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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.12.2017

Biblisch

Totengrab
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Zum Inhalt:
Zehn Jahre, nachdem der Polizist Solomon seinen Sohn auf dem Jahrmarkt verloren hat, wird er zu einer männlichen Leiche gerufen: Aus einem Hochhaus gefallen, etwa im Alter seines vermissten ...

Zum Inhalt:
Zehn Jahre, nachdem der Polizist Solomon seinen Sohn auf dem Jahrmarkt verloren hat, wird er zu einer männlichen Leiche gerufen: Aus einem Hochhaus gefallen, etwa im Alter seines vermissten Sohnes und mit einem Handy, in dem die Nummer Solomons gespeichert ist.

Mein Eindruck:
Der Held trägt nicht umsonst einen biblisch anmutenden Namen. Fasst wie auf Hiob prasselt das Schicksal auf ihn ein - und das nicht nur in der Vergangenheit, auch die Gegenwart hält Einiges an Stress für ihn bereit. Zusätzlich wird er in seiner katholischen Umgebung mit nicht unbedingt wohlwollenden Kollegen, sehr gläubigen Bekannten und einem Priester mit Seelenqualen konfrontiert. Trotz der interessanten Eingangsthematik wendet sich der Leser irgendwann mit Grauen von der trostlosen Suppe ab und das auch deshalb, weil Toms Verschwinden bald nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Zwar wird die Thematik von Kindesmissbrauch angeschnitten, - verfolgt wird dieser Ansatz jedoch nur am Rande. Außerdem wird nicht klar, warum eigentlich jede Figur versucht, Solomon für sein Unglück nicht nur verantwortlich zu machen, sondern ihn noch zusätzlich damit zu quälen. Das führt zu dem ja immer wieder gerne genommenen Problem des Alkoholmissbrauchs und dementsprechenden negativen Ausfällen Solomons, - und das habe ich inzwischen dermaßen satt, dass alleine dieser Punkt schon zu Abzug in der B-Note führt.
Bei der Bewertung dieser Geschichte ist man hin- und hergerissen. Das vordergründige Thema ist wichtig, man möchte Solomon bedauern und in seinem Kampf unterstützen und deshalb das Buch gut finden. Aber dann kommt der Punkt, an dem die Schere zwischen angeblicher Thematik – von Klappentext und Cover suggeriert – und tatsächlicher Geschichte so weit auseinanderklafft, dass die Kluft nicht mehr zu ignorieren ist.
Ich habe letztendlich den Eindruck gewonnen, dass der Autor eine Serie anstrebt und deshalb viel zu viel im Unklaren lässt. Das mag bei anderen Lesern verfangen, mich verärgert es mehr.

Fazit:
Ein zu offenes Ende

2 Sterne

Veröffentlicht am 24.11.2017

Roman, kein Krimi

Der Fall Kallmann
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Zum Inhalt:
Kallmann ist tot - der Lehrer einer schwedischen Kleinstadt starb bei einem Sturz in einem unbewohnten Haus. Sein Nachfolger findet die Tagebücher Kallmanns, arbeitet sich mit zwei weiteren ...

Zum Inhalt:
Kallmann ist tot - der Lehrer einer schwedischen Kleinstadt starb bei einem Sturz in einem unbewohnten Haus. Sein Nachfolger findet die Tagebücher Kallmanns, arbeitet sich mit zwei weiteren Kollegen an den verschwurbelten Texten ab und versucht, das Rätsel um die Umstände dieses Todes zu lösen.

Mein Eindruck:
Ja, es steht Roman auf dem Titel und ja, warum sollte ein Schriftsteller, der sich normalerweise mit Krimis befasst, nicht einfach einmal in einem anderen Revier wildern? Trotzdem ergeben Autor und Klappentext eine gewisse Erwartungshaltung, die die Geschichte nicht erfüllt.

Im Original heißt das Buch „Kallmanns Augen“ und – dazu passend - aus der Sicht einiger Personen (immer gut in der Kapitelüberschrift zu lesen) schildert Nesser Begebenheiten, die mehr oder weniger mit Kallmanns Tod zu tun haben; zusätzlich gibt es Zeitsprünge und Einschübe durch Texte des Tagebuchs. Ein Aufbau, der für Dramatik und Unruhe sorgen und zum Weiterlesen verlocken könnte, wenn die Charaktere zu fesseln vermögen würden. Leider sind es zu viele Personen, um sich wirklich verbunden zu fühlen und dieses Personal ist zusätzlich mit so vielen anderen Problemen belastet, dass Kallmanns geschlossene Augen zur Nebensache werden. Ausschließlich kaputte Ehen und Familienprobleme, Krankheit, Tod und last but not least rechtsradikale Vollidioten, die anscheinend momentan in einem Buch dringend Erwähnung finden müssen, da es sonst kein gutes ist. Dieser Nebenstrang war nicht nur völlig unerheblich für die Story, sondern zeigte auch noch ein sprachliches Problem auf: Niemand sagte in den 80er Jahren politisch korrekt "Migrationshintergrund", das ist eine Vokabel heutiger Zeit.
Und so quält man sich durch endlose Seiten mit Kleinstadtmief und traurigen Gestalten, um endlich Gewissheit über ein paar Tote zu erhalten (der Mord, das Opfer und der Täter, den Kallmann an seinen Augen erkannte, waren sehr einfach zu erraten) und dann wird relativ lapidar ein Tod nach dem anderen der verantwortlichen Person zugeschrieben.
Die zwei Sterne vergebe ich für den Stil Nessers, welcher der Geschichte letztendlich eine gewisse Güte abringt.

