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Veröffentlicht am 30.12.2017

Eine verbotene Liebe

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
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..steht im Mittelpunkt dieses ungewöhnlichen und auf gewisse Art sicher auch herausragenden Werkes des jungen französischen Schriftstellers Joel Dicker.

Um was geht es? Zunächst um die Rettung eines Meisters, ...

..steht im Mittelpunkt dieses ungewöhnlichen und auf gewisse Art sicher auch herausragenden Werkes des jungen französischen Schriftstellers Joel Dicker.

Um was geht es? Zunächst um die Rettung eines Meisters, nämlich der Rettung von Marcus' ehemaligen Professor Harry, der eines Mordes angeklagt ist, der lange zurückliegt: des Mordes an seiner Gespielin, angeblich seiner großen Liebe Nola, die Ende August 1975 im Alter von nur 15 Jahren - Harry selbst war damals bereits 34 - auf Nimmerwiedersehen verschwand. Ihre sterblichen Überreste nämlich finden sich in Harrys Garten, er tut unschuldig und ist doch sooo verdächtig.

Sein ehemaliger Student Marcus - ein junger Erfolgsautor, dessen erster Roman eingeschlagen hat wie eine Bombe und von dem nun mehr erwartet wird, versucht sich in der Wahrheitsfindung. Er will einfach nicht glauben, das der von ihm so bewunderte Harry, selbst Autor eines unglaublichen Werkes, ein Mörder sein soll....

Geschäfttüchtige Agenten und Verleger bringen ihn dazu, aus diesem Stoff seinen neuen Roman zu machen und bewerben diesen - es ist das Jahr 2008 - bereits lange vor seinem Erscheinen aufs Heftigste. Ganz USA hat schon lange vor der Fertigstellung davon gehört - und Marcus steht unter Zugzwang. Zudem möchte er natürlich Harry, seinem Freund und Mentor, helfen.

Es gibt eine Menge Maine, einen verschrobenen Autor, verschiedene schräge bzw. ungewöhnliche und gut dargestellte Charaktere ... und den Boxsport. Wiederholt stellte sich mir während des Lesens die Frage, ob Dicker und ich nicht etwa denselben Lieblingsautor - nämlich den großen John Irving - haben und ob er sich nicht hat beeinflussen lassen - sowohl vom Setting - der Roman spielt in Maine, obwohl der Autor Franzose ist - als auch von der Themenwahl und der Person Irvings. Boxen spielt hier eine nicht unwesentliche, nicht immer jedoch sinnvoll eingebrachte Rolle - und ließ mich an das Ringen, das bei irving immer wieder Thema ist, denken. Und bei der Entwicklung der Figur Harry könnte es Anleihen an die reale Person Irving geben, wenn auch diese - gottseidank - eine nicht annähernd so tragische Gestalt ist. Und immer wieder stellte sich mir die Frage der Authentizität - wie gut kennt der Franzose Dicker die USA und speziell Maine wirklich? Basiert das alles auf Rezipiertem, auf Recherchiertem oder auf Erdachtem. Insgesamt ein toller Roman - wenn auch aus meiner Sicht mit einigen Schwachstellen hinsichtlich Logik und Glaubwürdigkeit - auch einiger Klischees hat sich der Autor fleißig bedient..

Aber Joel Dicker kann schreiben wie ein junger Gott - herrlich die Verschachtelung des entstehenden Romans mit dem vorliegenden Werk, der Tragödie um Harry und Nola! Ein Buch, das auf jeden Fall lohnenswert ist, auch wenn ich Ihnen nicht versprechen kann, dass Sie sich überhaupt nicht ärgern!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein neues Ermittlerduo aus Dänemark

Die guten Frauen von Christianssund
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... genauer gesagt aus Christianssund, einer Kleinstadt unweit von Kopenhagen, führt die Autorin Anna Grue ein: nämlich den Kommissar Flemming Torp und seinen Jugendfreund, Werbefachmann Dan Sommerdahl, ...

