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Veröffentlicht am 29.12.2017

Genosse Wang fragt öfter mal

Genosse Wang fragt
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das ist nämlich ein wichtiger Bestandteil seines Berufsalltags als Journalist. Aber da er diesen Beruf im kommunistischen China bei einem der staatlichen Organe ausübt, werden seine Fragen bereits im ...

das ist nämlich ein wichtiger Bestandteil seines Berufsalltags als Journalist. Aber da er diesen Beruf im kommunistischen China bei einem der staatlichen Organe ausübt, werden seine Fragen bereits im Vorfeld durch politische Gremien festgelegt. Er jedoch will das ändern, will die eine, die entscheidende Frage stellen, die ihn mit sich und der Welt ins Reine bringt - jedenfalls aus seiner eigenen Sicht. Er ist sich im Klaren, dass esfür ihn aus politischen Gründen Konsequenzen geben wird. Trotzdem stellt er sie ... und alles kommt ganz anders...

Ein kurzer, knackiger, aussagekräftiger und trotz einiger Längen - ja, die gibt es auch in kurzen Büchern schon mal - spannender Roman der ehemaligen China-Korrespondentin des ORF Cornelia Vospernik. Wir erhalten Einblick in Wangs beruflichen Alltag, in dem er nicht selten mit seinem Kollegen Li, einem Wendehals des aus totalitären Regimes nicht unbekannten Typus, hadert, auf eine stille, ihn selbst überraschende Art, die Kollegin Zhang verehrt, auf diese und jene Art die Wirren des Lebens meistert und am Ende dann doch die richtige Frage stellt - aber ist sie es wirklich?

Die Sprache der Autorin ist klar, eloquent und auf eine anspruchsvolle Art gefällig - sie lässt das Buch zu einem Lesegenuss werden. Schade ist nur, dass die zahlreichen eingestreuten chinesischen Begriffe an keiner Stelle erklärt werden.

Wir erkennen, dass auch Chinesen ähnliche Probleme mit Kollegen haben, wie wir sie aus deutschen Büros kennen, dass anderes wie Mentalität und politische Strukturen jedoch recht fremd ist. Ein nicht unrealistischer Roman, der China-Interessierten wie auch anderen Mitmenschen, die gern über den eigenen Tellerrand blicken, sehr zu empfehlen ist!

Veröffentlicht am 29.12.2017

Schulkriminalität in Oberhessen

Der Tod macht Schule
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In Oberhessen - ja, da geht es rund: zumindest in den witzigen Krimis um Hauptkommissar Henning Bröhmann, von denen jetzt der zweite Band vorliegt: und gehörig die Lachmuskeln des Rezipienten strapaziert..

In ...

In Oberhessen - ja, da geht es rund: zumindest in den witzigen Krimis um Hauptkommissar Henning Bröhmann, von denen jetzt der zweite Band vorliegt: und gehörig die Lachmuskeln des Rezipienten strapaziert..

In den dörflichen Gefilden rund um Schotten geht es ländlich und betulich zu, man wohnt - wie der Kommissar - mit seiner 4köpfigen Familie in Doppelhaushälften und schlägt sich mit solch Problemen wie dem ersten - viel älteren Freund - der Tochter Melanie, ehelichen Missverständnissen, einem überaus dominanten und leider auch einflussreichen Vater, nervigen Kollegen ... und nicht zuletzt seiner eigenen Trägheit herum. Der Kriminalfall besteht zunächst aus Übergriffen der Direktorin des Gymnasiums, das auch Melanie besucht... bis sie tot aufgefunden wird... Ausser verdächtigen Schülern und Vertretern des Lehrerkollegiums geraten auch vor ein paar Jahren ansässig gewordene Kosovaren ins Spiel - oder war es gar der Ex-Ehemann?

Aufgrund seiner eigenen Probleme - im Laufe der Handlung kommen noch ein paar dazu - hat Bröhmann kaum Zeit zu ermitteln.. doch aufgrund diverser, teilweise zufälliger Entwicklungen kommt er doch zum Ergebnis.