Mein Fazit:
Langeweile pur

Veröffentlicht am 21.08.2017

Nicht mein Fall

Und draußen stirbt ein Vogel
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Zum Inhalt:
Rina ist eine gefeierte Schriftstellerin - zu Unrecht, wie ihr Stalker Manuel findet. Denn eigentlich sind es seine Gedanken, die sie zu Papier bringt und so macht sich Manuel in die malerische ...

Zum Inhalt:
Rina ist eine gefeierte Schriftstellerin - zu Unrecht, wie ihr Stalker Manuel findet. Denn eigentlich sind es seine Gedanken, die sie zu Papier bringt und so macht sich Manuel in die malerische Toskana auf - um Rina zu stoppen und seine Schreibblockade zu überwinden. Koste es, was es wolle.

Mein Eindruck:
Frau Thiesler ist eine gefeierte Schriftstellerin – wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht, wie die Bestsellerlisten finden. Und es sind bestimmt ihre Gedanken, die sie zu Papier bringt – möglicherweise in der Toskana oder an einer sonst sehr hübschen Stelle – richtig gepackt hat mich dieser Krimi jedoch nicht.

Vielleicht ist die Erwartungshaltung schuld, die durch die ganzen Lobeshymnen geweckt wurde, aber nach dem Buch bin ich tatsächlich ein bisschen sprachlos vor Enttäuschung. Viel zu viele Figuren, dann auch noch Gegenwart und Zukunft, an keiner Stelle geht das Buch in die Tiefe. Eine Unterteilung in drei Kapitel (warum?) mit Überschriften, die auch nach längerer Überlegung nicht sinnig erscheinen. Jede Menge große und kleine Delikte bis hin zu einem Mord – aber keine Sonderkommission wird gebildet, ganz im Gegenteil, die Polizei in der Toskana schläft in großen Teilen selig vor sich hin, weil sie glaubt, einen möglichen Verdächtigen zu kennen. Da wird nicht hektisch gehandelt, da ist Siesta angesagt.
Und dieses seltsame Verhalten ist fast bei jeder Figur zu sehen: Eine Mutter, die befürchtet, dass ihr Hund vom Untermieter getötet wurde – geht sie zur Polizei, als ihr Kind verschwindet oder lässt den dubiosen Untermieter durchleuchten? Aber nein, das könnte doch tatsächlich zielführend sein, da mache ich doch lieber etwas Dummes – schließlich handelt es sich um einen Thriller.
Dazu jede Menge sonstiges Drama: Untreue, (zum Teil tödliche) Unfälle, Fahrerflucht, Roma, Einbrüche, Alkoholismus, Kindesmissbrauch, Altenheime – man hat das Gefühl, alles muss irgendwie angeschnitten werden.
Bei diesem Buch fühlte ich mich wie im Kino in einem schlechten Horrorfilm, in dem man der hübschen Maid zurufen möchte „nein, geh nicht in den Keller, wenn es dort rumpelt – du weißt doch, dass schon drei andere Mädchen erwürgt wurden“.

Leider gab es aber kein Eis in der Pause

Mein Fazit:
Das Beste war das Ende – und das meine ich nicht nur doppeldeutig

Veröffentlicht am 18.08.2017

Unglaubwürdig

Runaway
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Zum Inhalt:
18 Jahre lang sitzt Frederick Hagel in der geschlossenen Psychiatrie, weil er seine Frau Linda erschlagen haben soll. Während einer Live-Übertragung sieht er sie jedoch unter den Zuschauern, ...

Zum Inhalt:
18 Jahre lang sitzt Frederick Hagel in der geschlossenen Psychiatrie, weil er seine Frau Linda erschlagen haben soll. Während einer Live-Übertragung sieht er sie jedoch unter den Zuschauern, bricht aus und versucht, Linda und die sonstigen an seiner Situation beteiligten Personen zur Rechenschaft zu ziehen.

