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Veröffentlicht am 21.08.2018

Die Schattenseiten des Erfolgs (Maierhofen-Serie Band 4)

Spätsommerliebe
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Das Buch „Spätsommerliebe“ von Petra Durst-Benning ist der vierte und vorläufig letzte Band der „Maierhofen-Serie“. Als Leser der Reihe traf ich wieder auf die inzwischen lieb gewonnenen bekannten Einwohner ...

Das Buch „Spätsommerliebe“ von Petra Durst-Benning ist der vierte und vorläufig letzte Band der „Maierhofen-Serie“. Als Leser der Reihe traf ich wieder auf die inzwischen lieb gewonnenen bekannten Einwohner des Genießerdorfes. Doch die Kenntnis der ersten drei Bände ist für das Verständnis nicht notwendig. Der Prolog spielt unmittelbar im Anschluss an den dritten Teil, aber die Haupthandlung setzt etwa ein Jahr nach diesen Geschehnissen ein. In Bezug auf die Liebe kann der Spätsommer im übertragenen Sinne als eine Zeit angesehen werden, in der sich offenbart, ob eine Beziehung Bestand hat. Die Liebe ist gereift und nur wer die Partnerschaft gepflegt hat, kann die Frucht ernten und sich auf weiteren Ertrag freuen.

In einem alten Sprichwort heißt es „Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne“, so ist es leider und realistisch auch in Maierhofen. Das Engagement jedes Einzelnen ist verantwortlich für den Erfolg des Dorfs. Um jedoch weiterhin daran anzuknüpfen, darf die Arbeit nicht ruhen. Einige Bewohner blühen in ihrer Aufgabe auf, andere bürden sich allerdings zu viel zu, darunter leidet auch die frisch erwachte Liebe.

Doch Petra Durst-Benning zeigt in „Spätsommerliebe“ nicht nur mögliche Auswirkungen erfolgreichen Handelns auf, sondern bringt mit einem besonderen Gast auch ein neues Gesicht in den Ort. Michelle ist Autorin und gestresst von ihrem Job in einer Eisdiele und ihrer Beziehung. Sie nimmt sich eine Auszeit um ihren Traum, einen Roman zu schreiben, zu verwirklichen. Auf Empfehlung einer Freundin hin sucht sie daher Unterkunft in Maierhofen.

Die Autorin verschweigt weder die Schattenseiten des Erfolgs noch die Krisen, die sich in einer Beziehung einstellen können. Ihre Charaktere haben Ecken und Kanten. Sie handeln mal überlegt, mal spontan ohne an die Folgen zu denken. Sie sind verliebt, engagiert, herzlich, aber auch mal wütend und traurig. Gerade weil Maierhofen ein kleines Dorf ist, erhält die Geschichte Schwung durch neue Figuren und durch einige Wendungen ergeben sich für die Bewohner vor Ort unerwartete Ereignisse. Im Stil eines allwisssenden Erzählers blickt Petra Durst-Benning in die Köpfe ihrer Charaktere und lässt den Leser am Denkprozess teilnehmen. Auf diese Weise hatte ich Verständnis für beide Seiten im Konfliktfall, genauso wie ich am Glück teilnehmen durfte oder von persönlichen Krisen bewegt war. Anhand der Mehrschichtigkeit der Figuren zeigt die Autorin auf, dass Meinungen verschieden sein können.

Wie in jedem Roman der Maierhofen-Serie sind auch in diesem wieder Rezepte enthalten. Neben Anleitungen zu heimischen sommerlichen Gerichten finden sich vor allem solche, an der griechischen Küche orientierte, was zum Inhalt des Buchs hervorragend passt ohne dass ich darüber zu viel verraten möchte. Auch der vierte und wohl vorläufig letzte Band der Reihe hat mich sehr gut unterhalten und daher empfehle ich ihn gerne weiter.

Veröffentlicht am 10.08.2018

Ein neues Kochevent für Maierhofen

Die Blütensammlerin
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„Die Blütensammlerin“ von Petra Durst-Benning ist der dritte Band ihrer Serie von Büchern, die in Maierhofen im Allgäu spielt, das sich inzwischen durch einige entsprechende Events zu einem über die Ortgrenzen ...