... genauer gesagt aus Christianssund, einer Kleinstadt unweit von Kopenhagen, führt die Autorin Anna Grue ein: nämlich den Kommissar Flemming Torp und seinen Jugendfreund, Werbefachmann Dan Sommerdahl, der sich als eine Art männliche und jüngere Miss Marple in die offiziellen Ermittlungen einschaltet und mehr noch - sehr eigenmächtig auf eigene Faust zu ermitteln beginnt.

Dan gerät eher zufällig ins Geschehen: Er ist aufgrund eines Burnouts für längere Zeit krankgeschrieben, als sein Freund Flemming von einem gemeinsamen Essen zum Tatort gerufen wird - und das ist ausgerechnet Dans Arbeitsplatz - um direkt alle informationen aus erster Hand zu bekommen, nimmt er Dan, der als einziger Mitarbeiter aufgrund des Treffens mit Flemming nicht tatverdächtig ist, mit vor Ort - und wird ihn so schnell nicht mehr los. Opfer ist eine Putzfrau, die Estin Lilliana, die, wie sich rasch herausstellt, inoffiziell in Dänemark weilte und schwarz arbeitete. Allmählich tut sich hinter diesem einen Fall, der weitere Geschehenisse nach sich zieht, ein ganzes Netzwerk auf - sind es möglicherweise "gute Frauen aus Christianssund", die dahinterstecken? Und wenn ja; wer sind sie, was ist ihre Motivation, was ihre Zielsetzungß

Das Privat- und Berufleben der beiden Herren Dan und Flemming - etwa Mitte 40 - wird ausgiebig beleuchtet, Beziehung zu den Mitmenschen im engeren und weiteren Umfeld werden durchaus auch mal im Detail dargestellt. Ebenso werden weitere relevante Figuren eingeführt, was die Erzählung von Zeit zu Zeit ein wenig langatmig, wenn nicht gar schwerfällig werden lässt. Insgesamt aber ein zeitweise durchaus spannender, gut geschriebener und origineller Krimi im Stil eines klassischen Whodunnit. Das Buch beinhaltet einen Leseeindruck zum nächsten Teil der Reihe - und für mich steht jetzt schon fest, dass ich die Geschicke von Flemming und Dan weiterverfolgen werde!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Einen Verlust der schlimmsten Art

Das Verstummen der Krähe
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haben Kristina Mahlo und ihre Eltern zu ertragen: Kristinas Bruder Ben - jung, hochbegabt, risikofreudig und homosexuell - ist vor sechs Jahren verschwunden. Ein Umstand, an dem die Familie nahezu zerbrochen ...

haben Kristina Mahlo und ihre Eltern zu ertragen: Kristinas Bruder Ben - jung, hochbegabt, risikofreudig und homosexuell - ist vor sechs Jahren verschwunden. Ein Umstand, an dem die Familie nahezu zerbrochen ist und der jeden weiteren Schritt in ihrer aller Leben beeinflusst hat - so ist aus Kristina eine Nachlassverwalterin geworden, die die Interessen der Toten vertritt.

Ihr neuester Auftrag ist besonders kniffelig: Theresa Lenhardt überträgt Kristina testamentarisch die Verteilung ihres beträchtlichen Erbes - allerdings unter der Bedingung, dass sie zunächst einen Mord, für den Theresas Mann Fritz büßen musste - ein Schicksal, an dem er zugrunde ging, aufklärt. Rasch taucht im Verlauf von Kristinas Recherchen Bens Name auf und sie steckt mittendrin.

Nicht nur Kristina, sondern ihr gesamtes Umfeld, ihre MItarbeiterin, ihr Partner, Freunde, die Eltern werden in das Geschehen einbezogen und die Handlung gestaltet sich entsprechend lebhaft.

Kraftvoll und einprägsam beschreibt die Autorin Sabine Kornbichler Kristina und ihre Umgebung: es entsteht ein ausgesprochen atmosphärisch gezeichnetes Bild aller Schauplätze, der Leser kann sich bildhaft vorstellen mittendrin zu sein. Das einzige Manko ist aus meiner Sicht, dass einige der Abläufe, einige der Figuren zu widersprüchlich gezeichnet sind, um wirklich zu überzeugen.

