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Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein perverser Serienmörder unterwegs in Düsseldorf

Der Schmerzsammler
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...und zwar ist die Intention dieses Mörders ganz besonders pervers und auch widerlich - er ist ein Sammler, seine Sammelleidenschaft konzentriert sich auf Schmerzen, genauer gesagt auf Schmerzensschreie. ...

...und zwar ist die Intention dieses Mörders ganz besonders pervers und auch widerlich - er ist ein Sammler, seine Sammelleidenschaft konzentriert sich auf Schmerzen, genauer gesagt auf Schmerzensschreie. Die Opfer werden nach Stimmlage ausgewählt - freuen Sie sich also ausnahmsweise über Ihre heisere, kratzige oder sonst in irgendeiner Form unattraktive Stimme - mit großer Wahrscheinlichkeit wären Sie nämlich nicht vom Schmerzsammler "eingeladen" - so bezeichnet er das Überwältigen seiner Opfer - worden. Oder vielleicht doch...

Im Verlauf des Thrillers nämlich erhält der Leser immer wieder Einblick in die Psyche dieses Mannes - und es ist definitiv kein Mensch (so man ihn noch als solchen bezeichnen kann), den man gerne kennen würde.

Geht es hier um satanistische Ritualmorde? Die junge Profilerin und Sektenbeauftragte Fran Miller und ihr Team ermitteln fieberhaft, immer wieder mal gestoppt von politischen oder anderen Interessen hochrangiger Vorgesetzter - besonders dramatisch wird es, als auch die Stieftochter des ermittelnden Staatsanwaltes der Bestie zum Opfer fallt. Dramatisch, schnell, blutig , schaurig und atmosphärisch schreibt der Autor Martin Conrath - da kann auch schon mal der ein oder andere Erzählstrang im Sande verlaufen, die ein oder andere Figur nicht ganz stimmig beschrieben sein - das fällt wahrscheinlich nur Lesern wie mir, die eigentlich den klassischen stimmungsvollen Krimi, den Whodunnit bevorzugen, ins Auge. Liebhaber brutalster Thiller sind hier bestens aufgehoben, der "Schmerzsammler" kann mit jedem Machwerk aus amerikanischer Feder mühelos konkurrieren. Dazu kommt noch die atmosphärische Schilderund des Tatortes Düsseldorf - nein, zu meckern gibt es hier nicht viel: bei mir wird es sicher einfach an der etwas anders gearteten literarischen Vorliebe liegen, das hier am Ende doch gewisse Fragezeichen über mir schweben. Trotzdem freue ich mich auf Frans nächsten Fall. Ich weiß aber jetzt schon, dass ich ein extremes Stimmungshoch meinerseits abwarten werde, bevor ich zur Lektüre greife.... in depressiver Laune sollte man wahrlich nicht zu dieser - im übrigen auch stilistisch einwandfreien - Lektüre greifen!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Die jahrelange Suche nach einem Mörder

Der Mann im Park
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... beschäftigt Kommissar John Stierna von der Stockholmer Kriminalpolizei von 1928 bis 1953 und überdauert vieles: politische Strukturen, Freundschaften, Stiernas Ehe. Doch gelingt es dem Ermittler 1953 ...

