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Veröffentlicht am 09.04.2024

Leichte Kost

Der blaue Salamander
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In Luca Venturas fünftem Kriminalroman der Rizzi/Cirillo-Reihe steht der titelgebende „blaue Salamander“ stellvertretend für eine verschwundene Designertasche, die aus dem Leder dieser endemischen Eidechsenart ...

In Luca Venturas fünftem Kriminalroman der Rizzi/Cirillo-Reihe steht der titelgebende „blaue Salamander“ stellvertretend für eine verschwundene Designertasche, die aus dem Leder dieser endemischen Eidechsenart gefertigt ist, welche auf den Faraglioni-Felsen vor Capri lebt. Die Tasche ist nicht nur eine Rarität und im Besitz von Signora de Lulla, sondern auch ein Objekt der Begierde, auf das die Designerin Rosalinda Fervidi ein Auge geworfen hat. Nun wird aber genau deren Leiche in dem Beichtstuhl der hiesigen Kirche gefunden und selbige Designertasche ist spurlos verschwunden. Ein Fall für die Mordkommission Neapel, die auch schnell einen Täter präsentieren kann. Salvatore, der Straßenkehrer, wird des Mordes an Rosalinda Fervidi beschuldigt, was Inselpolizist Enrico Rizzi allerdings bezweifelt. Und so beginnen er und seine Kollegin Antonia Cirillo auf eigene Faust zu ermitteln.

Wie bereits in den Vorgängern hat sich der Autor auch hier wieder einen Aspekt herausgesucht, der für die Insel im Golf von Neapel typisch ist. Capri lebt noch immer von seinem früheren Nimbus, jener Zeit, in der die Reichen, Schönen und Berühmten sich die Insel als Sommerresidenz auserkoren haben. Dazu passt natürlich das Thema der blauen Eidechse perfekt, deren Leder für die exklusive Handtasche verarbeitet wurde.

Dazu kommen nette Landschaftsbeschreibungen für die ehemaligen oder zukünftigen Besucher dieser Urlaubsinsel, hin und wieder hinlänglich bekannte Einblicke in die familiären Strukturen der beiden Hauptfiguren und die üblichen Kabbeleien mit den Kollegen aus Neapel, die (wie immer) glauben, alles besser zu wissen, aber am Ende (wie immer) kleinlaut eingestehen müssen, dass sie falsch liegen.

Das bleibt für meinen Geschmack alles zu sehr an der Oberfläche, da sich Ventura leider noch immer nicht traut, die wirklich heißen Eisen anzupacken, die für den italienischen Süden ein Thema wären. Ich vermute, dass es auch auf Capri die üblichen Probleme Italiens gibt, die z.B. Donna Leon in die Handlung ihrer nicht minder spannenden Brunetti-Krimis einflicht.

Kann man lesen, wenn man „leichte“ Kost und Krimínalromane bevorzugt, die lediglich Urlaubsfeeling transportieren, aber ansonsten relativ spannungsarm sind.

Veröffentlicht am 11.02.2024

Netter Versuch, nur leider nicht gelungen

Reykjavík
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Vermisste Personen, ein Thema, das sehr oft Kriminalromanen zugrunde liegt, deren Story sich mit einem Cold Case beschäftigt. Schaut man sich aktuelle Neuerscheinungen an, fällt die Häufung dieser Thematik ...

Vermisste Personen, ein Thema, das sehr oft Kriminalromanen zugrunde liegt, deren Story sich mit einem Cold Case beschäftigt. Schaut man sich aktuelle Neuerscheinungen an, fällt die Häufung dieser Thematik vor allem in den nordischen Krimis auf. So auch in „Reykjavik“, Co-Produktion des mit seiner Hulda-Trilogie und Dark-Iceland-Reihe erfolgreichen Autors Ragnar Jónasson und der isländischen Premierministerin Katrín Jakobsdóttir, die sich beide dem Erbe Agatha Christies verpflichtet fühlen.

Ausgangspunkt dieses Romans ist das Jahr 1956, in dem Lára Marteinsdóttir, eine Fünfzehnjährige, die einen Sommerjob als Haushaltshilfe bei einem wohlhabenden Ehepaar angenommen hat, überraschend ihre Stelle aufgibt und von da an spurlos verschwunden ist. Ein junger Polizist kümmert sich um den Fall, allerdings mit wenig Erfolg, da offenbar seine Vorgesetzten alles daran setzen, die Ermittlungen zu behindern. Bis 1986 ein Journalist auf diesen Fall aufmerksam wird und zu graben beginnt. Und er wird fündig.