Insgesamt aber ein ungewöhnlicher, wortstarker Krimi, der aus der Masse hervorsticht und im Gedächtnis bleibt: Sabine Kornbichler kann es wahrhaft mit den großen skandinavischen, englischen und amerikanischen Kolleginnen, bspw. mit Viveca Sten, Camilla Läckberg, aber auch mit Elizabeth George aufnehmen. Ihre Protagonistin, die Nachlassverwalterin Kristina Mahlo ist ein interessanter Charakter, der nachhaltig in Erinnerung bleibt. Ich wünsche der Autorin von Herzen, dass diese Reihe - denn es werden weitere Fälle mit Nachlassverwalterin Kristina Mahlo folgen - übersetzt wird und Lesern in anderen Ländern so viel Freude macht wie uns die angelsächsischen und skandinavischen Krimis!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Dramatische Erlebnisse im Italien der 1940er Jahre

Das Haus unter den Zypressen
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- also während und nach dem 2. Weltkrieg werden in diesem handlungsreichen und bewegenden Roman geschildert. Die Autorin Katja Maybach hat sich einer mehr als komplexen Herausforderung gestellt, ist doch ...

- also während und nach dem 2. Weltkrieg werden in diesem handlungsreichen und bewegenden Roman geschildert. Die Autorin Katja Maybach hat sich einer mehr als komplexen Herausforderung gestellt, ist doch die Geschichte Italiens während und nach dem zweiten Weltkrieg eine der wechselhaftesten, schicksalsschwersten und erlebnisreichsten in Europa überhaupt - und jeder, der sich zumindestens ein winziges bisschen damit befasst hat, weiß: das will was heißen!

Erzählt wird die Geschichte Giulianas, einer sehr jungen Frau, fast noch eines Mädchens, die nach dem Tode ihres geliebten Großvaters, bei dem sie seit dem Tod ihrer Eltern vor vielen Jahren lebte, zur ihr bis dahin unbekannten Großmutter - die vor Jahr und Tag mit einem sehr viel jüngeren Mann "abgehauen" war - in die Toskana fährt und dort in den Strudel des 2. Weltkriegs gerät. Langsam nur und zögernd wird ihre überaus vielschichtige Familiengeschichte aufgerollt. Und dann eröffnet sich ihr ein neues Kapitel: ihre eigene Liebesgeschichte, die - wie könnte es anders sein - ungemein kompliziert ist.

Die Einbettung dieser saftigen Schmonzette - im besten Sinne, versteht sich - in die Irrungen und Wirrungen der Geschichte Italiens der 1940er Jahre meistert die versierte Autorin mit Bravour. Gewohnt atmosphärisch kommt auch ihr neuester Roman - den sie in einer Zeit größten emotionalen Aufruhrs geschrieben hat - daher. Der Leser - bzw. vielmehr die Leserin, denn mit Sicherheit wird dieser Roman eher die weibliche Leserschaft "verführen" - radelt quasi mit Giuliana durch die Toskana, versteckt sich mit ihr vor dem Feind und durchlebt Tage und Nächte des Grauens, schmeckt aber andererseits auch die von ihrer Großmutter und von anderen Dorfbewohnern zubereiteten Delikatessen quasi auf der Zunge. Ein ganz kleines Manko sind die teilweise doch ein kleines bisschen an den Haaren herbeigezogenen Entwicklungen.

