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Veröffentlicht am 24.12.2017

Vier erstklassige Novellen in einem Band

Vier nach Mitternacht
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Im Original lautet der Titel der 1990 erstmals erschienenen Sammlung Four Past Midnight, doch in der ursprünglichen deutschen Fassung wurde der Band geteilt und mit je zwei Geschichten unter den Titeln ...

Im Original lautet der Titel der 1990 erstmals erschienenen Sammlung Four Past Midnight, doch in der ursprünglichen deutschen Fassung wurde der Band geteilt und mit je zwei Geschichten unter den Titeln Langoliers (1990) und Nachts (1991) veröffentlicht. Das Buch wirkt auf den ersten Blick zwar neu, beziehungsweise unbekannt, wer aber Stephen Kings Bücher schon länger liest und kauft, hat die beiden alten Bände womöglich schon im Regal stehen - diese böse Überraschung sollte ja in jedem Fall vermieden werden.

Als die deutschen Bücher erstmalig erschienen, sind sie mir irgendwie durch die Lappen gegangen, und so habe ich bei diesem Band nun zugegriffen, denn er enthält tatsächlich vier alte King-Geschichten, die für mich noch "neu" und ungelesen waren, obwohl ich allerdings zwei der vier Geschichten in der Filmversion schon gesehen habe.

Den Auftakt macht Langoliers: Ein vollbesetztes Flugzeug macht sich von L.A. auf den Weg nach Boston - es ist ein sogenannter Schnarchflug, der spätabends startet, damit die Passagiere morgens ausgeruht an der Ostküste ankommen. Einige schlafen sehr schnell ein, als das Flugzeug gerade in der Luft ist, unter ihnen ein Pilot, der auf dem Weg nach Hause ist, ein blindes Mädchen, das in Boston an den Augen operiert werden soll, ein Banker, der einen wichtigen Geschäftstermin hat, und noch einige andere. Als das blinde Mädchen während des Fluges aufwacht, stellt sie fest, dass ihre Tante nicht mehr neben ihr sitzt... Und auch der Rest des Flugzeugs wirkt auf sie verwaist und leer - wo sind denn bloß alle abgeblieben?
Es gibt eine richtig schlechte Verfilmung als TV-Zweiteiler, die ebenfalls den Titel Langoliers trägt, und man muss sie definitiv nicht gesehen haben (das einzig Positive, was man darüber sagen kann: Sie ist relativ nah am Buch, und Stephen King hat einen kurzen Cameo-Auftritt. Die Schauspieler sind aber leider nicht gerade Meister ihres Fachs und über die Special Effects sollte man am besten den Mantel des Schweigens breiten). Daher hat es mich fast überrascht, wie gerne ich diese Geschichte gelesen habe. Sie war sehr spannend, und auch sehr unheimlich und abgedreht - wirklich ausgesprochen gut gelungen.

Das heimliche Fenster, der heimliche Garten: Der Schriftsteller Mort Rainey hat gerade eine üble Trennung hinter sich. Das Stadthaus hat er seiner Frau überlassen, er lebt nun sehr abgeschieden in seinem Ferienhaus und leckt seine Wunden. Hauptsächlich schläft er viel und starrt zwischen Früh-zu-Bett-gehen, Lange-Ausschlafen und einem ausgedehnten Mittagsschläfchen ein paar Stunden am Tag in seinen Bildschirm, ohne auch nur einen einzigen Satz, geschweige denn ein neues Buch, zustande zu bringen. Aus einem seiner Nickerchen wird er unsanft geweckt, als ein Unbekannter gegen seine Tür hämmert. Es ist John Shooter, der aufgebracht mit einem Manuskript wedelt und Mort des Plagiats bezichtigt, was natürlich ein völlig an den Haaren herbeigezogener Vorwurf ist. Doch Shooter lässt nicht locker...
Zu dieser Geschichte gibt es eine grandiose (aber leider etwas unbekanntere) Verfilmung mit Johnny Depp in der Hauptrolle, Das geheime Fenster, die ich sehr liebe und schon mehrfach gesehen habe. Trotzdem war es spannend, die Geschichte nun zu lesen, und wesentlich mehr über Morts Innenleben zu erfahren, als das in einer Verfilmung je möglich wäre.