Das ist der Punkt, an dem die Story leidlich interessant wird, weniger wegen des Vermisstenfalls als vielmehr wegen der Einblicke in die isländische Gesellschaft, die zu dieser Zeit nicht nur einige grundlegende Veränderungen durchläuft, sondern auch wegen des großen Interesses der Weltöffentlichkeit, die das bevorstehende Treffen zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow hervorruft. Aber das reicht auch leider nicht für eine positive Bewertung dieses über weite Strecken langatmigen Buches aus, dessen Auflösung leider enttäuscht, da sie schon nach den ersten Seiten ersichtlich ist.

Netter Versuch, nur leider nicht gelungen. Agatha Christie hätte das mit Sicherheit besser hinbekommen.

Veröffentlicht am 14.12.2023

Ermüdungserscheinungen

Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt (Die Mordclub-Serie 4)
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Ein Antiquitätenhändler wird erschossen, eine verschwundene Drogenlieferung zieht weitere Tote nach sich, eine dubiose Internet-Bekanntschaft hat das Bankkonto eines Neuzugangs in Coppers Chase im Visier, ...

Ein Antiquitätenhändler wird erschossen, eine verschwundene Drogenlieferung zieht weitere Tote nach sich, eine dubiose Internet-Bekanntschaft hat das Bankkonto eines Neuzugangs in Coppers Chase im Visier, Elizabeth bereitet sich auf den Abschied von Stephen vor…und…und…und.

Mit „Ein Teufel stirbt immer zuletzt“ kommt der Donnerstagsmordclub aus der Seniorenresidenz zurück, zeigt aber verglichen mit den drei Vorgängerbänden, die ich alle gerne gelesen habe, deutliche Ermüdungserscheinungen. Zwar gilt es diverse Morde (u.a. an einem alten Freund von Elizabeths Ehemann) aufzuklären und eine verschwundene Drogenlieferung aufzuspüren, aber das wird insgesamt betrachtet doch recht dünn und oberflächlich abgehandelt, wirkt so, als hätte sich der Autor in seiner Story verlaufen und in deren verworrenen Nebensächlichkeiten verirrt. Mit ein Grund dafür scheint mir die Vielzahl der Personen zu sein, denen mittlerweile Raum in der Handlung gegeben wird. War zu Beginn der Reihe der Blick auf Elizabeth, Joyce, Ibrahim und Ron gerichtet, hat sich diese Gruppe nun um mehr als das Doppelte vergrößert, von denen auch jede/r eine Hintergrundgeschichte hat, was nicht unbedingt zur Übersichtlichkeit beiträgt. Ich bin mit der Reihe vertraut, aber für Neueinsteiger ist das aktuelle Mordclub-Universum deshalb die Pest.

Überzeugen konnte mich einzig die kurze Geschichte zum langen Abschied von Elizabeths Ehemann. Diese war zwar anrührend und zu Herzen gehend, hat aber leider Elizabeth fast völlig aus der Handlung rund um den Mordfall herausgenommen. Ihre logischen Überlegungen, Handlungsanweisungen und sarkastischen Kommentare haben mir gefehlt, und das endlose, nichtssagende Geplapper von Joyce war nun wirklich kein adäquater Ersatz dafür.

No, I’m not amused…und kann hier leider nur mit 2,5 von 5 Punkten bewerten.

Veröffentlicht am 04.11.2018

Schmöker für trübe Herbsttage

Die Tochter des Uhrmachers
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Romane, in denen ein Geheimnis aus der Vergangenheit gelüftet werden will, haben Konjunktur. Dafür verknüpfen die (üblicherweise) Autorinnen Gegenwärtiges mit Vergangenem, was mal mehr, mal weniger gut ...

Romane, in denen ein Geheimnis aus der Vergangenheit gelüftet werden will, haben Konjunktur. Dafür verknüpfen die (üblicherweise) Autorinnen Gegenwärtiges mit Vergangenem, was mal mehr, mal weniger gut gelingt. Ein erfolgreiches Konzept, zumindest für die Australierin Kate Morton, deren Schmöker sich regelmäßig in den Bestsellerlisten etablieren.

