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Veröffentlicht am 30.12.2017

Alte Autoren neu entdecken

Österreichs vergessene Literaten
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...kann man mit diesem Buch von Clemens Ottawa, wobei "alt" relativ ist: Eine
ganze Reihe dieser vergessenen Autoren ist überaus früh verstorben und sind
möglicherweise gerade deswegen in Vergessenheit ...


...kann man mit diesem Buch von Clemens Ottawa, wobei "alt" relativ ist: Eine
ganze Reihe dieser vergessenen Autoren ist überaus früh verstorben und sind
möglicherweise gerade deswegen in Vergessenheit geraten. Dazu gehören Vertreter
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie Clemens Eich, Manfred Maurer,
Reinhard Priessnitz und Meta Merz ebenso wie Protagonisten früherer Epochen wie
Robert Müller, Raimund Berger und die aus meiner Sicht besonders
wiederentdeckenswerte Hertha Kräftner. Insgesamt erstreckt sich die zeitliche
Bandbreite über mehrere Jahrhunderte - BarockautorInnen des 17. Jahrhunderts
finden hier ebenso ihren Platz wie Schriftsteller des 19. und des 20.
Jahrhunderts.

Doch auf der anderen Seite hat es mich erstaunt, Namen wie
Jakob Wassermann, Gina Kaus und Hannelore Valencak hier zu finden - Autoren, die
meiner Ansicht nach gegenwärtig durchaus präsent sind und auch diskutiert werden
- also zu Unrecht den vergessenenen Autoren zugerechnet werden, auch wenn ich
mich gefreut habe, in diesem Buch über sie zu lesen - neu waren die
diesbezüglichen Angaben jedoch nur zu einem Teil.

Kurz sind hier die
Begegnungen mit den Literaten vergangener Zeiten, nur 2 bis 4 Seiten lang kann
man sich auf jeden von ihnen einlassen. Einige Informationen zur Person, danach
ein kurzer Ausschnitt aus dem jeweiligen Werk - wirklich nur ein Blitzlicht, das
aus meiner Sicht oft gar keinen richtigen Eindruck vermitteln kann. Mein
Interesse konnte in der Regel eher durch die Informationen zur Person geweckt
werden als durch den Einblick ins literarische Werk.

Was ich besonders
toll fand: Clemens Ottawa hat auch vielen Autorinnen ein Plätzchen eingeräumt -
man hat hier die Chance, fast genauso viele in Vergessenheit geratene weibliche
wie männliche Autoren kennenzulernen. Für mich gab es hier
geschlechterübergreifend eine Menge interessanter neuer Bekanntschaften, die es
nun zu vertiefen gilt wie bspw. die mit Grete Zeemann und Hermynia von zur
Mühlen, Georg Fröschel oder Else Jerusalem.

Der Autor hat den Mut gehabt,
politisch unkorrekte Autoren mit einzubeziehen - also vor allem solche, die mit
den Nazis sympathisiert haben. Aus meiner Sicht die richtige Entscheidung, denn
auch sie sind Teil der österreichischen Literaturgeschichte, auch wenn man ihrem
Gedankengut nicht folgen muss, ihre Texte möglicherweise nicht in aller
Ausführlichkeit rezipieren will. So gibt es interessante Einblicke in das Leben
von Grete von Urbanitzky, einer zerissenen Persönlichkeit auf politischen
Abwegen, über deren Biografie ich gleichwohl gern mehr erfahren
würde.

Was mich ein wenig betrübt hat, waren die oft ausgesprochen kurzen
biographischen Angaben, so bspw. zu Hildegard Jone, von der mir wenig mehr als
der Name in Erinnerung bleiben wird. Oft hatte ich das Gefühl, der Autor hat
aufgehört zu recherchieren bzw. zu schreiben, wenn es gerade interessant wurde.
Auch die Ausschnitte aus den literarischen Werken hätten gerne etwas länger bzw.
in einigen Fällen anders ausgewählt sein können, manche davon haben einfach zu
wenig Biss.