Der Bibliothekspolizist: Eine sehr düstere Geschichte, in deren Mittelpunkt der Versicherungsmakler Sam Peebles steht, der überraschend eine Rede vor dem Rotary-Club halten soll. Auf den Rat seiner Sekretärin besorgt er sich zwei Bücher in der örtlichen Bibliothek, um seinen Text ein wenig aufzulockern. Doch schon der Besuch der Bücherei ist verstörend, die Leiterin, Mrs. Lortz, warnt ihn mehrfach, seine Bücher nicht zu überziehen, denn sonst rückt ihm der Bibliothekspolizist auf die Pelle. Als der Abgabetag gekommen ist, sind die Bücher wie vom Erdboden verschluckt und für Sam beginnt ein Alptraum...
Auch diese Geschichte habe ich verschlungen, denn sie ist wirklich früher King-Horror vom Feinsten.

Den Abschluss macht die Geschichte Zeitraffer: Kevin bekommt zu seinem 15. Geburtstag eine Polaroid-Sofortbildkamera, die einen merkwürdigen Defekt aufweist. Das fertige Bild zeigt nie das aufgenommene Motiv, sondern einen Hund vor einem weißen Lattenzaun. Trotzdem sind die Bilder nicht ganz identisch...
Diese Novelle gehört zum Castle-Rock-Zyklus und bildet einen Übergang zwischen den Romanen Stark - The Dark Half und Needful Things - In einer kleinen Stadt. Da ich diese beiden Bücher sehr mag und auch schon mehrfach gelesen habe, hat mir diese letzte Geschichte besonders gut gefallen, da einige altbekannte und liebgewonnene Figuren einen Auftritt bekommen.

Insgesamt mochte ich diesen Sammelband sehr, denn die Geschichten sind sehr unterschiedlich und bieten dadurch trotz der auf den ersten Blick überwältigenden Dicke des Buches ein sehr abwechslungsreiches und kurzweiliges Lesevergnügen - sowohl für Einsteiger ins King'sche Universum, als auch für "alte" Fans eine klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 07.12.2017

Einblick in eine längst vergangene Ära

Himbeeren mit Sahne im Ritz
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In diesem Kurzgeschichtenband gibt es elf Episoden, in denen verschiedenste Frauen im Mittelpunkt stehen. Mal ist es eine Revuetänzerin, mal eine Leinwandkönigin oder eine Ballerina, und trotz ihres unterschiedlichen ...

In diesem Kurzgeschichtenband gibt es elf Episoden, in denen verschiedenste Frauen im Mittelpunkt stehen. Mal ist es eine Revuetänzerin, mal eine Leinwandkönigin oder eine Ballerina, und trotz ihres unterschiedlichen Hintergrundes und Lebenslaufs sind es in der Regel typische "Flapper". Also Frauen, die sich nicht um überholte Konventionen scheren, die unabhängig und selbstbestimmt durchs Leben gehen, aber trotzdem auf der Suche nach der großen Liebe sind.

Die 20er Jahre sind meine absolute Lieblingsdekade des 20. Jahrhunderts, denn sind wir mal ehrlich, die erste Hälfte war, von diesen zehn Jahren einmal abgesehen, keine Epoche in der man gerne gelebt hätte. Erster Weltkrieg, Weltwirtschaftskrise, Zweiter Weltkrieg - alles in allem eine traurige Bilanz für ein halbes Jahrhundert. Nur in den 20ern hatten die Menschen die Gelegenheit, das Leben in vollen Zügen zu genießen, und unter dem Eindruck des gerade beendeten Krieges haben sie das auch getan, wenn sie die Möglichkeit dazu hatten.
Aus diesem Grund lese ich gerne Romane, die in dieser Zeit angesiedelt sind, aber in der Regel sind das dann natürlich historische Romane. In diesem Fall ist die Autorin aber Zelda Fitzgerald, die berüchtigte Ehefrau des Schriftstellers F. Scott Fitzgerald, und die Ikone (heutzutage würde man wahrscheinlich sagen: das "It-Girl") ihrer Ära. Das macht diese Anthologie zu etwas besonderem, denn sie ist ein Zeitzeugnis, geschrieben von einer Schriftstellerin, an der sich eine ganze amerikanische Frauengeneration gemessen hat.