„Die Blütensammlerin“ von Petra Durst-Benning ist der dritte Band ihrer Serie von Büchern, die in Maierhofen im Allgäu spielt, das sich inzwischen durch einige entsprechende Events zu einem über die Ortgrenzen hinweg bekannten Genießerdorf entwickelt hat. Maierhofen und seine Bewohner sind zwar nur fiktiv, aber sie nahmen mich als Leser doch schon nach wenigen Seiten wieder in ihrer Mitte auf. Die ersten Teile der Serie muss man für das Verständnis des Inhalts nicht gelesen haben, weil die Autorin an entsprechenden Stellen eine kurze Erklärung zu vergangenen Ereignissen gibt. Jedoch kann man in diesen ersten Büchern bereits die meisten Charaktere kennenlernen und ihre Entwicklung und die des Dorfes auf diese Weise besser verfolgen. Das Buchcover wirkt bereits durch seine Aufmachung frisch und aufheiternd, genauso wie sich die Natur im Frühling zeigt.

Für Christine, die diesmal im Mittelpunkt der Geschichte steht, beginnt das neue Jahr mit schlechten Nachrichten. Ihr Mann, von dem sie getrennt lebt, möchte das gemeinsame Haus verkaufen, in dem sie immer noch wohnt. Um das Haus zu behalten und ihm seinen Anteil auszuzahlen, müsste sie eine lukrative Arbeitsstelle finden oder einen Darlehensgeber. Beides gestaltet sich als großes Problem. Eine bekannte Zeitschrift schreibt derweil seinen jährlichen Kochwettbewerb aus, diesmal in Maierhofen, zu dem viele Gäste erwartet. Christine kommt dadurch auf die Idee, ein Bed & Breakfast in ihrem Haus einzurichten. Ihre Überlegungen darüber, einen neuen Freund und Partner zu finden bringen sie außerdem zu dem Einfall, mit einem eigenen Team anzutreten. Vergleichbar mit einem Blumenstrauß aus bunten Blüten möchte sie ein Team aus ganz unterschiedlichen Charakteren zusammenstellen, die als einzige Voraussetzungen mitbringen sollen, dass sie Freude am Kochen haben und Single sind.

Petra Durst-Benning hat es wieder geschafft trotz aller Sorgen ihrer Charaktere einen Wohlfühlroman zu schreiben. Auch wenn die Einrichtung von Christines eigenem Gewerbe recht schnell erfolgt, zeigt sie hier eine reale Verdienstmöglichkeit auf. Die Themen im Buch sind weit gefächert. Neben der Ausgestaltung der Zimmer und der Zusammenstellung eines Kochmenüs schildert die Autorin Wege, einen Partner zu finden. Ihre Figuren sind abwechslungsreich gestaltet. Konflikte im Umgang der Teammitglieder finden sich ausreichend, zu denen sie immer eine geschickte Lösung anbietet und einen respektvollen Umgang miteinander aufzeigt. Sie legt dar, dass man an den Chancen wachsen kann, die einem geboten werden wenn man sie nutzt. Das gestaltet das Lesen so angenehm. Obwohl die Autorin einige Klischees bedient, ist es ihr wieder gelungen ohne Kitsch einen Roman zu gestalten, dessen Geschichte sich so zutragen haben könnte und den ich gerne weiterempfehle. Wie in jedem der vorigen Bände auch sind im Buch „Die Blütensammlerin“ im hinteren Teil Rezepte enthalten. Diesmal sind es solche, die besonders im Frühjahr und Sommer schmecken. Gerne war ich wieder in Maierhofen zu Gast und freue mich schon auf die Fortsetzung der Reihe.

Veröffentlicht am 28.12.2017

Gekonnte Konstruktion des Thrillers

Woman in Cabin 10
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Bereits das Cover des Buchs „Woman in Cabin 10“ von Ruth Ware nahm mich mit in ein schauriges Setting. Der Blick durch ein Regenschlieren getrübtes Bullauge zeigt das aufgewühlte Meer. Verbunden mit dem ...

Bereits das Cover des Buchs „Woman in Cabin 10“ von Ruth Ware nahm mich mit in ein schauriges Setting. Der Blick durch ein Regenschlieren getrübtes Bullauge zeigt das aufgewühlte Meer. Verbunden mit dem Untertitel „Es ist ein Mörder auf dem Schiff. Aber niemand glaubt dir“ entstand noch vor dem Lesen für mich eine bedrückende, aber gleichzeitig knisternde Atmosphäre. Von Beginn an war ich gespannt, welche Rolle die Titelfigur einnehmen wird.