Insgesamt aber ein wertvolles und informatives Buch, das ich
sicher noch oft zur Hand nehmen werde.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Penny Lane is in my ears and in my eyes

Abbey Road Murder Song
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... und spielt auch in diesem Buch eine ganz besondere Rolle - allerdings auch in einer ganz besonderen Form. Überhaupt: die Beatles als Rahmen und als Hintergrund swingen sich nur so durch den Krimi - ...

... und spielt auch in diesem Buch eine ganz besondere Rolle - allerdings auch in einer ganz besonderen Form. Überhaupt: die Beatles als Rahmen und als Hintergrund swingen sich nur so durch den Krimi - man bekommt eine Vorstellung von dem Hype um sie in London in den roaring sixties.

Aber das alles geschieht eher am Rande - dieser kluge und anschauliche Krimi vermittelt ein Bild des England der 1960er Jahre in sehr vielen Belangen - als einen noch sehr traditionellen Hort der Gesellschaft, in dem Frauen - wie in Deutschland auch - beruflich stark benachteiligt wurden. Detective Cathal Breen - auch er mit beruflichen Problemen, da er jahrelang für seinen kranken, nun gerade verstorbenen, Vater gesorgt hat und teilweise von seinen Aufgaben überlastet scheint, bekommt mit Helen Tozer eine Kollegin zur Seite - ein ungeheures Novum, sind Frauen bei der Polizei doch eigentlich in separaten Abteilungen organisiert, in denen sie ein Schattendasein führen. Zusammen sollen sie den Mord an einem jungen Mädchen, das quasi im Müll gefunden wurde, aufklären.

Neben der Gender-Problematik widmet sich Shaw hier dem Rassismus, dem Generationenkonflikt und natürlich der sozialen Lage in den 60er Jahren im allgemeinen - und bei keinem dieser Themen bleibt er an der Oberfläche. Ab und zu geschieht dies auf Kosten der Spannung, aber er fängt sich immer wieder. Ein ungewöhnliches Buch, dessen Lektüre sich auf jeden Fall lohnt, auch wenn es für manch einen starker Tobak sein mag - nicht wegen der Brutalität der kriminellen Szenen, sondern ganz einfach wegen der Brutalität des Alltags: bei Sätzen wie "Ich war schon immer dagegen, dass weibliche Beamte die Aufgaben von Männern übernehmen" muss man schon schlucken - und ist heilfroh, als berufstätige Frau im Hier und Jetzt zu leben.

Auch wenn es ein Krimi war: zeitweise fühlte ich mich versetzt in "We want Sex", Nigel Coles wunderbaren Film zur Situation der Arbeiterinnen in den 1960er Jahren in England - hier ging es zwar um einen höher qualifizierten Job, aber die Polizistinnen befanden sich in derselben Situation und mussten für jedes kleine Fitzelchen ihrer Rechte kämpfen. William Shaw vermag diese Situation ganz genau wie sein Geschlechtsgenosse Cole ganz wunderbar zu transportieren. Also ein Buch für Frauen? Nein, definitiv nicht bzw. nicht nur - einfach ein Buch für gesellschaftlich Interessierte, die es gern ein wenig spannend mögen.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Krimi mit Stil

Die satten Toten
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...wenn auch mit einigen Unwägbarkeiten und zahllosen offen gelassenen Fragen! Nun, niemand ist perfekt - auch nicht Karl Kane, der glücklose Privatdetektiv mit seinen Dauerproblemen - schmerzenden Hämorrhoiden, ...

...wenn auch mit einigen Unwägbarkeiten und zahllosen offen gelassenen Fragen! Nun, niemand ist perfekt - auch nicht Karl Kane, der glücklose Privatdetektiv mit seinen Dauerproblemen - schmerzenden Hämorrhoiden, einer gescheiterten Ehe, schwierigen Beziehungen zu Tochter und Lebensgefährtin - und sein Autor Sam Millar. So weist das vorliegende Werk, der 2. Band um Kane, einige Schwachstellen auf, besticht jedoch durch Stil, Charme und Gefühl... eine Seltenheit bei einem richtig harten Krimi bzw. Thriller!