Die Geschichten selbst sind sehr unterschiedlich, die Protagonistinnen kommen mal aus einfachsten Verhältnissen, mal sind sie reiche Erbinnen oder auch Ehefrauen. Aus heutiger Sicht wirkt das Lebensgefühl der 20er oft sehr oberflächlich und ichbezogen, denn es ging ja hauptsächlich darum, sich zu amüsieren und das Leben zu genießen, und sich selbst - vor allem als Frau - richtig in Szene zu setzen, um ein möglichst geheimnisvolles und anrüchiges Image zu kreieren. Zelda Fitzgerald lüftet den Schleier für den Leser und lässt ihn in diesen ganz und gar nicht oberflächlichen Geschichten hinter die perfekt inszenierten Fassaden blicken.

Besonders gut hat mir ihr Stil gefallen, am Anfang ungewohnt, doch Geschichte für Geschichte vertrauter und ansprechender. Obwohl in Kurzgeschichten eigentlich wenig Platz dafür ist, werden Schauplätze und ihre Atmosphäre auf sehr besondere und plastische Art zum Leben erweckt. Manche Geschichten haben einen traurigen oder melancholischen Hintergrund ("Miss Ella" oder "Zwei Verrückte"), aber es gibt auch heitere, die mit feiner Ironie zeigen, dass Zelda Fitzgerald ihre Generation selbst nicht immer völlig ernst nahm ("Unsere Leinwandkönigin" oder "Ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen").

Dass in allen Geschichten ausschließlich die weibliche Sicht auf die Welt zum Tragen kommt, macht das Buch in meinen Augen außergewöhnlich, denn die meisten zeitgenössischen Werke wurden ja immer noch von Männern geschrieben. In Zelda Fitzgeralds Geschichten sind die männlichen Figuren bestenfalls Staffage, was bei einer Autorin, die bezüglich ihres Schaffens zeitlebens im Schatten ihres berühmten Ehemannes stand, nicht weiter verwundert.
"Himbeeren mit Sahne im Ritz" ist ein literarisches Denkmal für die erste Generation von Frauen, die das althergebrachte Rollenbild in Frage stellten und bewiesen haben, dass Frauen nicht zwangsläufig ihre Erfüllung als Ehefrau und Mutter finden, sondern genauso wie die Männer nach den Sternen greifen dürfen.

Veröffentlicht am 21.11.2017

(A)soziale Medien

Der gefährlichste Ort der Welt
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Tristan Bloch besuchte die achte Klasse der Mill Valley Middle School- im nächsten Jahr sollte sein schulischer Werdegang an der High School fortgesetzt werden. Eigentlich. Denn Tristan begeht einen schwerwiegenden ...

Tristan Bloch besuchte die achte Klasse der Mill Valley Middle School- im nächsten Jahr sollte sein schulischer Werdegang an der High School fortgesetzt werden. Eigentlich. Denn Tristan begeht einen schwerwiegenden Fehler: er wurde bisher zwar als "sonderbar" abgestempelt und von seinen Mitschülern gemieden, aber zumindest wurde er geduldet und in Ruhe gelassen. Doch Tristan entschied sich eines Tages, seiner Mitschülerin Cally Broderick in einem Brief seine Liebe zu gestehen. Die gleichaltrige, von der Pubertät und der schweren Krankheit ihrer Mutter gebeutelte Cally kann mit diesem völlig unerwarteten Gefühlsausbruch ihres Mitschülers (mit dem sie bisher kaum je ein Wort gewechselt hat) nicht umgehen, er wirft sie aus der Bahn. Also wendet sie sich damit an ihre Freundinnen. Eine Entscheidung von verhängnisvoller Tragweite, denn damit ist die Katze aus dem Sack, der Tratsch verbreitet sich wie ein Lauffeuer im gelangweilten Mikrokosmos der Schule und der virtuelle Pranger in den sozialen Medien ist die unausweichliche Folge. Über Wochen wird Tristan verhöhnt, fertiggemacht und gezielt erniedrigt. So lange, bis für den sensiblen und klugen Tristan feststeht, dass er keinen Platz mehr hat in dieser Welt.