Mein Eindruck:
Die Grundidee – ein Unschuldiger bricht nach Jahren aus und rächt sich – hätte spannend sein können. Leider wird viel an Möglichkeit verschenkt. Da ist zuerst einmal der fast vollständige Verzicht auf wörtliche Rede. Hierdurch wird eine große Distanz zwischen Leser und Figuren aufgebaut, die einem Mitfühlen eher abträglich ist. Das größte Manko zeigt sich für mich jedoch in den Handlungen und Fähigkeiten des Protagonisten (Vorsicht, Spoiler, wenn auch ungefährlich):
18 Jahre in zum Teil totaler Abgeschiedenheit gelebt kennt er sich besser mit den Möglichkeiten des Internets (und des Darknets) aus, als viele Menschen, die tagtäglich mit Computern arbeiten. Das wäre noch bis zu einem gewissen Grade verständlich, wenn er ein Cyberkrimineller gewesen wäre und damit eine Affinität zu diesem Thema gehabt hätte, aber Frederick Hagel arbeitete als Lehrer für englische Literatur.
18 Jahre nur eine Stunde Rundgang, mit Medikamenten ruhiggestellt und inzwischen immerhin etwa 50 Jahre alt, rennt er wie ein junges Reh mehrere Kilometer und findet immer wieder rein zufällig die Möglichkeiten, sich Fahrzeuge anzueignen, in denen die Halter – oh weiteres Wunder – auch noch Geld zurücklassen (also in meinem Auto war noch nie mehr als eine Münze für den Einkaufswagen).
Spoilerende
Auch die restlichen Figuren können nicht wirklich überzeugen, da sie komplett auf den Faktor „Geldgier“ eingedampft werden. Diese eindimensionale Sicht der Dinge, nur noch übertroffen von der Langeweile, die einen bei wechselnden Kilometerangaben erfasst (wen zur Hölle interessiert es, wie viele Kilometer von da noch dort gefahren und wie viele Bundesstaaten dabei mit dem Auto durchquert wurden?), verhindert übergroße Lesefreude. Das Ende bietet jedoch eine pikante Note und rettet den zweiten Stern in der Bewertung.

Mein Fazit:
Leider verschenkt

Veröffentlicht am 18.08.2017

Gepflegte Langeweile

Swing Time
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Zum Inhalt:
Eine nicht namentlich bekannte Ich-Erzählerin erzählt aus ihrem Leben als Mischlingskind in London und - als Begleiterin eines Stars - in der ganzen Welt, jedoch vornehmlich in New York und ...

Zum Inhalt:
Eine nicht namentlich bekannte Ich-Erzählerin erzählt aus ihrem Leben als Mischlingskind in London und - als Begleiterin eines Stars - in der ganzen Welt, jedoch vornehmlich in New York und Afrika.

Mein Eindruck:
Schon lange habe ich mich nicht mehr so durch ein Buch gequält. Bestsellerliste hin oder gefeierte Schriftstellerin her – in diesem Buch passiert so gut wie gar nichts wirklich, es wird nur darüber geredet, dass etwas passiert. Suggeriert der Klappentext noch, dass es um die Lebensgeschichten zweier Mischlingsmädchen geht, von denen eine Talent zum Tanzen hat, die andere ein unerschöpflicher Quell an Ideen ist, produzieren beide letzten Endes nur eins: Heiße Luft im Übermaß. Eine „Idee“ habe ich nicht an einer Stelle gefunden, auch tiefere Gefühle gibt es nicht, - weder für die Mutter, noch für den Vater, auch nicht für die Freundin und die Männer sind alle nur Fußnoten. Und auch sonst liest man und wartet darauf, dass etwas Mitreißendes passiert, aber irgendwie plätschert das ganze Buch einfach nur so vor sich hin. Die Autorin (oder die Übersetzung) schafft es nicht an auch nur einer Stelle, einen wirklich zu packen, in das Geschehen zu zerren, dieses Geschehen plastisch werden zu lassen. Die Protagonistin führt ein sehr luxuriöses Leben (Privatjet, selbst nach der Ungnade schicke Wohnung), aber genauere Beschreibungen fehlen. Dazu gibt es viele wirklich unglaubhafte Aspekte an der Story der Erzählerin: Einerseits behauptet sie, den Eingangstest für eine exquisite Schule machen zu dürfen, später studiert zu sein (wobei während des gesamten Buches nicht klar wird, in was sie ihren Abschluss gemacht hat), andererseits machen ihr sogar kleine Mädchen etwas im Rechnen vor. Das mag ja heutzutage funktionieren, wo öfter einmal durch die Welt wabert, dass jeder das Abitur hinterhergeworfen bekommt, in den 80er Jahren war das definitiv nicht so.
Ich bin von diesem ganzen langweiligen Mist absolut enttäuscht und ich frage mich, ob der Verlag für die positiven Kritiken bezahlt hat oder nur kein kleines Mädchen da war, das angesichts des Kaisers nicht vorhandener Kleider sagte „Aber er hat doch gar keine an!“

Mein Fazit:
Möglicherweise kann die Autorin schreiben, mit diesem Buch hat sie es mir nicht bewiesen