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Veröffentlicht am 26.12.2017

Für Hundeliebhaber und Romantiker

Kleiner Streuner - große Liebe
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Die letzten beiden Jahre habe ich vor dem Weihnachtsfest immer einen der süßen Hunderomane von Petra Schier gelesen. Auch dieses Jahr durfte ich bei der LB Leserunde mit dabei sein und diesmal den kleinen ...

Die letzten beiden Jahre habe ich vor dem Weihnachtsfest immer einen der süßen Hunderomane von Petra Schier gelesen. Auch dieses Jahr durfte ich bei der LB Leserunde mit dabei sein und diesmal den kleinen Socke begleiten, der die Aufgabe bekommen hat, Eva und André zusammenzubringen. Und auch in diesen Roman ist dieses Vorhaben gar nicht so einfach....
Wie immer bei den Hunde-Weihnachtsgeschichten der Autorin, habe ich mich auf einen leichten Wohlfühlroman eingestellt, den ich auch bekommen habe. Hier wird eindeutig winterliche und weihnachtliche Stimmung verbreitet, verpackt in ein kleines Weihnachtsmärchen, das perfekt in diese Zeit des Jahres passt.

Eva, Lidia und Sophie sind gerade fertig mit dem Packen der Umzugskisten, denn Eva wird demnächst in eine neue Wohnung ziehen. Die abgeschlossene Schufterei wird nun ausgiebig mit ein paar Flaschen Wein gefeiert. In der ausgelassenen Stimmung erzählt Sophie von ihrem Wunsch an den Weihnachtsmann, den sie vor zwei Jahren abgeschickt hat und der prompt erfüllt wurde. Sie schlägt vor, dass es ihr Eva gleichtun sollte, um endlich ihren Traummann zu finden. Die bereits angeheiterte Clique setzt sogleich die Idee um und so landet bald darauf ein Schreiben beim Weihnachtsmann und seinen Elfen. Dieser setzt auch diesmal wieder auf einen ausgesetzten Hund, der sich nach einem Zuhause sehnt. Mit dem kleinen Socke haben wir diesmal ein ganz armes Hündchen, das erst ein Jahr alt ist und noch nie Liebe und Zuwendung kennengelernt hat. Der Kleine ist schon sehr schwach, denn er hat schon lange nichts mehr gegessen und zittert vor Kälte, als ihn Eva und André in der Nähe der Sozialstation finden, in der sie beide arbeiten. Die Beiden bringen ihn sofort zum Tierarzt und päppeln den kleinen Socke auf, der vom Weihnachtsmann die Aufgabe erhalten hat, Eva und André endlich zusammenzubringen.....

Auch wenn die Geschichte ziemlich vorhersehbar und nach einem ähnlichen "Strickmuster" wie die anderen Hunde-Weihnachtsgeschichten aufgebaut ist, genieße ich gerade in der Vorweihnachtszeit diesen Zauber, den die Autorin in ihren Büchern verbreitet. So gibt es auch in jedem Roman ein Wiedersehen mit alten Bekannten aus den vorherigen Büchern. Die Liebesgeschichte mit einigen Irrungen und Wirrungen wurde sehr gefühlvoll beschrieben. Ein bisschen erotisches Knistern durfte auch diesmal nicht fehlen. Weder die Liebe noch die Weihnachtsstimmung kommt hier zu kurz!

Auch die kurzen Kapitel mit den Dialogen zwischen dem Weihnachtsmann, seiner Frau und den Elfen sind mir schon aus den beiden Vorgängern bekannt und sind das Markenzeichen dieser märchenhaften und weihnachtlichen Bücher. Die Gedanken von Socke sind in kursiver Schrift festgehalten.