Die Journalistin Laura Blacklock, von ihren Freunden kurz Lo genannt, soll in einer Reportage über eine mehrtägige Fjord-Kreuzfahrt auf einem kleinen luxuriösen Schiff mit nur zehn Gästekabinen berichten. In den Tagen vor dem Beginn der Reise wird in ihrer Wohnung nachts eingebrochen. Sie stellt den Dieb und wird von ihm eingeschlossen. Das Ereignis lässt sie in Folge schlecht schlafen. In ihrer ersten Nacht auf dem Schiff wacht sie von einem lauten Platschen auf. Sie hastet auf die Veranda und sieht einen blutigen Streifen auf der Glasscheibe der Reling der Nachbarkabine. Dadurch ist sie überzeugt, dass jemand ermordet und über Bord geworfen wurde. Nachdem sie den Vorfall angezeigt hat, wird allerdings ihre Wahrnehmung in Frage gestellt, denn es wird niemand vermisst. Aber Lo ist sich sicher, dass es real war, was sie gesehen und gehört hat. Der Mörder befindet sich also weiter an Bord und jeder ist in Gefahr.

Bereits zu Beginn konstruiert Ruth Ware mit dem Einbruch in Los Wohnung einen wohl für jeden Leser nächtlichen Alptraum. Die Ich-Erzählerin Lo übermittelte mir ihre Angst und Nervosität in dieser Situation, so dass ich sehr gut nachempfinden konnte, wie sie sich fühlte, als sie die besonderen Geräusche in ihrer Kabine vernahm. Wieder war sie allein und auch ohne jemanden, dem sie ihre Vermutungen direkt anvertrauen konnte. Sie selbst weiß auch um diese irreale Lage, macht sich Vorwürfe und denkt darüber nach, wie sie solche Erlebnisse vermeiden kann. Gerne hätte ich Lo ihre Schilderungen ohne in Fragestellung abgenommen, aber Ruth Ware versieht den Charakter Lo mit einem Hang zum Alkohol und der regelmäßigen Einnahmen von Antidepressiva. Das weckt gewollt Misstrauen. Die Anzahl der Mitreisenden ist überschaubar, so dass sich miträtseln lässt, wer denn für einen Mord in Frage käme, wenn es denn einen Mord überhaupt gegeben hat.

Das Buch enthält mehrere Teile. Nach dem zweiten Teils steht ein kurzer Austausch unter Freunden von Lo, der einige Zeit nach dem vorher gehenden Cliffhanger abläuft und ich erfuhr, dass die Protagonistin vermisst wird. Solche Vorgriffe baut die Autorin mehrmals ein und steigert dadurch die Spannung nochmal, denn dadurch ließ sie mich glauben, dass Lo sich in Gefahr vor einem potentiellen Täter auf dem Schiff befindet.

„Woman in Cabin 10“ spielt mit unterschwellig vorhandenen Ängsten. Auch wenn die Suche nach Mordopfer und Täter sich etwas in die Länge zieht, so ist doch die Spannung von Beginn bis zum Ende sehr hoch und wird durch einige überraschende Wendungen und einem unerwarteten Schluss nochmal gesteigert. Die Konstruktion des Thrillers ist gekonnt und ließ mich mitfiebern. Gerne gebe ich dem Buch eine Empfehlung für Leser des Genres.

Veröffentlicht am 02.11.2017

Die Kraft der Worte

Ich treffe dich zwischen den Zeilen
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m Roman „Ich treffe dich zwischen den Zeilen“ von Stephanie Butland kommen sich die Protagonistin Loveday und der Illusionist Nathan durch ihre Vorträge beim Poetry-Slamen näher. Den Ausdruck ihrer Gefühle, ...

m Roman „Ich treffe dich zwischen den Zeilen“ von Stephanie Butland kommen sich die Protagonistin Loveday und der Illusionist Nathan durch ihre Vorträge beim Poetry-Slamen näher. Den Ausdruck ihrer Gefühle, den sie nur in dieser Form der Lyrik finden, lässt den jeweils anderen tiefer in ihre Seele blicken und bringt Verletzungen aus der Vergangenheit ans Tageslicht. Die Ausdrucksform gibt ihnen aber auch die Möglichkeit das auszusprechen, was sie sich im Alltagsleben nicht zu sagen trauen. Nicht nur auf dem Cover fliegen die Blätter eines Buchs wie fliegende Gedanken, sondern auch auf den Kapitelanfängen.

Loveday ist Mitte zwanzig und arbeitet seit zehn Jahren im Antiquariat Brodie in York/England, zunächst als Aushilfe, später als Vollzeitkraft. Eines Tages findet sie auf ihrem Weg zur Arbeit ein gebrauchtes Buch. In der Buchhandlung meldet sich auf ihren Aushang hin Nathan, der das Buch verloren hat. Er ist Leiter eines regelmäßig stattfindenden Poetry-Slams und lädt Loveday dazu ein. Obwohl sie zunächst ablehnt, gibt sie ihrer Neugierde schließlich nach, denn im Stillen hat auch sie bereits einige Gedichte geschrieben. Gemeinsam mit Loveday‘s Chef Archie gelingt es Nathan den Schutzschild, den sie um sich errichtet hat, einzureißen.

