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Veröffentlicht am 30.12.2017

You got a fast car

Ein Teelöffel Land und Meer
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but is it fast enough so we can fly away we gotta make a decision
we leave tonight or live and die this way

Tracy Chapman - die junge amerikanische Stimme der 1980er Jahre: Dieses Lied ist quasi Sabas ...

but is it fast enough so we can fly away we gotta make a decision
we leave tonight or live and die this way

Tracy Chapman - die junge amerikanische Stimme der 1980er Jahre: Dieses Lied ist quasi Sabas Hymne, das Lied, das sie seit ihrer frühesten Jugend hört, wenn sie allem entfliehen will, wenn sie bei sich, bei ihren Gedanken, beim wahren Leben sozusagen sein will.

Saba ist ein junges Mädchen, dann eine junge Frau aus einer Familie konvertierter Christen, die mit ihrem Vater in einem kleinen Dorf im Nordiran lebt - Mutter und Zwillingsschwester sind ihr irgendwie abhanden gekommen - ja, wie eigentlich? Sind sie in Amerika, leben sie überhaupt noch - Sabas Vater und ihre vielen Ersatzmütter erzählen es ihr nicht - oder will sie es nicht hören? Aber sie hat ja ihre Geschichten über Mahtab, die Zwillingsschwester, ihre Welt, in die sie sich flüchtet - quasi als moderne orientalische Geschichtenerzählerin mit Sehnsuchtsort Nordamerika. Und sie hat ihre Freunde, die schöne Ponneh und Reza, den sie von klein auf liebt... leider hat sie auch sehr, sehr früh einen Ehemann, mindestens viermal so alt wie sie und das ist alles andere als schön. Auch mit einigen anderen Wahrheiten müssen Saba und Mahtab - in Sabas Geschichten - leben : "....die Erkenntnis, dass Du im Film eines anderen nur eine Nebenrolle hast, tut wahnsinnig weh" (S.363) - dies nur eine der Wahrheiten, die sie im Laufe des Buches erfahren müssen - das Leben und nicht zuletzt das Willkürregime der Ayatollahs und Mullahs hält so einiges für sie bereit - und natürlich auch Erstaunliches für den Leser, so zum Beispiel die Information, dass man zumindest zeitweise sehr leicht an Opium herangekommen ist, das offenbar in einigen Kreisen als Volksdroge den strengstens verbotenen Alkohol ersetzte.

Die Geschichte baut sich langsam auf, erzählt nicht nur in dritter Person aus Sabas Perspektive, nein, als Ich-Erzählerinnen kommen auch einige der Dorfbewohnerinnen, vor allem Rezas Mutter, zu Wort und sie sehen einiges aus einer vollkommen anderen Perspektive.

Der - westlich geprägte - Leser hofft und bangt mit Saba, belächelt ein wenig ihre naive, von Zeitschriftenlektüre, Musik und Filmen geprägte Sicht auf die USA, und drückt ihr vor allem die Daumen, dass ihr in irgendeiner Weise der Ausbruch aus der iranischen Tretmühle gelingt. Klappt es? Drücken Sie die Daumen - und lesen Sie mit!

Ein Buch, dessen Lektüre für mich wichtig, das für mich aber auch ausgesprochen schwer zu erobern war - es hatte aus meiner Sicht durchaus gelegentliche Längen und war auch mal sperrig. Sätze wie "Die Pro-Haar-Regierung war noch nicht von der Pro-Kopftuch-Regierung gestürzt worden." (S29) hielten mich jedoch immer wieder am Ball und geben auch ein Zeugnis von der meisterhaften Leistung der Übersetzer Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Zudem wird dem Käufer/ Leser eines der schönsten Cover der Belletristik der letzten Jahre überhaupt geboten - schon allein das macht Lust auf die Lektüre, wobei es sich auch trefflich an den inhalt anpasst. Ein Buch, das für mich in der Tradition von "Der Drachenläufer", "Tausend Strahlende Sonnen" und einigen der Romane von Rafik Schami steht, die zwar von anderen Ländern - Afghanistan und Syrien - handeln, doch ähnliches zum Ausdruck bringen. Auch wenn dieses Buch für mich nicht ganz an einige der vorher genannten herankommt, ist es unbedingt als anspruchsvolle Lektüre für Freunde von Büchern über fremde Länder zu empfehlen!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Protagonisten des 20. Jahrhunderts

Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer
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aber solche der ganz besonderen Art porträtiert Alex Capus in seinem neuen Roman mit dem etwas umständlichen Titel "Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer" : Alex Capus' neuer Roman ist ein ungewöhnliches ...

aber solche der ganz besonderen Art porträtiert Alex Capus in seinem neuen Roman mit dem etwas umständlichen Titel "Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer" : Alex Capus' neuer Roman ist ein ungewöhnliches Werk - er versucht sich hier quasi in einer Biographie gleich dreier realer Personen, die in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Rolle spielten: allen voran der Atomphysiker, Nobelpreisgewinner und Pazifist Felix Bloch, der gleichwohl an der Entwicklung der Atombombe, eines der größten Schrecken der Menschheit, beteiligt war, die Sängerin Laura d'Oriano, die durch Zufall zu einer ausgesprochen effizienten Spionin der Alliierten im 2. Weltkrieg wurde und ein tragisches Schicksal nahm sowie der Maler Emile Gilliéron, der bei den archäologischen Entdeckungen in Troja und vor allem in Knossos auf Kreta eine Rolle spielte. Biographien von Personen, aus denen Zufallsbekanntschaften hätten entstehen können und zwar im November 1924 in Zürich, wo sie theoretisch zur gleichen Zeit hätten den Hauptbahnhof passieren können - Felix und vor allem Laura damals noch ganz am Anfang des Lebens bzw. ihrer Lebensplanung, Emile ein Mann mitten im Leben, der auch schon etliche Lasten zu tragen hat. . Aus diesem fiktiven möglichen Treffpunkt entwickelt Capus die weiteren Entwicklungen. Das Mädchen, das gerne allein in offenen Zügen träumt, der junge Mann, dessen Zukunft noch offen vor ihm liegt und der Kunstmaler, der schon auf Erlebtes zurückblickt, der mit Schliemann in Troja war. Die Geschichten spinnen sich weiter, nehmen ihren Lauf, Realität und Erzählkunst verweben sich zu einer dichten Geschichte. Für mich war Felix Blochs Geschichte das absolute Highlight und gab mir gleich Anlass, über die bahnbrechenden und leider sehr folgenreichen Entwicklungen der Atomphysik der 1940er Jahre zu rechererchieren. Der Part über Emile Gilliéron hingegen passte aus meiner Sicht nicht so ganz hinein und verlor sich im Laufe des Buches ein bisschen.
Hier ist ein Meister am Werk und das merkt man gleich auf den ersten Seiten - meisterhaft die Sprache, die gründliche und phantasievolle Recherche, ja die ganze Komposition seiner Erzählung! Historische Häppchen der Extraklasse werden hier serviert, die sich zu einer Geschichte verdichten - man möchte zu gern erfahren, wie es weitergeht!
Mir manchmal ein wenig zu dicht, zu konzentriert, ich liebe es, wenn ich beim Lesen zwischendurch etwas abschalten, entspannen, nachsinnen kann - das war hier nicht möglich, da hätte man den Faden verloren.Ein historischer Roman vom Feinsten, aber wirklich vom Allerfeinsten: das versprach Alex Capus' neuer Roman "Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer" zu werden, aus meiner Sicht sind es eher fiktive Biographien, die hier transportiert werden - sehr, sehr spannend und vielschichtig - vom Autor haben sie sicher jahrelange Recherchen abverlangt, vom Leser wird allerhöchste Konzentration verlangt - sonst versäumt man rasch Wesentliches. Capus' wunderbare Sprache, die ich bereits in früheren Werken, allen Voran "Leon und Louise" genossen habe, macht auch dieses Buch zu einem Lesegenuss. Wer allerdings denkt, dass hier nahtlos an den stimmungsvollen Roman "Leon und Louise" angeknüpft wird, der hat sich ganz schön getäuscht - Capus zeigt, dass er auch ganz anders kann, dies ist ein anderes Genre, die beiden Bücher vom Aufbau her nicht zu vergleichen. Ich finde es toll - man bekommt einen Vorgeschmack von der Bandbreite des Autors und ich bin sicher, der großartige Fante-Übersetzer hat als Autor noch einiges in petto! Ich empfehle dieses Buch allen, die Geschichte und Biographien mögen, die offen sind für Neues, vor allem für die große literarische Begabung und das breite Spektrum des Autors! Ich jedenfalls bin sehr gespannt darauf, was er noch so aushecken wird!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ganz Wien träumt von Kokain