Ein lustiger, teilweise ins Tragikomische spielender Krimi, bei dem alles und jeder auf die Schippe genommen wird. Für Liebhaber regionaler Krimis genau das Richtige - auch wenn man mit dem Autor nicht zu streng sein sollte, da einige anfänglich relevante Erzählstränge einfach so auf der Strecke bleiben und das Betuliche im Krimi nicht immer nur ironisch gemeint zu sein scheint. Trotz dieser kleinen Schwächen freue ich mich schon auf die nächste Flucht aus dem eigenen Alltag mit dem dritten Bröhmann!

Veröffentlicht am 29.12.2017

Eine Art Western der Neuzeit

Kanada
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Eine Art Western der Neuzeit - so präsentiert sich das schwermütige Epos des Autors Richard Ford, in dem Dell Parson auf eine Episode in seiner Jugendzeit zurückblickt, die sein gesamtes Leben verändert ...

Eine Art Western der Neuzeit - so präsentiert sich das schwermütige Epos des Autors Richard Ford, in dem Dell Parson auf eine Episode in seiner Jugendzeit zurückblickt, die sein gesamtes Leben verändert hat.
In einer für die ganze Familie schwierigen Situation werden Dells Eltern zu Bankräubern, das Leben der bis dahin "anständigen" Familie verändert sich von einem auf den anderen Tag und Dell und seine Zwillingsschwester Berner müssen mitansehen, wie ihre Eltern verhaftet und als Verbrecher abgeführt werden. Es folgt ein Leben außerhalb der Gesellschaft - so erscheint es zumindest unmittelbar danach.

Doch es gibt auch ein Davor: detailliert wird der Leser eingeführt in die Verhältnisse und Hintergründe der Familie Parson - für meinen Geschmack teilweise zu detaillert, verliert sich der Autor doch seitenweise in Einzelheiten.

Als Folge der Tat seiner Eltern wird Dell durch Zufall von seiner Schwester getrennt und kommt nach Kanada, wo er eine neue, noch größere Dimension von Einsamkeit erfährt und Zeuge einer Gewalttat, eines noch schlimmeren Verbrechens wird.

Auf mich wirkt diese Schilderung wie eine Art moderner Western - vergleichbar mit dem Film "12 Uhr mittags", in dem alles auf diesen Zeitpunkt hinausläuft, an dem die Handlung kulminiert und die entscheidende Wendung erfolgt. In diesem Buch ist es nicht ein, sondern mehrere Momente, die jedoch alle in eine bestimmt Phase von Dells Leben fallen - es ist also eine entscheidende Episode, die hier als westernartige Abrechnung geschildert wird - wenn man die Geduld hat, sich auf die bereits erwähnten Details einzulassen, kommt man hier in den Genuss einer großen literarischen Leistung, denn der Pulitzer-Preisträger Ford kann schreiben, und wie!

Nichts für Freunde actionreicher Erzählkunst, wohl aber für diejenigen, die die neue amerikanische Literatur, aber auch deren Tradition schätzen, denn in diese fügt sich Fords neuester Roman "Kanada" nahtlos ein.

Veröffentlicht am 29.12.2017

Eine Bekanntschaft

Der Tag ist hell, ich schreibe dir
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aus der eine Freundschaft wurde, die brutal endete: durch die Ermordung, das Attentat auf den Freund: Katja Langer hat dies selbst erlebt, als sie, noch keine 20, den Bankier Alfred Herrhausen - mit Anfang ...

aus der eine Freundschaft wurde, die brutal endete: durch die Ermordung, das Attentat auf den Freund: Katja Langer hat dies selbst erlebt, als sie, noch keine 20, den Bankier Alfred Herrhausen - mit Anfang 50 schon ein überaus erfolgreicher "Geschäftsmann" kennenlernt und mit ihm eine mehrjährige Brieffreundschaft aufnimmt - eine lebenslange Freundschaft, muss man sagen, endet diese doch mit dem Attentat auf Herrhausen im deutschen Schicksalsjahr 1989, Ende November, kurz nach dem Mauerfall. Um diese Freundschaft geht es in vorliegendem Buch, das die Autorin in Romanform verfasst hat.

Ein sehr, sehr emotionales, warmherziges Buch, ein Roman, in dem Tanja Langer ihre Protagonistin Helen sprechen lässt, sie ihre Freundschaft zu Julius Turnseck - so der Name des Bankiers im Roman - in den verschiedensten Facetten schildern und sie seinem Leben nachspüren lässt. Jahre nach Julius' Tod begibt Helen sich nämlich auf Spurensuche.