Die Charaktere sind alle sehr liebevoll und lebendig dargestellt. Zu den Höhepunkten der Handlung gehört der Schlagabtausch zwischen Eva und Andrè, die schon vor zwei Jahren eine kleine Affäre hatten. Eva, die sich keine tiefen Gefühle zugesteht, hat diese damals kurzzeitig beendet. Trotzdem konnten weder sie noch André den Anderen seither vergessen. André war einst ein Sternekoch und konnte weder den Druck standhalten, noch fühlte er sich in diesen Gesellschaftskreisen wohl. Er arbeitet ebenso in der Sozialstation, wie Eva.
Evas Eltern sind lieblose, karriereorientierte Menschen, die sogar ihre eigene Tochter für Geld verkaufen wollen...an den passenden Mann, mit dem sie ihre Geschäftsbeziehungen zu vertiefen gedenken.
Auch auf der Sozialstation selbst gibt es wieder jede Menge interessante Charaktere. Besonders Walter habe ich ins Herz geschlossen, der mit seinen treffenden und sarkastischen Bemerkungen die Geschichte

Schreibstil:
Petra Schier schreibt sehr flüssig, locker und leicht. Es ist eine tolle Mischung aus Romantik, Märchen und ein klein bisschen Kitsch, das aber in diese Zeit des Jahres passt. Der Roman ist wieder in 24 (plus ein Extra) Kapitel eingeteilt und kann auch als Adventkalender gelesen werden.....wenn man tatsächlich täglich nur ein Kapitel lesen kann, was sehr schwierig ist...den einmal angefangen, hört man nicht so schnell auf zu lesen.
Das süße Cover lässt das Herz aller Hundefreunde höher schlagen.

Fazit:
Ab und zu gehört auch eine richtige Portion Romantik ins Leben und besonders in der Weihnachtszeit greife ich gerne zu den Hunde-Weihnachtsgeschichten von Petra Schier. Sie bescheren mir eine märchenhafte und weihnachtliche Stimmung, die ich in der hektischen Vorweihnachtszeit gerne auf diesen Weg konsumiere. Auch wenn die Geschichte etwas vorhersehbar ist, konnte mich auch "Kleiner Streuner - große Liebe" überzeugen und ich habe die Portion Hunde- und Liebesglück genossen. Perfekt zum zurücklehnen und träumen...

Veröffentlicht am 05.12.2017

Das geheimnisvolle Dorf

Schwarzbubenland
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Dieses Jahr habe ich eine neue Liebe gefunden...und zwar die zu Schweizer Krimis. "Schwarzbubenland" ist der dritte Krimi dieses Jahr, der aus dem Nachbarland kommt und der zweite Roman des Autors nach ...

Dieses Jahr habe ich eine neue Liebe gefunden...und zwar die zu Schweizer Krimis. "Schwarzbubenland" ist der dritte Krimi dieses Jahr, der aus dem Nachbarland kommt und der zweite Roman des Autors nach "Solothurn streut Asche" Rezi.

In diesem Krimi von Christof Gasser lernen wir eine neue Ermittlerin kennen: Cora Johannis. Sie ist freischaffende Journalistin und war jahrelang im Ausland in Kriegsgebieten eingesetzt. Zurück in Deutschland muss die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern um jedes Projekt kämpfen. Eben erst wurde ein vielversprechender Auftrag an einen Konkurrenten vergeben. Da bekommt sie ein ganz spezielles Angebot von Daniel vom Staal. Die Ehefrau des ehemaligen Politikers ist seit fast zwölf Jahren spurlos verschwunden, der Fall von der Polizei ad acta gelegt. Zu schnell findet vom Staal, da seine Frau Elisabeth aus Russland stammt und er sie in einem bestimmten Etablissement kennengelernt hat. Alle waren davon überzeugt, dass sie nur sein Geld wollte. Doch vom Staal glaubt nicht an den Tod seiner Frau und behauptet, dass sie ihn nie freiwillig verlassen hätte. Er hat sogar einen zwingenden Beweis in der Hand, den er Cora zeigt und sie bittet nach Elisabeth zu suchen. Cora denkt nicht lange nach, denn sie muss schließlich ihre monatlichen Kosten abdecken und begibt sich nach Gilgenberg im Schwarzbubenland, das nahe der französischen Grenze und Basel liegt.
Die Ablehnung der Dorfbewohner ist vom ersten Moment an spürbar und Cora ist sich bald bewusst, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Als kurze Zeit später ein junges Mädchen tot aufgefunden wird, das sich mit Cora treffen wollte, ist sie absolut sicher in Gilgenberg richtig zu sein...