Tod hinter dem Stephansdom
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zumindest könnte man beim Lesen dieses Krimis den alten Danzer-Song für bare Münze nehmen, spielt die besagte Droge doch eine durchaus zentrale Rolle. Ein angesehener Geschäftsmann ist tot aufgefunden ...

zumindest könnte man beim Lesen dieses Krimis den alten Danzer-Song für bare Münze nehmen, spielt die besagte Droge doch eine durchaus zentrale Rolle. Ein angesehener Geschäftsmann ist tot aufgefunden worden und rasch ergeben sich Kontakte zur Wiener Unterwelt oder zumindest zu deren Pforten. Zudem wurde eine geheimnisvolle schwarze Frau gesichtet, die eine zentrale Rolle zu spielen scheint. Man lernt in diesem Krimi so einige saubere Gesellen aus verschiedenen Bereichen des Wiener Lebens kennen! Dazu ergeben sich aufschlussreiche Verbindungen zu einem früheren Todesfall.

Die junge Redakteurin des "Wiener Boten", Sarah Pauli, unter anderem zuständig für eine Kolumne zum Volksglauben, selbst dem Aberglauben zugetan und mittlerweile heimlich liiert mit dem Chefredakteur, kommt über die "schwarze Frau"an das Thema, kann sich einem so interessanten Fall natürlich nicht entziehen und gerät rasch tiefer hinein, als es eigentlich ihre Absicht war. Ein durchgehend spannender Fall, in dem es der Autorin wiederholt gelungen ist, mich auf die falsche Fährte zu locken - umso überraschender und spektakulärer ist das grandiose Ende.

Sarah ist wie immer neugierig und mischt sich in die polizeilichen Ermittlungen ein, was ziemlich gefährlich ist, ihr aber am Ende eine sensationelle Exklusivreportage beschert, wegen der allein sich schon die Lektüre des Buches lohnt!

Wie auch in den Vorgängerromanen sind die Charaktere toll gezeichnet - also alles rund? Für mich nicht ganz, mich haben die vielen Sexszenen - sowohl innerhalb der Krimihandlung als auch in Sarahs Privatleben - gestört. So etwas passt für mich nur ganz selten in einen Krimi und hier hat es mir gar nicht gefallen. Und irgendwie habe ich mich immer noch nicht mit Sarahs Romanze angefreundet, da läuft aus meiner Sicht alles ein bisschen zu glatt mit der Liebe zum Chef. Ansonsten gefällt mir hier das Zusammenspiel von Krimi und Sarahs Privatleben aber wieder ausgesprochen gut.

Wieder ein richtig spannender Fall und ein wahrer Lesegenuss, in dem auch das Wiener Lokalkolorit nicht zu kurz kommt! Ich jedenfalls habe ihn trotz der kleinen Abstriche gern gelesen und freue mich schon auf den nächsten Fall, mit dem es die Journalistin Sarah Pauli zu tun bekommt!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Zigeunerjunge, Zigeunerjunge

Was mit Rose geschah
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Nein, ich meine nicht den altbekannten Schlager der Sängerin Alexandra, sondern die beiden "Zigeunerjungen", aus deren jeweiliger Perspektive die Handlung des Buches "Was mit Rose geschah" erzählt wird: ...