Als Leser merkte ich von Beginn an, dass Loveday eine zu tiefst verletzte Persönlichkeit ist und es dazu ein erklärendes Ereignis aus ihrer Kindheit geben muss. Sie liebt ihre Arbeit, lebt aber zurückgezogen und vertieft sich in die Geschichten der Bücher, die sie liest. Äußerlich fällt sie durch ihr Nasenpiercing und ihre Schrifttatoos auf.

Die Geschichte wird auf drei Zeitebenen von Loveday selbst erzählt. Neben der Gegenwart gibt es Abschnitte, die im Jahr 1999 spielen und mit „Krimi“ überschrieben sind. Dadurch lässt sich leicht ahnen, dass das hier zu Beginn geschilderte Familienleben von Loveday und ihren Eltern unsanft gestört werden wird. Weitere Teile des Buchs spielen in einer Vergangenheit, die erst drei Jahre zurück liegt. Darin schildert die Protagonistin ihre gescheiterte erste Liebesbeziehung. Loveday zeigt also nicht nur aufgrund der Erlebnisse in ihrer Kindheit ein abwehrendes Verhalten, sondern ebenfalls aufgrund des Ausgangs ihrer ersten Schritte in Richtung feste Beziehung. Sie hat ein tiefes Misstrauen zu ihrer Umwelt entwickelt.

Mit und mit erfuhr ich als Leser, wodurch ihr Verhalten erklärt werden kann. Stephanie Butland entwirft eine sehr berührende Erzählung, die aufzeigt, dass seelische Leiden in früher Kindheit nicht nur durch Fürsorge geheilt werden können. Loveday ist aufgrund fehlender anderer Gelegenheiten sehr mit sich selbst beschäftigt. Obwohl sie sich vieler ihrer Fehler bewusst ist, gelingt es ihr nicht, über ihren Schatten zu springen. Die Protagonistin ist aufgrund ihres argwöhnischen Verhaltens nicht unbedingt liebenswert, doch die Figuren des kauzigen, warmherzigen Antiquitätenhändlers Archie und der dandyhafte, selbstbewusste Nathan, gleichen das aus. Das uneingeschränkte Schuldeingeständnis der Mutter hat mich überrascht und hat sicher das Leben ihrer Tochter nachhaltig beeinflusst.

„Ich treffe dich zwischen den Zeilen“ ist ein einfühlsam geschriebener Roman, der die Kraft der Worte wiederspiegelt. Besonders hat es mich gefreut, dass die Autorin, die selbst an Poetry-Slams teilnimmt, einige Texte in ihren Roman einbindet. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Veröffentlicht am 04.10.2017

Unverbrauchtes Thema, angenehmer Schreibstil, realistische Darstellung

Das Haus der Granatäpfel
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„Das Haus der Granatäpfel“ steht auf der Insel Uzunade, die kurz vor der heutigen Stadt Izmir in der Türkei liegt. In dem gleichnamigen Buch von Lydia Conradi, die auch als Charlotte Roth bekannt ist, ...

„Das Haus der Granatäpfel“ steht auf der Insel Uzunade, die kurz vor der heutigen Stadt Izmir in der Türkei liegt. In dem gleichnamigen Buch von Lydia Conradi, die auch als Charlotte Roth bekannt ist, wurde das Haus nach den Bäumen benannt, die links und rechts vom Eingang wachsen. Es ist das Sommerhaus der Familie von Edmond Delacloce, deren Mitglieder sich als Levantiner fühlen, damit sind die Bewohner der Länder des Mittelmeerraums östlich von Italien gemeint. Der Roman führte mich einhundert Jahre in die Vergangenheit als Izmir noch lateinischer Schreibweise Smyrna hieß. Hier lebten Türken, Griechen, Armenier, Franzosen und Briten zunächst friedlich miteinander trotz der Zugehörigkeit zu verschiedenen Religionsgemeinschaften. Doch dem Kampf um Ländereien konnten sich die Stadtbewohner letztlich nicht gänzlich entziehen.