Der Krimi ist von Anfang an spannend und der Spannungsbogen bleibt auch bis zum dramatischen Finale gleichbleibend hoch. Diverse überraschende Wendungen lassen einem wunderbar miträtseln und trotzdem
tappt man bis zum Schluss im Dunkeln. Zusätzliche Spannung erhält der Krimi auch durch das Verhalten von Staatsanwalt und Polizei, die Cora's Hinweise nicht ernst nehmen und sie sogar teilweise bei den Ermittlungen behindern. Haben sie etwas zu verbergen?
Geschickt nimmt der Autor einige Themen auf, die dem Krimi weitere Anhaltspunkte geben und bei denen man überlegt, welche davon zu vom Staals Frau führen könnten...


Auch das Privatleben von Cora spielt eine große Rolle. Coras Exmann hat die gemeinsame 14-jährige Tochter Mila, die seit der Trennung bei ihm gewohnt hat, wegen eines Auslandsjahres in Argentinien bei Cora untergebracht. Neben den bereits erwachsenen Sohn Julian stellt Mila Coras Nervenkostüm gewaltig auf die Probe. Das Töchterchen befindet sich mitten in der Pubertät und hasst alles an ihrer Mutter. Während Julian mit seiner neuen Freundin aufkreuzt, die nicht viel jünger als seine Mutter ist, chattet Mila mit AustinXXX im Netz, der gerne freizügerige Fotos von ihr haben möchte. Diese Chat-Protokolle haben mich sofort in Angst und Schrecken versetzt und geben dem Krimi einen zusätzlichen Spannungseffekt. Da Cora sowohl ihren Beruf, als auch ihren Kindern gerecht werden will, ist ihr Tagesablauf ziemlich chaotisch. Hier hat der Autor die Empfindungen aus der Sicht einer Frau, eben von Cora, wirklich großartig wiedergegeben. Hut ab! Man spürt förmlich ihre innere Zerissenheit und jede Mutter, die "nebenbei" einem Job nachgeht, kennt diese Gefühle sehr gut.
Auch die Charaktere von Mila und Julian sind sehr authentisch und manchen von uns kommen wohl die einen oder anderen Szenen bekannt vor.
Auch die Gegend rund um das Schwarzbubenland und seine Bewohner hat der Autor perfekt eingefangen. Für mich ist Christof Gasser in die Liga meiner Krimi-Lieblingsautoren aufgestiegen. Selbstverständlich werde ich ab ein Auge auf alle seine neuen Bücher haben...

Schreibstil:
Christof Gassers Schreibstil ist rasant, ausdrucksstark und lässt sich sehr flüssig lesen. Die eingebauten Dialoge sind eindeutig die Stärke des Autors. Die regionalen Schweizer Ausdrücke passen perfekt in die Handlung und verbreiten den nötigen Lokalkolorit. Dazu tragen auch die bildhaften Landschaftsbeschreibungen bei.

Fazit:
Ein weiterer großartiger Schweizer Krimi aus der Feder von Christof Gasser. Spannende Handlung, interessante und authentische Charaktere und der genau dosierte Lokalkolorit machen dieses Buch zu einem Pageturner. Ich habe die Liebe zu Schweizer Krimis gefunden!

Veröffentlicht am 27.11.2017

Wunderschönes Weihnachtsmärchen

Der Weihnachtswald
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Eva Lankers, eine junge und ehrgeizige Anwältin, fährt jährlich zu Weihnachten zu ihrer Großmutter Anna nach München. Diese lebt in einer alten Villa mit großem Garten, die seit Generationen im Familienbesitz ...

