Viele sehnen sich danach, die ganze Welt bereisen zu können. Erik Ulven träumt nicht länger, sondern verlässt seine Frau Nina und sein Zuhause in Norwegen, um durch Europa zu reisen. Nina Ulven verfolgt die Route ihres Mannes und richtet so die „Villa Europa“ ein. In ihr spiegelt die dramatische Familiengeschichte der Ulvens die Wirren des 20. Jahrhunderts wider.
Ketil Bjørnstad vereint in seinem 1992 erschienenen Roman „Villa Europa“ europäische Länder unter dem Dach einer Villa in Norwegen. Alles beginnt mit Erik und Nina Ulven. Sie ahnt nichts, als Erik plötzlich das große Anwesen und seine Frau verlässt. Mit schlechtem Gewissen schreibt er seiner Frau immer wieder Briefe mit seinem Aufenthaltsort und kehrt schließlich reumütig zurück. Doch Nina ist bereits verstorben. Als Nachlass hat sie in dem gemeinsamen Haus seine Reiseroute nachgestellt. So gibt es jetzt Zimmer, die nach ungarischen, transsilvanischen und schweizerischen Vorstellungen eingerichtet sind.
Immer wieder die „Villa Europa“
Erik beschäftigt Ovidia, eine Frau aus dem Nachbarort, als Haushälterin. Nach einer Vergewaltigung bringt sie ein Kind von ihm zur Welt, während er unter mysteriösen Umständen stirbt. Sie erbt die gesamte „Villa Europa“, wie das Haus nun genannt wird. Über vier Generationen und das gesamte 20. Jahrhundert wird die Familiensaga Ulven und die Geschichte Europas erzählt. Wie Erik verlassen auch die Kinder und Kindeskinder in den folgen Jahrzehnten die Villa. Manche freiwillig, manche unfreiwillig – und doch kehren fast alle in das Haus in Norwegen zurück, das in den Kriegs- und Nachkriegszeiten auch Anlaufstelle für Flüchtlinge aus aller Welt ist.
Tolle Grundidee
„Villa Europa“ ist eines der anspruchsvollsten aber auch erfolgreichsten Bücher des norwegischen Autors Ketil Bjørnstad. Ein Buch, das sich über ein gesamtes Jahrhundert erstreckt, hatte ich persönlich noch nie gelesen und so wusste ich nicht, was ich erwarten sollte. Die Grundidee gefiel mir sehr gut, war es doch mal etwas anderes als immer nur Krimis zu lesen. Ich reise sehr gern und liebe es, mehr über die Kulturen und Traditionen anderer Länder zu lernen - dazu könnte mir dieses Buch verhelfen, so dachte ich. Was sich Bjørnstad inhaltlich wirklich spannend überlegt hat, fand ich jedoch in der Umsetzung nicht so gut. Der Schreibstil ist an einigen Stellen ziemlich monoton und lässt sich dadurch nicht flüssig lesen. Teilweise verfiel ich auch dem Drang, Seiten nur zu überfliegen, statt sie wirklich zu lesen.
Typische Geschlechterrollen
Dennoch wird vor allem der revolutionären Frauenrolle Tribut gezollt. Einziges Problem hierbei: die typischen Geschlechterrollen. So sind die Frauen eigentlich schwach und unterwürfig, tragen aber dennoch den Revolutionsgedanken in sich. Männer hingegen trinken nur Bier, rauchen und vergnügen sich entweder in gewissen Etablissements oder, wenn sie nicht warten können oder wollen, nehmen sie sich die Frauen auch einfach auf der Straße und vergewaltigen sie. Was mich dabei wundert – gut wir haben jetzt natürlich schon wieder eine ganz andere Zeit – ist , dass die Frauen das einfach so hinnehmen.
Mittendrin
Die wundervolle Natur Norwegens, aber auch die ruhige Landschaft in Transsylvanien sind sehr detailliert beschrieben. Auch die Städte in Rumänien, Italien und Griechenland werden so ausgemalt, dass man das Gefühl bekommt, man sei wirklich dort. Alles in allem finde ich den Roman im Grunde nicht schlecht. Wer also über monotonen Satzbau hinweg sehen kann und sich für Reisen, Familiengeschichten und die Rolle der modernen Frau interessiert, dem kann ich dieses Buch nur empfehlen.