Ein sehr, sehr persönlicher Roman, gleichwohl ein Dokument von Tanja Langers und Alfred Herrhausens gemeinsamer Zeit, allerdings eines, in dem sich die Autorin durch die Darstellungsform etliches an dichterischen Freiheiten herausnimmt.

Der Leser erfährt vieles aus Julius' Jugend während des 3. Reiches, aber auch Interessantes aus den beiden Deutschlands der 1980er Jahre. Spannend und aufschlussreich, manchmal ein wenig langatmig, aber immer voller Wärme und Respekt nicht nur Julius/Alfred, sondern auch seinen Angehörigen gegenüber schildert Tanja/Helen ihre gemeinsame Geschichte.

Ab und zu ist es schon ein wenig irritierend und man überlegt beim Lesen, ob dies jetzt Realität oder dichterische Freiheit ist, trotzdem ist dies ein wichtiges Buch sowohl als subjektive Dokumentation deutscher Vergangenheit als auch als ungewöhnlicher Roman. Also: nicht vom Titel schrecken lassen, der aus meiner Sicht wie eine Zeile aus einem Pionierlied klingt: Leser, die sich für neuere deutsche Geschichte ab dem 2. Weltkrieg interessiert und diese auch gern in Romanform rezipieren, werden ihre Freude an diesem sowohl intelligent als auch liebevoll geschriebenen Buch haben!

Veröffentlicht am 29.12.2017

Eine Frau des 20. Jahrhunderts

Die Malerin
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Auch wenn sie bereits im 19. Jahrhundert geboren wurde und heranwuchs - alle signifikanten Ereignisse im Leben der Malerin Gabriele Münter fielen definitiv in das darauffolgende, das so tragische 20. Jahrhundert.

Tragisch ...

Auch wenn sie bereits im 19. Jahrhundert geboren wurde und heranwuchs - alle signifikanten Ereignisse im Leben der Malerin Gabriele Münter fielen definitiv in das darauffolgende, das so tragische 20. Jahrhundert.

Tragisch war auch das Leben der Künstlerin - nicht nur, aber auch, weil sie als Frau (noch) nicht die Rolle einnehmen konnte, die ihr Zustand. In den ersten Jahren ihres eigenen künstlerischen Schaffens stand sie klar im Schatten von Kandinskys, der ihr Lehrer und bald auch ihr Geliebter war - jahrelang hielt er sie hin, was die von ihr ersehnte Heirat anging, um dann zum Ende des Ersten Weltkrieges den Kontakt komplett abzubrechen. Erst Jahre später erfuhr Gabriele Münter, dass er damals bereits anderweitig verheiratet war.

Die folgenden, zunächst tragischen, dann zurückgezogenen Jahre der Gabriele Münter waren weniger spektakulär, doch ebenfalls interessant - und eben ein wichtiger Teil ihres Lebens.

Die Autorin Mary Basson fühlt sich aus meiner Sicht gut sowohl in das Leben der Künstlerin als auch in ihr Umfeld sowie in die gesamte Epoche (bzw. die Epochen), die den Rahmen bildet ein - im Gegensatz zu einigen anderen Bänden der "Künstlerreihe" aus dem Aufbau-Verlag wird hier den Künstlern ein Charakter verliehen, also Gewicht gegeben. Gabriele Münter, über die ich schon vorher einiges wusste, ist mir ein wenig näher gerückt - ich habe Lust darauf bekommen, mehr über sie zu recherchieren, ebenso über die Menschen um sie herum.

Kein sensationelles Buch, eher ein leiseres, in dem die Leidenschaft Münters in Bezug auf Kandinsky sehr herausgestellt wird - ob es wirklich so war? Da es ein Roman ist, in dem die Autorin alle Freiheiten hat und sie definitiv auch nutzt, kann sie es sich erlauben. Dafür ist die Lektüre auch spannender als die vieler Biographien und wird sicher auch Lesern Spaß machen, die vor einem Sachbuch zurückschrecken würden. Dennoch hätte ihm eine Zeittafel, ein Namensverzeichnis mit Erläuterungen zu den Personen aus meiner Sicht gut angestanden.