Eva Lankers, eine junge und ehrgeizige Anwältin, fährt jährlich zu Weihnachten zu ihrer Großmutter Anna nach München. Diese lebt in einer alten Villa mit großem Garten, die seit Generationen im Familienbesitz ist. Dort ist Eva aufgewachsen, nachdem ihre Eltern verunglückt sind und sich ihre Großmutter ihrer angenommen hat. Deren Angewohnheit zu den Feiertagen dem Waisenhaus eine großzügige Spende zukommen zu lassen und ein Waisenkind am Heiligen Abend einzuladen, findet sie ebenso unerträglich, wie Weihnachten und Kinder im Allgemeinen.
Doch einmal im Jahr nimmt sie den Weg auf sich und feiert das Weihnachtsfest zusammen mit ihrer Großmutter, obwohl Eva am liebsten auch während der Feiertage durcharbeiten würde, was sie auch von ihren Mitarbeitern verlangt. Deshalb begleitet sie auch ihre Sekretärin Sandra auf dem Weg nach München. Als sie dort ankommt muss Eva feststellen, dass es um die alte Villa nicht sehr gut steht und ihre Großmutter hoch verschuldet ist. Sie berechnet bereits in Gedanken, wie viel sie aus dem Haus und Grundstück herausschlagen kann, als sie erfährt, dass der Sohn von Haushälterin Margret und ihre einstige Jugendliebe Philipp, einen Teil des Grundstückes gemietet hat und darauf Christbäume pflanzt....einen kleinen Weihhnachtswald...
Antonie, das Waisenkind, das dieses Jahr von Anna Koffler zum Weihnachtsfest eingeladen wurde, fällt durch ihr Stottern auf. Immer wieder wird von zukünftigen Pflegeeltern abgelehnt, sobald sie zu sprechen beginnt. Auch die Kinder im Waisenhaus hänseln sie deswegen. Die sehr schüchterne Antonie spürt auch sofort Evas Abneigung und flüchtet während eines Schneesturmes aus dem Haus. Sie will lieber zurück ins Waisenhaus, als bei dieser herzlosen Frau zu bleiben. Eva und Philipp machen sich auf die Suche nach dem Mädchen und geraten unversehens in die Vergangenheit....

Eigentlich wollte ich nur kurz in die Geschichte reinlesen und ein anderes Buch zuerst beenden, doch ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen. Wer nach einer wunderschönen und märchenhaften Weihnachtsgeschichte sucht, dem kann ich "Der Weihnachtswald" wirklich empfehlen. Hier stimmt einfach alles: Das Gefühl und die festliche Stimmung, die für einen Weihnachtsroman das A und O sind. Und trotzdem steht hier, wie so oft üblich, keine Liebesgeschichte im Fokus. Es geht vielmehr um Familie, Zusammenhalt und das Schicksal. Auch das Märchenhafte kommt nicht zu kurz, denn Angelika Schwarzhuber hat noch einen ganz besonderen Effekt eingebaut....

Dass Eva eine nicht gerade herzliche und sympathische Zeitgenossin ist, liest sich bereits aus den obigen Zeilen. Auf die karrieresüchtige und kühle Frau warten einige Aufgaben, die sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorgestellt hat. Sie macht eine spürbare Wandlung durch, wobei Eva allerdings auch nicht zum Gutmenschen mutiert, sondern glaubwürdig bleibt.
Mit Antonie hatte ich hingegen fast die ganzen vierhundert Seiten lang Mitleid. Das arme Kind erfährt so viel Ablehnung, dass es sogar beim Lesen schmerzt.
Anna hinterlässt beim Leser zwiespältige Gefühle....warum das so ist, kann ich leider nicht erklären ohne zu spoilern...
Die Autorin hat mich mit ihrem Weihnachtsroman überzeugt, so dass ich mir bereits einen weiteren Roman von ihr gekauft habe.

Schreibstil:
Sowohl die Charaktere, als auch die Orte wurden so lebendig beschrieben, dass man tief in die Geschichte eintaucht. Der Schreibstil ist locker und leicht, wie es für eine Weihnachtsgeschichte gehört, bei der man sich einfach nur zurücklehnen will und den Charme der Weihnachtszeit genießen möchte. Auch die Emotionen kommen dabei nicht zu kurz, wobei es nie kitschig wird.

Am Ende des Buches gibt es noch ein paar leckere Keksrezepte, die nach einem Aufruf der Oberhofener Lokalzeitung an ihre Leser, zur Verfügung gestellt wurden.