Dieser Roman geht einem wirklich unter die Haut. Obwohl sich die Autorin in ihrer Figurenzeichnung sämtlicher Klischees bedient, die die beliebten High-School-Filme der 80er Jahre in unseren Köpfen zementiert haben (der Sportler, die Unangepasste, die unnahbare Schöne, der Streber usw.), variiert sie diese Charaktere und passt sie an die heutige Zeit an, so dass sie wider Erwarten weder schablonenhaft noch überzeichnet wirken.
Da es nicht "den einen" Protagonisten gibt, sondern eine nicht gerade kleine Gruppe von Schülern im Mittelpunkt steht, die noch dazu kaum Berührungspunkte untereinander hat, werden die Ereignisse zwar chronologisch wiedergegeben, aber die Perspektivwechsel erfolgen oft etwas abrupt und unerwartet - eine Erzählweise, auf die man sich nach und nach einstellen muss, und die wahrscheinlich auch nicht jedermanns Geschmack trifft. Dazu kommt noch, dass abgesehen von Cally jeder nur einen "Auftritt" hat, und die Autorin sich offensichtlich bewusst dagegen entschieden hat, Sympathien für ihre Figuren wecken zu wollen. In meinen Augen zwar eine mutige, aber auch riskante Entscheidung, da man als Leser immer auf Distanz bleibt.

Cybermobbing ist der Aufhänger dieser Geschichte, ein Thema, das zumindest mir immer wieder nahegeht, und mich in meiner generellen Aversion gegen die sozialen Medien wie Facebook, Twitter, Snapchat usw. bestätigt. Gerade junge Menschen neigen dazu, viel zu viel von sich preiszugeben und sich damit zur Zielscheibe nicht nur ihres persönlichen Umfeldes, sondern eines viel größeren Personenkreises zu machen. Da oft (nicht nur von Jugendlichen, sondern auch von Erwachsenen) nicht mehr wahrgenommen wird, dass am anderen Ende echte Menschen mit Gefühlen, Komplexen und ihren ganz eigenen Befindlichkeiten sitzen, werden oft Dinge geschrieben, die man im wahren Leben und Auge in Auge niemals aussprechen würde.
Nur am Anfang wird dieses Thema wirklich angesprochen, aber unterschwellig ist es die ganze Zeit vorhanden. Es geht weniger um Tristans tragische Geschichte, sondern um diejenigen, die ihn virtuell attackiert haben, und von außen betrachtet danach einfach ihr Leben weiterleben. Doch ist das wirklich so? Haben die Mobber damit abgeschlossen, oder trägt jeder Tristan und den eigenen Anteil an seinem Schicksal mit sich herum?

"Der gefährlichste Ort der Welt" ist wirklich keine leichte Lektüre, denn obwohl die (tatsächlich real existierende) kalifornische Stadt Mill Valley nach außen hin paradiesisch wirkt - die Bevölkerung ist zwischen wohlhabend und reich anzusiedeln, die Jugendlichen leben im materiellen Überfluss und die Kriminalitätsrate ist für amerikanische Verhältnisse lächerlich gering - trügt das Kleinstadtidyll und hinter den gepflegten Fassaden bestimmen Leistungsdruck, Gruppenzwang und emotionale Verwahrlosung das Leben der Teenager.
Ein Buch, das mich wirklich nachdenklich zurücklässt, das die Grenzen zwischen "Täter" und "Opfer" aufweicht und am Ende zwar keine Antworten liefern kann, dafür aber viele Fragen aufwirft, die die meisten Leser noch eine Weile beschäftigen dürften.

Veröffentlicht am 03.11.2017

"Man ist unschuldig, bis das Gericht sagt, dass man schuldig ist."