Kurzum: dieses Buch macht trotz der schwierigen und gefährlichen Epoche, in der es angesiedelt ist, Lust auf das Leben, Lust auf Genuss und nicht zuletzt Lust auf Italien. Und natürlich Lust auf weitere Roman von Katja Maybach, soweit man die noch nicht alle verschlungen hat. Wärmstens zu empfehlen für jeden, der gerne einen gelungenen, in die Zeit des 2. Weltkriegs eingebetteten Roman liest und es liebt, sich von der Geschichte packen zu lassen, darin zu schwelgen - auch für die männliche Leserschaft!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Eine sachliche Romanze

Die Frau des Botschafters
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Die Botschaftergattin Oda hat nicht viel zu tun - auf einem ihrer einsamen Spaziergänge im Botschaftsgarten in Helsinki kommt sie auf die Idee mal zu angeln - ihr Nichtkönnen wird belohnt - durch ein Geschenk: ...

Die Botschaftergattin Oda hat nicht viel zu tun - auf einem ihrer einsamen Spaziergänge im Botschaftsgarten in Helsinki kommt sie auf die Idee mal zu angeln - ihr Nichtkönnen wird belohnt - durch ein Geschenk: einen riesigen Fisch, den ihr ein älterer Herr mit einer knallroten Jacques-Costeau-Mütze auf den Bootssteg wirft. Langsam lernt Oda Klaus, der einen deutschen Vater hat, näher kennen und er sie: er erfährt, dass ihr Sohn schwerbehindert ist, sie erfährt, dass er seinen Vater - der als deutscher Soldat im 2. Weltkrieg in Finnland stationiert war, nie kennengelernt hat. Langsam entwickelt sich eine Freundschaft, die in einer Art gemeinsamen Road-Movie, einer mehr als verwegenen - jedoch alles andere als wilden - gemeinsamen Reise nach Deutschland mündet.

Zudem spielen der Botschafter Robert, Odas Ehemann sowie der Bibliothekar der deutschspachigen Bücherei in Helsinki eine jeweils nicht unwesentliche Rolle in dem ganzen - ja, Drama? Gesellschaftsstück? ich konnte es nicht eindeutig einordnen - der künftige Leser darf gespannt sein.

Nicht nur als Romancier outet sich Stefan Moster, nein, auch als eine Art Dokumentar der Zeitgeschichte und der jüngeren Vergangenheit - genau sind die Daten, an denen relevante Ereignisse stattfinden, fixiert: die Geschichte selbst spielt im Jahre 2011, was durch die Schilderung diverser gesellschaftspolitischer Ereignisse belegt wird, ein für die Handlung wichtiges Schlüsselerlebnis hat in früheren Zeiten, auf einer Wahlparty im Jahre 1987 in der damaligen Hauptstadt Bonn stattgefunden. Und natürlich wird die auch die Rolle Finnlands im 2. Weltkrieg, bzw. die damaligen deutsch-finnischen Beziehungen angesprochen.

Als eine sachliche Romanze - eine Romanze mit wechselnden Akteuren in der Hauptrolle - beginnt das Buch, wird zum Ende hin jedoch lyrischer und zarter.

Still und ein wenig spröde wie die finnische Landschaft - so wirkt Mosters Erzählstil auf mich. Man muss sich einlassen, hadert ab und an mit dem Gelesenen, um dann wieder die Bürde der Figuren verständnisvoll mitzutragen, bis zum - nein, nicht bitteren, sondern aus meiner Sicht versöhnlichen Ende. Der Autor schreibt gefällig, der Leser muss bereit sein, sich auf die Nuancen einzulassen, in denen sein Stil vom Herben zum Zarten, vom eher Strengen zum Lyrischen wechselt. Mit seiner Sprache Bilder malen - das vermag der Autor dennoch in jeder Situation - man kann sich den Botschaftsgarten, in dem Oda ihre Runden zieht, die Ostsee, das Pflegeheim, in dem der Sohn betreut wird, die Wahlparty in den 1980ern tatsächlich bildlich vorstellen.

Ein fesselndes Buch, doch mir persönlich zeitweilig dann doch zu widersprüchlich, nicht durchgehend konnte ich mich bedingungslos darauf einlassen. Trotzdem eine vorbehaltlose Empfehlung meinerseits - für Leser, die stille, intelligente Romane lieben und die nicht daran glauben, dass es immer so weitergehen muss wie bisher!