Fazit:
Wer nach einer wunderschönen Geschichte sucht, um sich auf die Weihnachtszeit einzustimmen, dem kann ich diesen märchenhaften Roman empfehlen. Er erwärmt das Herz an kalten Tagen und erzählt eine etwas andere Weihnachtsgeschichte. Von mir gibt es deswegen 4 1/2 Sterne und eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.11.2017

Bleibt im Gedächtnis!

Ein wenig Glück
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Schon aus dem Klappentext wird ersichtlich, dass diese Geschichte nicht unbedingt leichte Kost ist. Die Handlung rief bei mir viele Empfindungen hervor: Entsetzen, Schmerz, Trauer, Wut, Mitgefühl und Verständnis.
Und ...

Schon aus dem Klappentext wird ersichtlich, dass diese Geschichte nicht unbedingt leichte Kost ist. Die Handlung rief bei mir viele Empfindungen hervor: Entsetzen, Schmerz, Trauer, Wut, Mitgefühl und Verständnis.
Und dies alles auf nur 224 Seiten, für die man sich allerdings Zeit nehmen sollte. Der Leser spürt die Intensivität der Geschichte, die die Autorin in einfachen und klaren Sätzen erzählt. Weit ab von Kitsch und Gefühlshudelei, denn es geht um Schuld und Vergebung.

Mary, die eigentlich Marilé heißt, kehrt nach zwanzig Jahren in ihre alte Heimat Argentinien zurück. Ihre Aufgabe ist es für das Garlic Institut in Boston, wo sie und ihr kürzlich verstorbener Mann Robert tätig waren, die Anträge anderer Schulen zu sichten und diese vor Ort zu evaluieren. Ihr Auftrag führt sie just an ihr ehemaliges College, das St. Peters. Vor Ort soll sie herauszufinden, ob es alle Aufgaben einer Eliteschule gerecht wird. Dabei kehrt sie an den Ort zurück, den sie vor zwanzig Jahren verlassen hat und nie mehr aufsuchen wollte.

In immer wiederkehrenden Rückblenden erzählt uns Marilé nach und nach ihre Lebensgeschichte. Diese beginnt mit ihrem Job als Lehrerin, ihrer Heirat mit Mariano, einen Arzt. Dieser kommt aus einer reichen und angesehenen Familie. Seine Vater besitzt eine eigene Klinik. Ein wunderschönes Eigenheim und ein Sohn vervollkommen das Glück, wie es scheint. Doch ein unbedachter Augenblick verändert Marilés Leben für immer...
Die Menschen um sie herum verurteilen die junge Mutter. Aus der plötzlich angesehenen Arztfrau wird eine unerwünschte Ehefrau, eine Geächtete, eine Mörderin. Die Vorurteile und die verbalen Übergriffe nehmen zu und erinnern immer mehr an eine Hexenjagd im Mittelalter. Die Schuldgefühle werden immer stärker, als sich auch die eigene Familie von ihr abwendet, um den guten Ruf zu wahren. Daraufhin entschließt sich Marilé zu gehen und ihr altes Leben hinter sich zu lassen, bevor sie endgültig zerbricht. Sie steigt in das nächste Flugzeug und landet schlussendlich in den Staaten. Noch am Flughafen hilft ihr ein Mann, der ihr fortan ihre Stütze wird und ihr dabei hilft zu überleben. Sie schneidet sich die Haare ab, färbt sie rot und trägt färbige Kontaktlinsen. Aus Marilé wird Mary...

"Das alles hat nicht einmal eine Minute gedauert. Und trotzdem braucht man viele Wörter, um solch eine Minute zu erzählen, oder auch nur eine Sekunde, einen Moment, einen winzigen, kaum messbaren Bruchteil der Zeit."

Der Leser erlebt die wenigen Minuten, die Marilés Leben von einem Augenblick auf den anderen für immer verändern, in wiederkehrenden Abständen, in einer Art Endlosschleife. Dabei wird der Text immer länger und offenbart Stück für Stück, wie es zum Unglück kam und wie Maria diese endlosen Minuten empfand. Dieses außergwöhnliche Stilmittel wird als eine Art "Einschub" zwischen den Rückblenden und der gegenwärtigen Geschichte eingebunden. Dies wirkt sehr eindringlich und geht langsam, aber zielsicher mitten ins Herz.

