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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.12.2017

Eine Frau des 20. Jahrhunderts

Die Malerin
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Auch wenn sie bereits im 19. Jahrhundert geboren wurde und heranwuchs - alle signifikanten Ereignisse im Leben der Malerin Gabriele Münter fielen definitiv in das darauffolgende, das so tragische 20. Jahrhundert.

Tragisch ...

Auch wenn sie bereits im 19. Jahrhundert geboren wurde und heranwuchs - alle signifikanten Ereignisse im Leben der Malerin Gabriele Münter fielen definitiv in das darauffolgende, das so tragische 20. Jahrhundert.

Tragisch war auch das Leben der Künstlerin - nicht nur, aber auch, weil sie als Frau (noch) nicht die Rolle einnehmen konnte, die ihr Zustand. In den ersten Jahren ihres eigenen künstlerischen Schaffens stand sie klar im Schatten von Kandinskys, der ihr Lehrer und bald auch ihr Geliebter war - jahrelang hielt er sie hin, was die von ihr ersehnte Heirat anging, um dann zum Ende des Ersten Weltkrieges den Kontakt komplett abzubrechen. Erst Jahre später erfuhr Gabriele Münter, dass er damals bereits anderweitig verheiratet war.

Die folgenden, zunächst tragischen, dann zurückgezogenen Jahre der Gabriele Münter waren weniger spektakulär, doch ebenfalls interessant - und eben ein wichtiger Teil ihres Lebens.

Die Autorin Mary Basson fühlt sich aus meiner Sicht gut sowohl in das Leben der Künstlerin als auch in ihr Umfeld sowie in die gesamte Epoche (bzw. die Epochen), die den Rahmen bildet ein - im Gegensatz zu einigen anderen Bänden der "Künstlerreihe" aus dem Aufbau-Verlag wird hier den Künstlern ein Charakter verliehen, also Gewicht gegeben. Gabriele Münter, über die ich schon vorher einiges wusste, ist mir ein wenig näher gerückt - ich habe Lust darauf bekommen, mehr über sie zu recherchieren, ebenso über die Menschen um sie herum.

Kein sensationelles Buch, eher ein leiseres, in dem die Leidenschaft Münters in Bezug auf Kandinsky sehr herausgestellt wird - ob es wirklich so war? Da es ein Roman ist, in dem die Autorin alle Freiheiten hat und sie definitiv auch nutzt, kann sie es sich erlauben. Dafür ist die Lektüre auch spannender als die vieler Biographien und wird sicher auch Lesern Spaß machen, die vor einem Sachbuch zurückschrecken würden. Dennoch hätte ihm eine Zeittafel, ein Namensverzeichnis mit Erläuterungen zu den Personen aus meiner Sicht gut angestanden.

Veröffentlicht am 28.12.2017

Das Verschwinden junger Blondinen an der Küste Nordfrankreichs

Der Kommissar und die verschwundenen Frauen von Barneville
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sorgt nicht nur für Aufsehen, sondern ist noch mehr Anlass für größte Besorgnis. Denn nachdem im französischen Wattenmeer eine tote Studentin aufgefunden wird, offenbart sich rasch, dass es sich nicht ...

sorgt nicht nur für Aufsehen, sondern ist noch mehr Anlass für größte Besorgnis. Denn nachdem im französischen Wattenmeer eine tote Studentin aufgefunden wird, offenbart sich rasch, dass es sich nicht nur um ein einmaliges Ereignis handelt, sondern dass bereits in der Vergangenheit - und zwar in den letzten fünf Jahren - mehrere junge Frauen unwiderruflich verschwunden sind.

Als deutlich wird, dass ein paar "Cold Cases", also ungelöste Mordfälle, damit zusammenhängen, wird Kommissar Lagarde - ebenso kompetent wie charismatisch, aber bereits länger im Ruhestand - aus ebendiesem zurückgerufen, um die Sache in die Hand zu nehmen. Und schon bald zeichnen sich die ersten Linien ab...

Auch wenn dies mein ersten Krimi aus der Lagarde-Reihe ist, würde ich ihn als typisches Serienwerk bezeichnen und das meine ich keinesfalls abfällig! Denn hier kommen die großen Zusammenhänge, die Rahmengeschichte vor der Spannung. Der eigentliche Fall ist nämlich schon bald absehbar in seiner Lösung und allzugroße Überraschungen kommen auch nicht vor. Dafür hat Lagarde seinen großen Auftritt - wie es sicher bereits in den vorherigen Bänden der Fall war. Und die Normandie nicht zu vergessen, die beeindruckende Landschaft ist nämlich ein ebenso wichtiger Akteur. Die Charaktere werden nicht ganz so eindringlich beschrieben, wie ich es mir erhofft hatte, die Gegend wird allzuoft durch die Beschreibungen üppiger Mahlzeiten, die nicht nur der Kommissar offenbar pausenlos zu sich nimmt, dargestellt, aber dennoch hat das Buch mich gepackt und ich werde mir sicher auch die vorherigen Fälle - einige zumindest - zu Gemüte führen!

