestern, die ...

Am Anfang hat mich dieses Buch begeistert. Es liest sich super, die Sprache ist schön und die Atmosphäre sehr eindringlich, norddeutsch, geheimnisvoll und maritim.

Da sind zwei Zwillingsschwestern, die anders sind, Außenseiterinnen, Elbmädchen, die mit ihrer Großmutter weit abgelegen wohnen und immer mit ihrem Boot die Elbarme rauf- und runterfahren, kleine geheime Inseln kennen, sich selbst genug sind bis eine plötzlich verschwindet. Eines Morgens wacht Enna auf und Jale ist weg, dabei ist der Tag gekommen, auf den sie seit Jahren gewartet haben.

Damit liegen gleich die ersten von 1000 Rätseln auf dem Tisch. Wo ist Jale? Auf was haben die Mädchen gewartet? Warum ist die Großmutter so reserviert? Wo ist die Mutter und wer ist der Vater?

Und dann holt das Buch auch noch ganz weit aus. 1923 sind wir dabei, wie der kleine Gunnar Äpfel klaut. In kurzen Kapitel springt man durch die Zeiten, blickt in die Jugend der Mutter und sogar die der Großmutter. Oma Ehmi hat auch eine Zwillingsschwester, aber Greetje und Ehmi sind seit ewigen Zeiten zerstritten. Noch ein Rätsel, das macht aber nichts, weil tatsächlich jeder Handlungsstrang gleichermaßen interessant ist.

Im Grunde liest man hier einen mysteriösen Thriller, eine dramatische Familiengeschichte und einen spannenden historischen Roman gleichzeitig. Aus Ennas Sicht hat das Buch sogar noch Jugendbuchcharakter. Ihr Freund Luca Lemke ist supersüß und betreibt einen TikTok-Kanal mit feministischen Inhalten. Das wäre dann der Märchenaspekt. 😊

So weit ist das Buch großartig. Leider kippt es irgendwann. Irgendwann ist es vielleicht ein Drama zu viel, die schicksalhaften Parallelen im Verlauf der Zeit fangen an, konstruiert zu wirken. Immer wieder handelt jemand impulsiv und löst Katastrophen aus. Dauernd nimmt jemand edelmütig die Schuld auf sich, um andere zu schonen. Und Enna rennt weg statt das Hirn einzuschalten. Sie ist 17 und nicht 7, sie soll unsere Heldin sein und ihre Schwester finden, rennt aber immerzu weg. Zum Glück findet Luca das attraktiv.

Trotzdem habe ich das Buch gerne gelesen. Es ist mitreißend und ungewöhnlich und hat so großen Unterhaltungswert, dass ich ihm mach überbordenden Ausreißer verzeihe, jedenfalls fast. 😊

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Veröffentlicht am 13.03.2025

Ein modernes Märchen

Von hier aus weiter
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Es ist ganz erstaunlich, dass ein Buch über eine trauernde Witwe so nett sein kann. Ich hatte ein bisschen Angst, es zu lesen, aber es ist ein wirklich hübsches Buch.

Marlene ist Lehrerin im Ruhestand ...

Es ist ganz erstaunlich, dass ein Buch über eine trauernde Witwe so nett sein kann. Ich hatte ein bisschen Angst, es zu lesen, aber es ist ein wirklich hübsches Buch.

Marlene ist Lehrerin im Ruhestand und plötzlich ganz allein im Haus. Rolf, ihr Ehemann, hat beschlossen, sein Leben zu beenden, bevor der Krebs es tut. Marlene ist am Boden zerstört und möchte auch nicht mehr leben. Sie ist wütend und verbittert und will niemanden sehen. Aber Jack, ihr ehemaliger Schüler und Ida, Rolfs Ärztin, schaffen es, sie aus dem Schneckenhaus zu locken. Die drei machen sich auf zu einem skurrilen Roadtrip.

Das klingt so komprimiert ziemlich absurd, aber es entwickelt sich allmählich und ist sehr schön geschrieben. Marlenes Trauer und Verzweiflung sind einfühlsam beschrieben, werden aber durch eine gute Portion Selbstironie erträglich. Wenn dann Jack in Marlenes Haus platzt und die Rolle des verständnisvollen Mitbewohners übernimmt, der nichts fordert, die alte Frau grummeln lässt und sie liebevoll bekocht, wird es nahezu kuschelig. Man kann das unrealistisch finden, aber es liest sich schön. Es macht Spaß, sich auf dieses moderne Märchen einzulassen und mitzuerleben, wie Marlene neuen Lebensmut bekommt, obwohl ihre Situation aussichtslos schien.

Ein berührendes Buch, ein feines Hörbuch, herzerwärmend und schön gelesen!