Schreibstil:
Die Autorin hat einen klaren und präzisen Schreibstil. Mit wenigen Worten vermag sie die Gefühle und Gedanken der Protagonistin wiederzugeben.
Der Roman ist in der Ich-Form verfasst und in drei Teile gegliedert. Der erste Teil heißt "Logbuch mit Unterbrechungen: Zurückkommen" und erzählt aus der Gegenwart, Teil zwei nennt sich "Die Freundlichkeit von Fremden" und hier erzählt Piñeiro größtenteils aus der Vergangenheit. Dieser Abschnitt ist sehr emotional und der Beste des Buches. Das letzte Drittel "Boston" erzählt von der Rückkehr in die Staaten, der als eine Art Abschluss gedacht ist.
Claudia Piñeiro wechselt dabei regelmäßig zwischen den Zeiten und verschiedenen Schreibstilen hin und her.


Fazit:
Ein ergreifender Roman über Schuld und Vergebung und wie ein einziger Augenblick ein Leben zerstören kann. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt und definitiv im Gedächtnis bleibt!

Veröffentlicht am 15.11.2017

Berührender Roman über eine verhängnisvolle Lüge

Wie der Wind und das Meer
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Sehr gespannt war ich auf Lilli Becks zweiten Roman, der nicht aus der heiteren Ecke kommt. Nachdem mir "Glück und Glas", das vor zwei Jahren erschienen ist, sehr gut gefallen hat, freute ich mich auf ...

Sehr gespannt war ich auf Lilli Becks zweiten Roman, der nicht aus der heiteren Ecke kommt. Nachdem mir "Glück und Glas", das vor zwei Jahren erschienen ist, sehr gut gefallen hat, freute ich mich auf "Wie der Wind und das Meer" der Autorin.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen und beginnt im letzten Kriegsjahr, 1945. Man steigt mitten in das Kriegsgeschehen ein und harrt mit den Münchner Einwohnern in den Luftschutzkellern aus. Hier sind auch der elfjährige Paul, seine Stiefmutter und seine Stiefschwester Rosalie, sowie Onkel Fritz und Tante Tilli untergekommen. Sie sind Flüchtlinge aus Pommern, die in München bei den Verwandten ein neues Zuhause gefunden haben. Doch diesmal trifft eine Bombe das Haus und der kleine Paul bleibt als einziger Überlebender zurück. Hungrig und zitternd irrt er mit seinem Lederkoffer, der die Besitzurkunde des Gutes in Pommern, sowie Fotos beinhaltet, durch das zerbombte München. Hinter einem Trümmerhaufen findet er ein kleines Mädchen. Sie heißt Sarah Silbermann, ist Jüdin und hat ebenfalls ihre Familie verloren. Die Kinder beschließen zusammenzubleiben und Paul überredet Sarah sich fortan Rosalie zu nennen und sich als seine Schwester auszugeben. So können sie zusammenbleiben und Sarah muss auch nicht weiter Angst vor den Nazis haben. Eine Jungenbande gewährt ihnen Unterschlupf bis sie bei der Blumen-Oma ein neues Zuhause finden. Die Marktfrau Agathe gibt sie als ihre Großnichte und -neffen aus, doch die Mühlen der Bürokratie mahlen auch am Ende des Krieges zielsicher und Paul und Rosalie/Sarah wandern ins Waisenhaus. Ihr gemeinsamer Wahlspruch

"Wir gehören zusammen wie der Wind und das Meer. Zusammen sind wir stark, zusammen kann uns nichts geschehen.“ - Seite 28

wird auf eine harte Probe gestellt.
Als sie als Teenager plötzlich beginnen mehr füreinander zu empfinden, macht ihnen der Pakt von einst, sich als Geschwister auszugeben, einen Strich durch die Rechnung. Mit der Wahrheit können sie nicht mehr herausrücken, ohne Agathe und ihre neuen Adoptiveltern zu gefährden.