Im Traum kannst du nicht lügen
1

Mit gerade einmal achtzehn Jahren steht Maja Norberg vor Gericht. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer: an Majas Schule kam es zu einem School Shooting, und sie war daran beteiligt. Gerade ...

Mit gerade einmal achtzehn Jahren steht Maja Norberg vor Gericht. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer: an Majas Schule kam es zu einem School Shooting, und sie war daran beteiligt. Gerade noch standen diesem privilegierten Mädchen alle Türen offen: sie ist hübsch, war beliebt, obendrein eine gute Schülerin und kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus. Wie konnte es dazu kommen, dass sie plötzlich in Untersuchungshaft sitzt und die meistgehasste Person Schwedens ist?

"Im Traum kannst du nicht lügen" ist der bisher einzige Roman von Malin Persson Giolito, der ins Deutsche übersetzt wurde, und die Autorin hat mich auf Anhieb begeistert und überzeugt. Schon auf der ersten Seite hatte Majas Geschichte mich eingefangen, sie ist die Ich-Erzählerin und eine gelungene Protagonistin, denn sie ist schwer zu durchschauen. Die Ich-Perspektive liegt mir normalerweise nicht so sehr, aber hier war sie die perfekte Wahl, denn als Leser versuchte ich ständig, Maja einzuordnen und einzuschätzen, aber jedes Mal, wenn ich dachte, es sei mir gelungen, offenbarte sie ein neues kleines Puzzlestück, dass die bisherigen Erkenntnisse über ihre Person wieder über den Haufen warf, oder zumindest in Frage stellte.

Generell ist der Roman raffiniert und ungewöhnlich aufgebaut: Der Prolog beleuchtet die Situation im Klassenraum - nach der Tat. Man denkt hier schon, ungefähr zu wissen, was sich abgespielt hat. Die eigentliche Handlung setzt dann einige Monate später ein, mit dem ersten Verhandlungstag und Maja auf der Anklagebank. Als Leser folgt man Majas vom eigentlichen Thema abschweifenden Gedankengängen, und erfährt so immer mehr über ihre Schulkameraden, die später zu Opfern wurden, über ihren Freund Sebastian, über Maja selbst. Diese Gedankengänge sind nicht unbedingt chronologisch, oft erinnert sie sich auch an Begebenheit in ihrer Kindheit, gefolgt von ihren Erfahrungen in der Untersuchungshaft. Aber es gibt auch richtige Rückblicke, die zwischen den Verhandlungstagen größere zeitliche Abschnitte umfassen, und die den Leser langsam auf das bereits aus dem Prolog bekannte, tragische Finale zusteuern.

Man hat hier also keinen klassischen Kriminalroman mit einem Polizisten oder Hobby-Detektiv auf Mörderjagd in der Hauptrolle, sondern nimmt als Leser die entgegengesetzte Perspektive auf der Seite der Täterin ein. Von Anfang an scheint eigentlich alles klar zu sein, und doch ist dieses Buch vom ersten bis zum letzten Kapitel spannend, immer wieder überraschend und man entwickelt sogar Sympathie und Verständnis für Maja - was ich im Vorfeld eigentlich für wenig wahrscheinlich gehalten hatte, denn immerhin ist sie ja verantwortlich für den Tod ihrer Mitschüler. Oder?

Preisgekrönte Bücher haben mich mitunter schon schwer enttäuscht, und ich fragte mich nach dem Lesen oftmals, was die entsprechende Jury wohl bewogen hat, ausgerechnet dieses Buch zu küren (und ob die anderen Nominierungen wirklich noch schlechter waren). "Im Traum kannst du nicht lügen" darf sich mit der Auszeichnung "Bester Kriminalroman Schwedens 2016" schmücken, und ich muss sagen, es hat diesen Preis sicherlich verdient gewonnen.

Wer gerne mal eine Krimihandlung abseits der ausgetretenen Pfade verfolgen möchte, der kommt mit diesem Buch bestimmt auf seine Kosten. Mich hat Majas Geschichte jedenfalls noch weit über das letzte Kapitel hinaus beschäftigt, definitiv ist das kein Roman der Sorte "Lesen und wieder vergessen".