Nein, ich meine nicht den altbekannten Schlager der Sängerin Alexandra, sondern die beiden "Zigeunerjungen", aus deren jeweiliger Perspektive die Handlung des Buches "Was mit Rose geschah" erzählt wird: den Privatdetektiv Ray Lovell, dessen Vater ein assimilierter Roma war, der mit einer Engländerin verheiratet war und als Briefträger gearbeitet hat und den jungen JJ, der mit seiner Sippe in alter Manier in einem Wohnwagenkonvoi durch die Lande zieht.
Die Handlung spielt in England Mitte der 1980er Jahre: Ray wird beauftragt, Rose Janko zu finden, eine Roma, die etwa ein Jahr nach der Eheschließung verschwand und Mann und Kind alleine ließ. Auftraggeber ist Roses Vater, Ray und JJ lernen sich kennen, da Ivo und Christo - der verlassene Ehemann und das schwerkranke Kind zu der Gruppe von Verwandten gehören, mit denen auch JJ und seine Mutter Sandra umherziehen und zu der außerdem Ivos Vater Tene Janko sowie dessen Schwester und Schwager - Sandras Eltern - gehören. Eine merkwürdige Geschichte, die Jahre her ist. Ray spürt, dass der Schlüssel bei der Sippe der Jankos liegt und ermittelt. Er liegt nicht verkehrt, trotzdem kommt alles anders als gedacht.
Ein kluges und mitreißendes, mitunter auch überraschendes Buch, dessen Lektüre sich unbedingt lohnt. Die Handlung wird aus den beiden unterschiedlichen Perspektiven von Ray und JJ sehr anschaulich dargestellt. Definitiv ist dies nicht nur, aber auch ein Krimi und gleichzeitig eine Sozialstudie der in England lebenden Roma. Die Atmosphäre von Großbritannien der 1980er Jahre ist mit Händen greifbar, nicht nur durch den allgegenwärtigen Zigarettenkonsum, der sich wie ein roter Faden durchs Buch zieht.
Ein Genuss ist auch die Übersetzung der großartigen Susanne Goga-Klinkenberg, die durch ihre behutsame und einfühlsame Arbeit einmal mehr die von der Autorin transportierten Botschaften gelungen rüberbringt und somit das gelungene Leseerlebnis noch unterstreicht. Ein bisschen schade finde ich nur, dass der Originaltitel „The invisible ones“ der die Situation und das Lebensgefühl der Roma aufs Trefflichste spiegelt, nicht in der deutschen Übersetzung aufgegriffen wurde, da dies ja immerhin die erste Botschaft der Autorin an ihre Leserschaft ist. Alles in allem jedoch ein ungewöhnliches Buch, das ich Liebhabern anspruchsvoller Spannungsliteratur von Herzen empfehlen kann und das noch lange nachwirkt.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ohne sommerliche Leichtigkeit

Das Ferienhaus
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kommt dieser schwedische Sommerroman daher. Eva ist am Ende - ihre
Mutter ist im Alter von 66 Jahren verstorben, ihre Arbeit als Lehrerin
belastet sie und dann zieht auch noch ihr einziger Sohn aus. Nach ...

kommt dieser schwedische Sommerroman daher. Eva ist am Ende - ihre
Mutter ist im Alter von 66 Jahren verstorben, ihre Arbeit als Lehrerin
belastet sie und dann zieht auch noch ihr einziger Sohn aus. Nach dem
Tode ihrer Mutter möchte sie sich in das ererbte Ferienhaus
in den Schären zurückziehen, das ihr aus ihrer Sicht zusteht, hat sie
sich doch seit Jahren als einzige - und älteste - von drei Geschwistern
um die stark depressive Mutter geschieden, die - nach und nach kommt es
heraus - freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Doch die Geschwister -
vor allem die überaus fordernde jüngste Schwester Maja - pochen auf ihr
Recht und drängen auf den Verkauf des Häuschens. Doch bevor es dazu
kommt, verbringen die drei - teilweise unfreiwillig - noch einen letzten
gemeinsamen Sommer in den Schären.

So licht, gemütlich und
einladend das Cover dieses Buches ist, so dunkel und belastend ist über
weite Teile die Stimmung des Romans. Doch obwohl nicht unbedingt
leichtverdaulich, ist er alles andere als schwer zu lesen, lernt man
doch, Dinge nicht nur aus einer Perspektive zu betrachten und dunkelsten
Phasen des Lebens auch eine leichtere Seite abzugewinnen. Anna
Fredriksson schreibt packend, eindringlich und fesselnd - ich zumindest
empfand die Lektüre dieses schwedischen Familiendramas durchaus als Gewinn.
Wer helle schwedische Sommernächte nicht nur in lindgrenscher Manier
oder als Kulisse skandinavischer Krimis erleben will, dem wird sich hier
eine neue Welt eröffnen, die alles andere als heil, dafür jedoch
eindrucksvoll und mitreißend ist.