Veröffentlicht am 24.12.2017

Politikverdrossenheit

Leere Herzen
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Und mehr noch eine Verdrossenheit in Bezug auf soziales Denken - diese zeichnet die Gesellschaft der Zwanziger Jahre aus - nicht derer, die wir schon hatten, sondern derjenigen, die kommen werden und zwar ...

Und mehr noch eine Verdrossenheit in Bezug auf soziales Denken - diese zeichnet die Gesellschaft der Zwanziger Jahre aus - nicht derer, die wir schon hatten, sondern derjenigen, die kommen werden und zwar ziemlich bald. Es ist eine Vision der nahen Zukunft, die Juli Zeh hier zeichnet, eine Vision einer möglichen Nach-Merkel-Ära. Wir schreiben - ungefähr - das Jahr 2025, Frau Merkel ist schon seit einigen Jahren nicht mehr im Amt - abgelöst von der BBB, der Bewegung besorgter Bürger und an wen diese angelehnt ist, das kann man sich denken.

In dieser Gesellschaft nun lebt Britta mit ihrer Familie, ihrem Mann Richard und der kleinen Vera. Sie ist es, die das Geld nach Hause bringt, gutes Geld, das sie in einer psychotherapeutischen Gemeinschaftspraxis, die sie mit ihrem langjährigen Freund Babak teilt. Einer Praxis der ganz besonderen Art, die sich gewisse gesellschaftlich-politische Auswüchse, die sich bereits heute abzeichnen, zu Eigen gemacht hat.

Es ist kein Science-Fiction-Roman, den Juli Zeh hier vorlegt, nein, sie wagt einen Blick in eine nahe Zukunft, in der sich gewisse aktuelle Trends, wie eben zunehmende Politikverdrossenheit und abnehmender Sinn für soziale gesellschaftliche Belange der Art, die einen selbst nicht unmittelbar tangieren, verstärkt haben.

Die Geschichte, die sie darin entwickelt, ist gut angelegt, aber aus meiner Sicht nicht ganz schlüssig zu Ende gedacht. Zudem hatte ich ein wenig Schwierigkeiten mit dem Stil der eigentlich sehr eloquenten Autorin Zeh, die sich wieder und wieder in Aufzählungen diverser Art erging, die ein wenig den Eindruck von Lückenfüllern erweckten. Also ein durchaus lesenswertes Buch, das mich aber nicht vollkommen für sich einnehmen kann. Ich empfehle es dennoch weiter, an die, die sich Gedanken über unsere Gesellschaft machen, aber auch an die, die dabei sind, langsam, aber sicher die Lust daran zu verlieren.

Veröffentlicht am 21.12.2017

Eine Familie, die in Blut schwimmt

Die gute Tochter
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Karen Slaughter ist immer mal wieder für was Neues gut - es wird dem ein oder anderen hartgesottenen Thrillerfan schwer fallen, das vorliegende Buch, in dem es um die Tragödie(n) der Familie Ouinn geht, ...

Karen Slaughter ist immer mal wieder für was Neues gut - es wird dem ein oder anderen hartgesottenen Thrillerfan schwer fallen, das vorliegende Buch, in dem es um die Tragödie(n) der Familie Ouinn geht, in ebendieses Genre einzuordnen, aus meiner Sicht passt es aber wie die Faust aufs Auge!

Vater Rusty Quinn verteidigt als Anwalt diejenigen, die es aus Sicht vieler nicht verdienen, Verbrecher nämlich, darunter auch richtig schwere Jungs und steht daher in seinem Umfeld ständig unter Beschuss, was ihn persönlich jedoch nicht weiter stört. Bis zu dem Tag, an dem seine Familie daran zerbricht.

Aber dennoch macht er weiter und wird nach wie vor ständig angefeindet, nicht so sehr von den Opfern wie von den Verbrechern selbst, die aus unterschiedlichsten Gründen Rache an ihm nehmen wollen. Seine jüngere Tochter Charlie, die inzwischen selbst Anwältin, allerdings eher im Familienbereich ist, ist stets an seiner Seite.

An dem Tag jedoch, an dem es in der Schule knallt und die minderjährige Schülerin Kelly des Verbrechens beschuldigt wird, ist jedoch sie selbst Augenzeugin. Und - wie könnte es anders sein - übernimmt Vater Quinn mal wieder die Verteidigung. Und dann knallt es wieder und die Familie muss mehr denn je für einander einstehen, damit sie nicht wieder einmal wie schon vor vielen Jahren im eigenen Blut schwimmt und diesmal möglicherweise komplett weggeschwemmt wird.