  • Einzelne Kategorien
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  • Erzählstil
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 05.09.2017

Beautiful Dreamer

Diviners – Die dunklen Schatten der Träume
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New York, 1927: Die ganze Stadt ist im Diviner-Fieber, Evie O'Neill hat als "Herzblatt-Seherin" inzwischen ihre eigene Radioshow vor Live-Publikum, dem sie aus mitgebrachten Gegenständen liest. Wenn sie ...

New York, 1927: Die ganze Stadt ist im Diviner-Fieber, Evie O'Neill hat als "Herzblatt-Seherin" inzwischen ihre eigene Radioshow vor Live-Publikum, dem sie aus mitgebrachten Gegenständen liest. Wenn sie gerade nicht auf Sendung ist, lässt sie keine Party aus.
Doch nicht für alle läuft es so gut, in New York grassiert die Schlafkrankheit - die Menschen schlafen abends ein, wachen aber nie mehr auf, bis sie irgendwann sterben. Kein Arzt weiß etwas über diese rätselhafte Krankheit, die Obrigkeit steht der Seuche hilflos gegenüber. Ein neuer Fall für die Diviner?

The Diviners - Die dunklen Schatten der Träume ist der zweite Band der Reihe, und schon auf den ersten Seiten des Auftaktbandes The Diviners - Aller Anfang ist böse war ich dieser Geschichte mit Haut und Haar verfallen. Wie gut, dass ich erst relativ spät auf die Bücher gestoßen bin, und mit dem Weiterlesen nicht allzu lange warten musste.

Wenn man die Fortsetzung mit dem ersten Band vergleicht, gibt es einiges, das gleichgeblieben ist, beispielsweise taucht man in das pulsierende Leben im New York der wilden 20er ein - exzessive Parties in Flüsterkneipen, Jazzmusik, und Manhattans überfüllte Straßen inklusive. Die Geschichte selbst ist wieder sehr gruslig und hat viele Gänsehautmomente - da es sich um ein Jugendbuch handelt, wird aber auf blutrünstiges Gemetzel verzichtet (was der Spannung zum Glück keinen Abbruch tut).
Die bereits liebgewonnen Charaktere bekommen durch die Bank ihren zweiten Auftritt, die Schwerpunkte haben sich jedoch verschoben. Ging es im Vorgänger hauptsächlich um Evie, Mabel und Jericho, stehen diesmal Henry, Ling und Sam im Vordergrund. Evie hat sich ziemlich verändert, ihre fünf Minuten Ruhm sind ihr ganz schön zu Kopf gestiegen, was vermutlich nicht jedem Leser gefallen wird. Ich mag sie zwar immer noch, aber mir hat es trotzdem sehr gut gefallen, dass ich diesmal mehr über die anderen Charaktere erfahren durfte.

Die Geschichte selbst - kaum zu glauben, aber wahr - gefiel mir noch besser als die im ersten Band, die mysteriöse Krankheit und ihre Auswirkungen waren sehr spannend geschildert. Henry und Ling haben recht ähnliche Fähigkeiten, und es gab viele schöne und bildhafte Passagen, in denen der Leser mehr darüber erfährt.
Die historischen Gegebenheiten, die die Autorin ins Geschehen einfließen lässt, entsprechen wirklich den Tatsachen - in einem Nachwort geht sie hierauf noch einmal genauer ein.

Trotz des recht stattlichen Umfangs von 800 Seiten gab es keine Längen - ich habe am Samstagmorgen mit dem Lesen begonnen, und war am Sonntagabend auf der letzten Seite angelangt - was mich jetzt fast ein wenig wehmütig stimmt, weil der dritte Band (im Original Before the Devil Breaks You) erst am 3. Oktober 2017 auf Englisch erscheinen wird und bisher noch kein Veröffentlichungstermin für die deutsche Übersetzung bekannt ist.
Lieber DTV, bitte lasst mich und die anderen deutschen Fans der Diviners nicht allzu lange schmoren - nach dem fulminanten Finale hat Libba Bray noch so viele kleine Puzzlestückchen als Ausblick auf die Fortsetzung fallenlassen, dass ich es wirklich kaum noch erwarten kann.