In ihrem neuen Roman „Die Tochter des Uhrmachers“ sichtet Elodie, Archivarin und die zukünftige Braut, anlässlich ihrer bevorstehenden Hochzeit Familienfotos und stößt dabei auf das Bild eines Hauses, das Erinnerungen an die Gute Nacht-Geschichten hervorruft, die ihr ihre verstorbene Mutter allabendlich erzählt hat. Und es ist dieses Haus, hinter dessen Mauern sich im Lauf der Jahre so viel ereignet hat und das deshalb zum Dreh- und Angelpunkt des Romans wird.

Und daraus resultiert auch das große „Aber“, dessen ich mich während des Lesens nicht erwehren konnte. Es war einfach zuviel von allem, was dazu führte, dass die Geschichte immer nur an den verschiedenen Oberflächen gekratzt hat: vier verschiedene Zeitebenen (eigentlich drei: Gegenwart, Ende neunzehntes Jahrhundert, Zweiter Weltkrieg) mit vier unterschiedlichen Protagonistinnen, deren Schicksal samt und sonders mit dem Herrenhaus Birchwood Manor verknüpft ist. Jede hat ihre eigene Geschichte, und die Verknüpfungen bekommt Morton auch gut hin, aber die Personen bleiben flach, erreichen den Leser nicht.

Dennoch, wer einen Schmöker für die trüben Herbsttage sucht, den man trotz des Umfangs zügig herunterlesen kann, kann hier unbedenklich zugreifen.

Veröffentlicht am 22.03.2025

Unter die Haut

Achtzehnter Stock
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Berliner Plattenbau, 18. Stock. Dort lebt die alleinerziehende Wanda mit ihrer fünfjährigen Tochter Karlie. Und dass sie dort eigentlich nicht hingehört, macht sie gleich am Anfang klar, denn eigentlich ...

Berliner Plattenbau, 18. Stock. Dort lebt die alleinerziehende Wanda mit ihrer fünfjährigen Tochter Karlie. Und dass sie dort eigentlich nicht hingehört, macht sie gleich am Anfang klar, denn eigentlich ist sie ja Schauspielerin, auch wenn sie bisher nur einen Werbespot für Waschmittel gedreht hat, und wäre in einer Vorstadtvilla wesentlich besser aufgehoben. Sie geht zwar regelmäßig zu Castings, aber es will einfach nicht klappen mit der großen Karriere. Das Leben ist so ungerecht.

Sara Gmuer gelingt es zweifellos, das Setting glaubwürdig zu zeichnen, auch wenn sie dabei bis zum Ellenbogen in die Klischeekiste greift. In der Platte sitzen alle, natürlich außer Wanda, im gleichen Boot. Sie helfen ihr, geben Ratschläge, übernehmen auch mal die Kinderbetreuung. Insbesondere Aylins Mama ist immer für Wanda da, wenn Hilfe gebraucht wird, auch wenn diese der Meinung ist, besser als alle ihrer Nachbarinnen zu sein und sich noch nicht einmal für deren Namen interessiert. Beachtet werden sie nur dann, wenn sie deren Hilfe benötigt.

Ihr merkt es, ich bin kein Fan von Wanda und ihrem Verhalten, das mir zutiefst zuwider ist. Diese gnadenlose Selbstüberschätzung, ihr egoistisches Benehmen und nicht zuletzt die Vernachlässigung ihrer kleinen Tochter, die sie in der Nacht allein in der Wohnung zurücklässt, um mit den Reichen und Schönen Party zu machen, fand ich hochgradig grenzwertig und eigentlich ein Fall für das Jugendamt.

Ja, mir ist dieser Roman unter die Haut gegangen, zumindest das hat die Autorin erreicht, aber gemocht habe ich ihn schon allein wegen der Protagonistin nicht. Wenn das ihr Ziel war, ist er gelungen. Wenn sie uns allerdings mit Lebenswelten konfrontieren wollte, die uns üblicherweise unbekannt sind, wäre eine feinere, weniger klischeehafte Zeichnung des Milieus hilfreich gewesen. Und den märchenhaften Schluss hätte sie sich dann auch gleich sparen können.