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Veröffentlicht am 23.02.2025

Fesselt, berührt und beeindruckt

Und damit fing es an
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Dieses Buch erzählt sehr anrührend eine eher traurige Geschichte. Melancholie durchzieht das Geschehen. Es nimmt einen mit.

Wir sind in der Schweiz im beschaulichen Matzlingen, wo Gustav und Anton sich ...

Dieses Buch erzählt sehr anrührend eine eher traurige Geschichte. Melancholie durchzieht das Geschehen. Es nimmt einen mit.

Wir sind in der Schweiz im beschaulichen Matzlingen, wo Gustav und Anton sich 1947 kennen lernen. Gustav Perle und Anton Zwiebel, der eine ein Sohn einer allein erziehenden Mutter, die ihn eher als eine Last empfindet und sich in ihren Vorurteilen festgebissen hat, der andere wohl behütet und jüdisch, ein Wunderkind am Klavier, den seine Eltern nach Kräften fördern. Gustav und Anton sind fünf Jahre alt, als ihre lebenslange Freundschaft beginnt.

Gustav hat es nicht leicht. Sie haben wenig Geld, seine Mutter ist verbittert, dabei möchte er nur geliebt werden. In Rückblenden erfährt man, warum Emilie so wurde wie sie ist, wie der zweite Weltkrieg in der neutralen Schweiz erlebt wurde und wie Gustavs Vater jung starb, obwohl er an keiner Front kämpfen musste. Die Geschichte ist tragisch und vertrackt.

Sehr einfühlsam wird hier eine traurige Familiengeschichte erzählt. Hier hat jeder sein Päckchen zu tragen, macht Fehler, sucht nach Liebe und Glück, liebt den falschen Menschen, träumt den falschen Traum, hat die falschen Ziele. Daneben bekommt man ein wenig zu spüren, wie Vorurteile und Judenhass selbst in der neutralen Schweiz Auswirkungen hatten, sogar noch nach dem Ende des Krieges, und zuerst dachte ich, das wäre das eigentliche Ansinnen dieses Buches. Aber das Thema bleibt dann leider liegen. Hier geht es wohl vorrangig um die Suche nach dem Glück, um Selbstfindung auf steinigen Wegen und wie unsere Vergangenheit uns formt.

Dieses Buch liest sich leicht und ist doch auf eine ganz eigene Art poetisch. Es fesselt, berührt und beeindruckt. Das Ende hätte ich mir ein wenig anders gewünscht, aber so ist das halt im Leben…

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Veröffentlicht am 22.02.2025

Eine Art Kurzgeschichtensammlung zum Thema Schuld und Sühne

Dunkle Momente
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Was bewegt Strafverteidiger? Warum ist es wichtig, sich für Menschen einzusetzen, die eines Verbrechens angeklagt werden? Und wann ist ein Verbrechen überhaupt unverzeihlich? Hat nicht auch jeder Angeklagte ...

Was bewegt Strafverteidiger? Warum ist es wichtig, sich für Menschen einzusetzen, die eines Verbrechens angeklagt werden? Und wann ist ein Verbrechen überhaupt unverzeihlich? Hat nicht auch jeder Angeklagte eine ganz eigene Geschichte, die sein Handeln erklärt?

Das versucht uns hier Eva Herbergen zu vermitteln. Sie ist Strafverteidigerin und erzählt aus ihrem Leben und von ihrer Arbeit. Sie breitet ganz unterschiedliche Fälle aus, die sie an ihre Grenzen gebracht haben. Es wirkt ein bisschen wie eine Kurzgeschichtensammlung zum Thema "Schuld und Sühne".

Als Anwalt jongliert man ständig mit der Wahrheit, den Interessen des Mandanten und dem eigenen Empfinden von Recht und Moral. Manchmal sind die Grenzen zwischen diesen Punkten auch fließend, manchmal lässt man Gnade vor Recht ergehen und manchmal irrt man sich auch einfach. Eine Staatsanwältin kann die Wahrheit auch formen, spielt oft Schicksal und trägt damit eine irre Verantwortung.

Dieser Roman wirkt wie ein Tatsachenbericht. Die Sprache klingt höchst authentisch nach Juristenjargon, ein bisschen trocken, analytisch, korrekt aber auch anteilnehmend. Es kommt einem alles echt vor, die Fälle, die vorgestellt werden, die Mandanten aber auch Eva selbst, die oft mit der Rolle ringt, die sie einnehmen muss.

Das unterstreicht die Sprecherin des Hörbuchs, Nina Kunzendorf, noch einmal. Sie liest mit einem wunderbar spröden Charme, der perfekt zu Eva Herbergen passt 9 Stunden und 11 Minuten lang.

Es ist ein hoch interessantes Buch, das ethische Grenzen auslotet, berührend, nachdenklich unterhaltsam, spannend, und auch informativ.

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