Der Roman umspannt ganze 45 Jahre, spielt in München und Berlin und erzählt abwechselnd aus der Sicht von Paul und Rosalie.
Der erste Abschnitt bis zum Jahr 1952 ist eine emotionale Achterbahnfahrt, die von der Autorin grandios erzählt wurde. Diese sehr eindringliche Passage erzählt von den Tagen als Trümmerkinder, den Hunger und die folgende liebevolle Aufnahme bei der Blumen-Oma. Die Willkür der Bürokratie die beiden Kinder der fürsorglichen Liebe von Agathe zu entreißen und sie in ein katholisches Waisenhaus zu stecken, wo Zucht und Ordnung herrscht, hat mich emotional sehr mitgenommen.
Den Mittelteil, der Paul und Rosalie ihre Gefühle füreinander entdecken lässt, empfand ich nicht ganz so stark. Hier wird viel auf die Empfindungen der Beiden eingegangen und wie sie damit umgehen. Während Paul sich bei seiner neuen Familie und der Verantwortung am Gemüsemarkt wohl fühlt und seine Zukunft darin sieht, träumt Rosalie noch immer davon ihre Leben ähnlich dem ihrer Mutter zu gestalten. Als sie beim Münchner Radiosender für ein Hörspiel vorspricht und genommen wird, sieht sie sich ihren Träumen näher. Hier fehlte mir allerdings etwas Atmosphäre. Die Dialoge und Liebesschwüre empfand ich manchmal etwas aufgesetzt. Man spürte die tiefe Verbundenheit der Beiden, aber trotzdem fehlte mir das gewisse Etwas.

Die Auswirkungen der verboten Liebe sind das Hauptthema des Romans. Diese sind der rote Faden der Geschichte. Dabei hat Lilli Beck auch die politische Zeitgeschichte gut eingefangen. Angefangen von den Hungerjahren bis zum Wiederaufbau, dem dauffolgenden Wirtschaftsaufschwung, der Bau der Mauer, der Kalte Krieg, Studentenbewegungen und Hausbesetzungen.

Die dramatischen Ereignisse im letzten Teil des Buches haben wiederum meine volle Aufmerksamkeit bekommen und haben mich am Ende ziemlich fassungslos zurückgelassen.

Charaktere:
Die Charaktere sind lebendig und mitten aus dem Leben gegriffen. Besonders ins Herz geschlossen habe ich Agathe, die Blumen-Oma, die sich den beiden Kindern annimmt und bis zu ihrem Lebensende ihre Ersatzoma bleiben wird. Sie ist auch die Einzige, die das Geheimnis um Sarah/Rosalie kennt. Gut gefallen haben mir auch "die Überkandidelten" im Haus von Rosalie in Berlin.
Die beiden Hauptprotagonisten fand ich als Kinder überzeugender, als im erwachsenen Alter. Nicht alle ihre Handlungen konnte ich nachvollziehen, besonders der ältere Paul wurde mir fremd. Trotzdem entwicklen sich beide Charaktere stark weiter und dennoch bleibt ihre Liebe für alle Ewigkeit bestehen.....wie der Wind und das Meer....

Schreibstil:
Lilli Beck schreibt wunderbar bildhaft, flüssig und lebendig. Ich war mit Paul und Rosalie am Gemüsemarkt, durchlebte mit ihnen die Ängste im Waisenhaus und fand die Bewohner der verrückten WG in Berlin herzerfrischend.
Die Geschichte ist in fünf Teile und Zeitabschnitte unterteilt und umspannt die Jahre 1945 bis 1990. Die Kapitel sind eher kurz gehalten bzw. haben eine angenehme Länge. Die Autorin erzählt abwechselnd aus Sicht von Pauls und Rosalie/Sarah.

Fazit:
Ein berührender Roman, der neben der Handlung rund um Paul und Rosalie auch deutsche Zeitgeschichte eingefangen hat. Eine dramatische Zeitreise, die im letzten Kriegsjahr des Zweiten Weltkrieges beginnt und kurz vor dem Mauerfall endet. Bewegend und ergreifend.