... beschäftigt Kommissar John Stierna von der Stockholmer Kriminalpolizei von 1928 bis 1953 und überdauert vieles: politische Strukturen, Freundschaften, Stiernas Ehe. Doch gelingt es dem Ermittler 1953 - nachdem er frühzeitig in Rente gegangen, den Fall seines Lebens doch noch zu Ende zu führen?
Dieser Fall ist ein besonderer - quasi das Gegenteil eines Serienmordes: ein kleines Mädchen, Ingrid Svensson wird am 2. September 1928 ermordet. Aufgewachsen bei einer alleinerziehenden Mutter, hatte Ingrid bis zu ihrem Tod gleichwohl eine glückliche Kindheit, man musste nicht zu sehr sparen, Ingrid wurde von Mutter, Großeltern und Onkel geliebt, war in der Schule gut und bei ihren Klassenkameraden beliebt. Einige wussten, dass sie in ihrem letzten Sommer einen Mann im Park kennengelernt hatte - war das ihr Mörder? Die Gesellschaft und auch die Polizei ist überaus erschüttert von diesem Fall, doch es ist schwer, der Spur des Mörders zu folgen. Deswegen bleibt der Fall bis 1953 ein ungelöster...
Ein außergewöhnliches, ein interessantes Buch, doch eines mit Längen. Das Cover verspricht einen Thriller, doch könnte das Buch auf Freunde herkömmlicher, knallharter Thriller ausgesprochen langweilig, gar schwerfällig wirken. Ich sehe es als eine Art historischen Spannungsroman mit Krimielementen, als solcher ist er - lässt man mal die sich teilweise wirklich recht langatmig entwickelnde Handlung, sich immer mal wiederholende Sujets außer Acht - ein absoluter Gewinn, zumal der Autor, der schwedische Journalist Pontus Ljunghill, ausgesprochen sorgfältig recherchiert hat und somit zumindest Ereignisse der damaligen Zeit wirklich gut in die Handlung einbaut. Atmosphärisch hingegen wirkt dieses Buch auf mich nur gelegentlich, nicht immer gelingt es dem Autor, mich in dem Setting der 1920er, 1930er, 1940er und schließlich der Nachkriegszeit, der 1950er Jahre einzufangen. Trotzdem spreche ich eine Empfehlung aus: Ljunghill schreibt wirklich gut, das Sujet ist ungewöhnlich - historische Krimis aus Schweden kannte ich bisher nicht. Und auch wenn ich mich bei ihm nicht wie in den Berliner Krimis von Susanne Goga, die in den 1920er Jahren oder wie in der im Hamburg der unmittelbaren Nachkriegszeit, in den späten 1940er Jahren spielende Serie von Cay Rademacher um den Oberinspektor Frank Stave bedingungslos in die Zeit hineinversetzen kann, war die Lektüre sowohl unterhaltsam als auch lehrreich. Sollte es eine Fortsetzung bzw. ein zweites Buch des Autors geben, würde ich eine Lektüre zumindest ins Auge fassen!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Hier geht es NICHT um das Haus vom Nikolaus

Die schwarze Finca
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Nein, im Mittelpunkt des 2. Krimis von Eduard Freundlinger, der wiederum im beschaulichen Almunecar am Strand von Andalusien
spielt, steht ein anderes Gebäude: die schwarze Finca des Grauens. Hier
wird ...

Nein, im Mittelpunkt des 2. Krimis von Eduard Freundlinger, der wiederum im beschaulichen Almunecar am Strand von Andalusien
spielt, steht ein anderes Gebäude: die schwarze Finca des Grauens. Hier
wird seit Jahren ein Mädchen, inzwischen eine blutjunge Frau, gefangen
gehalten. Kann das Joanas - dem treuen Leser bereits aus Freundlingers
1. Krimi "Pata Negra" wohlbekannt - seit langem vermisste Schwester
sein?

Wie dem auch sei, Joana erhält einen entsprechenden
Erpresserbrief und begibt sich zusammen mit Kilian - der inzwischen ihr
Ehemann ist - und dem gemeinsamen Sohn Xaver nach Andalusien. Doch dort
häufen sich Todesfälle - eine Reihe älterer Männer hat den Tod gefunden -
offenbar wurde stets nachgeholfen.

Hier spinnt Freundlinger eine
actionreiche, vielschichtige, spannende, außergewöhnliche und dadurch
auch nicht so schnell zu vergessende Geschichte, in der andalusisches
Lokalkolorit nicht zu kurz kommt. Daher verzeiht der werte Leser - in
diesem Falle ich - auch großmütig, dass einer der wichtigsten
Erzählstränge nicht so recht aufgelöst wird. Vielleicht folgt dazu ja
was im bereits angekündigten 3. Teil dieser Serie, den ich schon jetzt
freudig erwarte. Ein Hinweis noch: bei dieser Krimireihe ist es ratsam,
die Bücher in der Reihenfolge ihrer Entstehung zu lesen - es wird nicht
bzw. nur in Andeutungen Bezug auf frühere Ereignisse genommen.