Karin Slaughter ist nicht umsonst seit Jahren eine der ganz Großen der amerikanischen Thrillerlandschaft: sie schreibt wie keine Zweite, entwirft ein packendes Szenario, vielschichtige Charaktere, die der Leser quasi gleich vor Augen hat und sorgt für die ein oder andere Überraschung. Zudem hat sie stilistisch und sprachlich einiges drauf und kann dem ein oder anderen Kollegen, der sich als Autor der so genannten höherwertigen Literatur versteht, noch einiges vormachen.

Im Gegensatz zum Vorgänger der "Einzelfälle" Slaughters, Pretty Girls, gibt es aus meiner Sicht diesmal keine Längen, allerdings sind ein paar Charaktere - allen voran Rusty, aber auch Kelly ziemlich überzeichnet, wie auch einige Erzählstränge ein wenig zu klischeebehaftet daherkommen.

Dennoch emfehle ich dieses Buch von ganzem Herzen als süffigen Thriller mit Tiefgang. Der ein oder andere Freund hochwertiger Thriller wird vielleicht das ein oder andere Mal die Augenbrauen hochziehen (wenn auch nur ein bisschen). Doch wer solide, gut geschriebene Thriller mag, die blutig, aber alles andere als billig sind, ist hier durchaus gut bedient!

Veröffentlicht am 21.12.2017

Ein Mordsdorf

Das Mädchen, das schwieg
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das ist Losvika, ein kleines Nest auf einer norwegischen Insel. Die Journalistin Kajsa und ihr Mann, der Polizist Karsten sind mit ihrer Patchworkfamilie dorthin gezogen, nachdem Karsten bei einem Einsatz ...

das ist Losvika, ein kleines Nest auf einer norwegischen Insel. Die Journalistin Kajsa und ihr Mann, der Polizist Karsten sind mit ihrer Patchworkfamilie dorthin gezogen, nachdem Karsten bei einem Einsatz schwer verletzt wurde - körperlich, aber auch seelisch. Und hier auf der Insel hat Kajsa die Möglichkeit, als Freelancer zu arbeiten und sie fühlt sich wohl hier, verbindet sie doch schönste Kindheitserinnerungen mit dem Dorf. Denn der Umzug wurde aufgrund eines Erbes möglich, das Kajsa von ihrer Tante erhielt. Sie hatte sie in Kindertagen oft besucht - und sommers wie winters paradiesische Zustände erlebt.

Diese allerdings sind jetzt so weit entfernt wie nur was - neben Eheproblemen, die ihren Grund vor allem in Karsten Zustand haben, hat es in letzter Zeit eine Menge Todesfälle gegeben. Eine alleinstehende Frau, noch jung, aber extrem einsam, wird ermordet in ihrem Haus aufgefunden, nachdem auch ihren Vater, einen Prediger, einige Monate zuvor dasselbe Schicksal ereilt hatte.

Kajsa ermittelt im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit und hat auch bald schon ihren Mann zur Seite, der nach einer zweieinhalbjährigen krankheitsbedingten Pause quasi in den Beruf zurückgezwungen wird. Und bald schon offenbart sich ihnen Grauenvolles: neben Kindesmißbrauch sind jede Menge weiterer Brutalitäten im Spiel und als wäre das nicht genug, verschwindet auch noch Tone, die vierzehnjährige Nachbarstochter spurlos.

Hier geht es um das Leben im Dorf, aber auch in der Strenge einer christlichen Gemeinde, die aus meiner Sicht fast in die Nähe einer Sekte gerückt wird. Angenehmerweise wird diese von der Autorin jedoch nicht gebrandmarkt, nein, einfühlsam arbeitet sie den Zwiespalt heraus.

Insgesamt vermittelt dieser Krimi viele Eindrücke zum Leben im ländlichen Norwegen, dazu beinhaltet er auch Einblicke ins Familienleben, regelrechte Dramen. Abgesehen von einigen unlogischen "Hubbel" und dem aus meiner Sicht ein wenig übereilten und insgesamt unglücklichen Show-Down am Ende hat mir das Buch ganz ausgezeichnet gefallen und ich werde sicher noch "Totensommer", den ersten Band dieser Reihe, lesen. Und auf weitere Folgen freue ich mich auch sehr, denn mit Kajsa und Karsten hat Autorin Trude Teige ein durchaus untypisches Ermittlerpaar geschaffen, dem ich noch eine ganze Menge zutraue! Diese Reihe empfehle ich aus ganzem Herzen!