Klara Reinecke ist im Jahr 1910 noch 15 Jahre alt und Schülerin einer Schweizer Privatschule als sie in der Silvesternacht von ihrem Vater mit seinem Handelspartner Peter Delacloche aus Smyrna bekannt gemacht wird. Zwei Jahre später fährt sie nach Uzunade um Peter zu heiraten. Die Familie lebt vom Warenhandel. Die Frauen sind den Konventionen entsprechend für Haus und Familie zuständig, das Erlernen eines eigenen Berufs wird nicht gern gesehen. Von Peters Mutter und seinen Schwestern und seiner Familie wird Klara nicht als ebenbürtig angesehen, von ihren Eltern fühlt sie sich abgeschoben. Die intelligente und aufgeschlossene junge Frau langweilt sich. Sie beginnt Liebeleien mit diversen, auf der Insel anwesenden männlichen Verwandten bis sie schließlich den Arzt Sevan kennenlernt, der ihre Schwägerin im Krankenhaus behandelt hat. Für die beiden ist es Liebe auf den ersten Blick, obwohl Sevan mit seiner Jugendliebe verheiratet ist und ein Kind hat. Klara und Sevan müssen in den folgenden Jahren mit vielen Sorgen leben und manches Hindernis überwinden.

Auf der ersten Klappseite des Buchs sind Stammbäume aufgezeichnet, denn die Familie Delacloche ist verzweigt. Auf diese Weise konnte ich mit schnellem Blick während des Lesens feststellen, wer mit wem wie verwandt ist. Obwohl im Buch über viele Personen erzählt wird, sind Klara und Sevan die Protagonisten. Klara wird von ihren Eltern bereits im Hinblick auf eine spätere gute Partie hin erzogen. Durch die örtliche Entfernung haben Klara und Peter wenig Möglichkeit, sich näher kennen zu lernen. Klara kann sich das Leben in Smyrna nicht vorstellen, weil sie noch nie außerhalb von Deutschland beziehungsweise der Schweiz gewesen ist. Auch wie das Leben in einer großen Familie sich gestaltet, kann sie als Einzelkind nicht ahnen. Sie hat nicht darüber nachgedacht, dass sie tagsüber ohne ihren Ehemann sein wird, weil er tagsüber seinen Geschäften nachgeht und dazu die Insel verlässt. Vage blieb für mich, welche Tätigkeiten alle zu Peters Alltag gehörten.

Sevan ist Armenier, die in Smyrna eine Minderheit sind. Bereits als Kind wünscht er sich, später Arzt zu werden. Sein Wunsch erscheint zunächst aufgrund fehlender finanzieller Mittel als unrealistisch. Seine spätere Frau hat er schon als Junge bewundert. Doch ihre Liebe leidet unter der ablehnenden Haltung ihrer Familie. Gesellschaftspolitisch steht er deren Meinung entgegen. Sowohl für Klara als auch für Sevan stellt sich die Frage, ob es wirklich Liebe ist, was sie für den Ehepartner empfinden. Als sie einander begegnen, fühlen sie sich sofort zueinander hingezogen, meinem Empfinden nach etwas zu schnell.

Lydia Conradi hat ihre Figuren bis in die Nebenhandlungen hinein gut ausformuliert. Sie vermittelte mir gekonnt geschichtliches Hintergrundwissen das dazu notwendig war, die kriegerischen Auseinandersetzungen zu verstehen, in die die Bewohner von Smyrna im Laufe der Zeit hineingezogen wurden. Deutlich konnte man auch das Unbehagen der Frauen empfinden, die zu Hause auf ihre Liebsten zu warten hatten, groß waren die Verluste in allen Gesellschaftsschichten. Aber nicht nur in der weltpolitischen Lage herrschte der Kampf um Ländereien, sondern es gab Auseinandersetzungen in Smyrna um die Vorherrschaft der Nationalitäten und Religionsgemeinschaften. Auch begannen die Frauen sich gegen die ihnen zugeteilten Rollen als ausschließliche Hausfrau und Mutter aufzubegehren, während die Männer die Riten und Konventionen ihres jeweiligen Volkes in Frage stellten denen sie sich verpflichtet fühlt,en. Auf allen Ebenen zeichnete die Autorin für mich ein nachvollziehbares Bild der damaligen Ereignisse ohne dabei wertend zu sein. Anhand detaillierter Beschreibungen konnte ich mir ebenfalls die Örtlichkeiten sehr gut vorstellen.

Der Roman hat einen angenehm zu lesenden Schreibstil. Die Erzählung hat mich mitgenommen zu einer mir noch nicht bekannten Begebenheit der Weltgeschichte. Mit viel Einfühlungsvermögen vermittelte Lydia Conradi mir die Gefühle und Eindrücke ihrer Figuren, so dass ich ihr Handeln nachvollziehen konnte. Es entstand anhand ihrer Beschreibungen für mich ein umfassendes Bild der Stadt Smyrna und ihrer Bewohner von 1912 bis 1922. Ich empfehle dieses Buch gerne an alle die sich für historische Romane interessieren.