Ich
empfehle diesen Krimi allen Freunden gut geschriebener
Spannungsliteratur der nicht alltäglichen Art, die es auch gern etwas
härter bzw. brutaler lieben
und auch einigen durchaus plastischen Sexszenen in einem Krimi - wobei
das Buch bei mir eher unter Thriller firmiert - nicht abgeneigt sind.
Natürlich auch bestens geeignet als Lektüre für den nächsten
Strandurlaub auf der iberischen Halbinsel!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Xavier ermittelt wieder

Letzte Ernte
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Ich liebe das Herzogtum und vor allem die Stadt Luxemburg und ich liebe Xavier Kieffer, den luxemburgischen Koch! In diesem spannenden Krimi hat man beides zusammen - was will man mehr?!

Nun geht es ...

Ich liebe das Herzogtum und vor allem die Stadt Luxemburg und ich liebe Xavier Kieffer, den luxemburgischen Koch! In diesem spannenden Krimi hat man beides zusammen - was will man mehr?!

Nun geht es schon zum dritten Mal weiter mit Xavier - unkonventionell, sympathisch und ein Feinschmecker in jeder Hinsicht hat sich der Protagonist aus der "Teufelsfrucht" und "Rotes Gold" kein bisschen verändert: das freut die geneigten Leser, die bereits ungeduldig auf die Fortsetzung dieser stimmungsvollen Reihe gewartet haben.

Wie so oft hofft Xavier auf ein romantisches Wochenende an der Seite seiner Valerie, der berühmten Gastrokritikerin, die sicher nicht nur von mir glühend um ihren kochenden und charismatischen Freund beneidet wird. Diesmal ist allerdings er selbst während ihres Besuchs gut beschäftigt, hat er doch einen Stand mit seinen Delikatessen auf dem Stadtfest. Dort kommt es zu einem Zwischenfall mit einem merkwürdigen Gesellen, in den auch seine Valerie verwickelt ist - wenig später ist dieser eine Leiche - er ist über die höchste Brücke der Stadt gesprungen - oder gestoßen worden? Xavier gerät flugs in die Ermittlungen, wie immer eskortiert von seiner Valerie und Freund Pekka, dem finnischen EU-Beamten. Valerie hat nämlich etwas, das dem Toten gehört - und auf das ziemlich viele scharf sind. Es wird ganz schön gefährlich, wobei leider immer wieder eher unspannende Episoden dazwischen liegen, die vor allem von Xaviers ehemaligen Mitschüler auf der Kochschule und gewissermaßen auch Konkurrenten Esteban, dem Argentinier, einer eigentlich sehr unterhaltsamen Figur handeln. Nur ist dieser jetzt Fernsehkoch und diese Handlung, die mit dem Kriminalfall rein gar nichts zu tun hat, langweilt den Leser dann doch.

Trotzdem ist dieser deutschsprachige, vor allem in Luxemburg, doch wie immer auch in den Nachbarländern Deutschland und Frankreich, diesmal zusätzlich in der Schweiz spielende Roman durchaus zu empfehlen, lernt man doch einiges über gute Küchen - sowohl bodenständige als auch besternte und erfährt dies und das über das Großherzogtum Luxemburg und nicht zuletzt auch über seine Mitmenschen. Auch die Figuren, allen voran Xavier Kieffer mit seiner Valerie und dem Kumpel Pekka, sind liebevoll und mit viel Humor gezeichnet und lassen auf den Ausbau dieses amüsanten Krimis zu einer Serie hoffen! Herrlich, wie der Autor die Atmosphäre im beschaulichen Luxemburg, doch auch bei der von mir gar nicht so goutierten Kochshow einfängt!

Aber ob das Rauchen am laufenden Band - fast keine Seite, auf der sich Xavier nicht mindestens einen Glimmstengel gönnt - unbedingt sein muss? Hier wird es als typisch französische und auch luxemburgische Eigenart verkauft: nun, ich kenne jede Menge überzeugte bis militante Nichtraucher sowohl aus Frankreich als auch aus den Benelux-Ländern, für die genussvolles Essen und Zigarettenqualm am besten auf zwei unterschiedliche Planeten verteilt sein sollten... mir scheint, der Autor will hier auf charmante Art ein ganz persönliches Laster legitimieren. Das stört mich ein ganz kleines bisschen, tut dem Lesevergnügen in ganz großem Stil jedoch keinen Abbruch.

Ein Buch für "Freunde" der Wirtschaftskriminalität - natürlich nur in literarischer Form, aber vor allem für Gourmets und für Xavier-Kieffer-Fans wie mich!

