Ungleichgewicht der Autorinnen
Never NeverDa ich Colleen Hoover, als einer meiner Lieblingsautorinnen der letzten Jahren, auch fleißig über soziale Medien folge, habe ich gemeinsames Projekt mit Tarryn Fisher hautnah mitbekommen und mich nun gefreut, ...
Da ich Colleen Hoover, als einer meiner Lieblingsautorinnen der letzten Jahren, auch fleißig über soziale Medien folge, habe ich gemeinsames Projekt mit Tarryn Fisher hautnah mitbekommen und mich nun gefreut, dass die drei Teile gesammelt in einem Einzelband den deutschen Buchmarkt erobern können. Zwar war mir die Freundschaft der beiden Autorinnen bekannt, aber Tarryn Fisher kannte ich als Autorin noch gar nicht und somit ist ihre Zusammenarbeit mit Hoover nun meine erste Begegnung mit ihr als Erzählerin. Nach Beendigung des Romans habe ich noch einmal recherchiert, dass Fisher die Charlie-Passagen und Hoover die Silas-Passagen geschrieben hat. Dies war mir nochmal wichtig in Erfahrung zu bringen, da es meine Bewertung von „Never Never“ in großem Maße beeinflusst.
Die Grundidee des Romans fand ich großartig und finde sie auch nach Beendigung des Romans noch großartig. Durch den gemeinsamen Gedächtnisverlust erhält die Geschichte nicht etwa Sci-Fi-Elemente und das Mysterium des Gedächtnisverlusts wird auch nie 100% aufgedeckt, aber die Botschaft dahinter ist wunderschön und deswegen ist diese Grundidee einfach im Gesamten ziemlich perfekt.
Was dann gar nicht mehr so perfekt ist, sind die unterschiedlichen Erzählperspektiven. Wir erleben die Geschichte durch Silas‘ und durch Charlies Augen. Schon oben habe ich erwähnt, welche Autorin für welche Perspektive verantwortlich ist und der Unterschied zwischen diesen ist überdeutlich. In Silas habe ich einwandfrei Colleen Hoover entdecken können, da er dieses charmante, hilfsbereite, aber auch freche Naturell hat, was ihren männlichen Protagonisten meist zu eigen ist. Silas hat sich mir sogleich ins Herz geschlichen, da er eben die Handlung im besonderen Maße trägt und in seiner Denkweise Seiten in mir berührt, so dass ich ihn nur ganz doll lieb haben konnte. Für Charlie gilt eigentlich das umgekehrte. Durch die sozialen Medien habe ich bereits mitbekommen, dass Fisher einen sehr trockenen, teilweise auch makabren Humor hat und diese negative Aura, die beides immer umgibt, überträgt sich 1:1 auf die Protagonistin. Auch zu Hoovers weiblichen Figuren finde ich nicht immer einen hervorragenden Zugang, aber Charlie war doch schon sehr anstrengend und vor allem im Gegensatz zu Silas wirkte sie dann sehr blass und überflüssig, so dass ich mir immer die Frage stellte: was sieht er eigentlich in ihr?
Aber nicht nur die Figuren waren durch die unterschiedlichen Autorinnen geprägt, auch der Handlungsverlauf war zwangsweise durch die unterschiedlichen Stile betroffen. Gerade im mittleren Teil der Geschichte ist die Handlung um Charlie total abstrus, zu düster und nach Beendigung des Romans auch total unlogisch und überflüssig. Nur gut, dass es Silas gab, denn er konnte über diese Passagen hinweghelfen. Der letzte Teil wiederum ist in sich wunderschön gemacht. Da passt sich schließlich auch Charlies Perspektive an, ob Hoover da vielleicht Einfluss genommen hat, wird vermutlich für immer offen bleiben, aber da ist dieses Ungleichgewicht nicht mehr so zu spüren, so dass ich beseelt aus dem Buch gehen konnte.
Fazit: Vermutlich wird diese Kollaboration zwischen Hoover und Fisher meine letzte Begegnung mit Letzterer gewesen sein. Denn ihr Stil war sehr deutlich in „Never Never“ zu erkennen und hat mir nicht gefallen. Vor allem den Mittelteil hat sie zu einem zähen Vergnügen werden lassen. Hoover aber spielt wieder ganz klar ihre Stärken aus, denn die Grundidee stammt auch von ihr. Im letzten Teil pendelt sich die Geschichte wieder ein und findet einen tollen Abschluss. Daher ziehe ich das Fazit, dass die Lektüre durchaus empfehlenswert ist, sie aber Fisher als Co-Autorin nicht gebraucht hätte.