Veröffentlicht am 30.12.2017

You got a fast car

Ein Teelöffel Land und Meer
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but is it fast enough so we can fly away we gotta make a decision
we leave tonight or live and die this way

Tracy Chapman - die junge amerikanische Stimme der 1980er Jahre: Dieses Lied ist quasi Sabas ...

but is it fast enough so we can fly away we gotta make a decision
we leave tonight or live and die this way

Tracy Chapman - die junge amerikanische Stimme der 1980er Jahre: Dieses Lied ist quasi Sabas Hymne, das Lied, das sie seit ihrer frühesten Jugend hört, wenn sie allem entfliehen will, wenn sie bei sich, bei ihren Gedanken, beim wahren Leben sozusagen sein will.

Saba ist ein junges Mädchen, dann eine junge Frau aus einer Familie konvertierter Christen, die mit ihrem Vater in einem kleinen Dorf im Nordiran lebt - Mutter und Zwillingsschwester sind ihr irgendwie abhanden gekommen - ja, wie eigentlich? Sind sie in Amerika, leben sie überhaupt noch - Sabas Vater und ihre vielen Ersatzmütter erzählen es ihr nicht - oder will sie es nicht hören? Aber sie hat ja ihre Geschichten über Mahtab, die Zwillingsschwester, ihre Welt, in die sie sich flüchtet - quasi als moderne orientalische Geschichtenerzählerin mit Sehnsuchtsort Nordamerika. Und sie hat ihre Freunde, die schöne Ponneh und Reza, den sie von klein auf liebt... leider hat sie auch sehr, sehr früh einen Ehemann, mindestens viermal so alt wie sie und das ist alles andere als schön. Auch mit einigen anderen Wahrheiten müssen Saba und Mahtab - in Sabas Geschichten - leben : "....die Erkenntnis, dass Du im Film eines anderen nur eine Nebenrolle hast, tut wahnsinnig weh" (S.363) - dies nur eine der Wahrheiten, die sie im Laufe des Buches erfahren müssen - das Leben und nicht zuletzt das Willkürregime der Ayatollahs und Mullahs hält so einiges für sie bereit - und natürlich auch Erstaunliches für den Leser, so zum Beispiel die Information, dass man zumindest zeitweise sehr leicht an Opium herangekommen ist, das offenbar in einigen Kreisen als Volksdroge den strengstens verbotenen Alkohol ersetzte.

Die Geschichte baut sich langsam auf, erzählt nicht nur in dritter Person aus Sabas Perspektive, nein, als Ich-Erzählerinnen kommen auch einige der Dorfbewohnerinnen, vor allem Rezas Mutter, zu Wort und sie sehen einiges aus einer vollkommen anderen Perspektive.

Der - westlich geprägte - Leser hofft und bangt mit Saba, belächelt ein wenig ihre naive, von Zeitschriftenlektüre, Musik und Filmen geprägte Sicht auf die USA, und drückt ihr vor allem die Daumen, dass ihr in irgendeiner Weise der Ausbruch aus der iranischen Tretmühle gelingt. Klappt es? Drücken Sie die Daumen - und lesen Sie mit!

Ein Buch, dessen Lektüre für mich wichtig, das für mich aber auch ausgesprochen schwer zu erobern war - es hatte aus meiner Sicht durchaus gelegentliche Längen und war auch mal sperrig. Sätze wie "Die Pro-Haar-Regierung war noch nicht von der Pro-Kopftuch-Regierung gestürzt worden." (S29) hielten mich jedoch immer wieder am Ball und geben auch ein Zeugnis von der meisterhaften Leistung der Übersetzer Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Zudem wird dem Käufer/ Leser eines der schönsten Cover der Belletristik der letzten Jahre überhaupt geboten - schon allein das macht Lust auf die Lektüre, wobei es sich auch trefflich an den inhalt anpasst. Ein Buch, das für mich in der Tradition von "Der Drachenläufer", "Tausend Strahlende Sonnen" und einigen der Romane von Rafik Schami steht, die zwar von anderen Ländern - Afghanistan und Syrien - handeln, doch ähnliches zum Ausdruck bringen. Auch wenn dieses Buch für mich nicht ganz an einige der vorher genannten herankommt, ist es unbedingt als anspruchsvolle Lektüre für Freunde von Büchern über fremde Länder zu empfehlen!