Der Autor hat erneut ein spannendes Werk, das in der wohl zerrissensten Stadt Westeuropas, in Belfast spielt, vorgelegt: Wieder pflastern Leichen den Weg von Karl Kane, einem ehemaligen Polizisten und Detektiv, der in echter Noir-Manier daherkommt und dem auch diesmal neben einem Hauch von Coolness die Rolle des Losers zunächst scheinbar unabdingbar anhaftet.

Diesmal gerät Kane in die Ermittlungen um entführte, gefolterte und qualvoll ermordete Mädchen - die zudem vor ihrem Tod noch zwangsgemästet wurden. Kane ist eine Art Unglücksrabe unter den Detektiven: es mangelt ihm an Geld, er ist getrennt von Frau und Tochterund nicht gerade erfolgreich als Detektiv - und vor allem: er wird von der Welt nicht so recht verstanden. Auch Naomi, seine junge und hübsche Geliebte, die ihn zudem bei der Arbeit unterstützt, reagiert zunehmend verständnisloser. In einigen Facetten erschien mir die Figur des Karl Kane als eine Art männliche Claire DeWitt, Heldin der außergewöhnlichen Krimis von Sara Gran.

Die brutale und spannende Geschichte wird stilvoll, eloquent und mit Gefühl und Charme erzählt, wodurch auch ein wenig zartbesaitetere Leser wie ich bei der Stange bleiben, obwohl es gnadenlos zur Sache geht. Karl Kanes Feldzug gegen den brutalen Killer ist in bester Noir-Manier, stilvoll, teilweise kühl und meist wie aus der Ferne geschildert - für Freunde knallharter, moderner Thriller, die mittendrin sein möchten, vielleicht ein wenig zu manieriert, für Liebhaber des gehobenen Erzählstils, feiner literarischer Anspielungen und gekonnt gewählter, immer passender und spitzfindiger Zitate - die am Anfang jedes Kapitels stehen und für mich einen besonderen Leckerbissen darstellen - jedoch genau das Richtige. Allerdings bleibt leider doch einiges offen, anderes wiederum ist nicht ganz nachvollziehbar von der Logik her.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein menschenscheuer antiquarischer Buchhändler

Das Buch der Fälscher
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... aus einem kleinen Ort in den Staaten, der gerade den für ihn größtmöglichen Verlust - nämlich den Krebstod seiner über alle geliebten Frau Amanda - erlitten hat, gerät durch einen Zufall in einen ganzen ...

... aus einem kleinen Ort in den Staaten, der gerade den für ihn größtmöglichen Verlust - nämlich den Krebstod seiner über alle geliebten Frau Amanda - erlitten hat, gerät durch einen Zufall in einen ganzen Strudel von Ereignissen. Er tätigt einen Fund, der sein ganzes Leben verändern sollte - und zwar das bereits vollendete bzw. seinen Blick auf dieses wie auch das zukünftige.

Dies geschieht in England, wo Peter Byers - so der Name des akademisch gebildeten Buchhändlers - schon mit seiner Frau Amanda, die einer berühmten Dynastie von Buchsammlern entstammte und deren Großmutter die Bibliothek der Universität, an der sie ihren späteren Mann kennenlernte, oft war und nach Büchern suchte.

Die Geschichte spielt in drei zeitlichen Ebenen: einmal in den 1980er Jahren in den Staaten, dann 1994/5 hauptsächlich in England und in einemvom 16. bis zum 19. Jahrhundert reichenden Rückblick, im dem die Geschichte von Peters Fund quasi von hinten aufgerollt wird und ist - dieses ist ihr ganz, ganz großes Plus - ausgesprochen atmosphärisch und mitreißend geschildert, die Charaktere werden eindrücklich skizziert, so dass der Leser sie bildhaft vor Augen hat. Der Leser findet sich wieder im England der Shakespeare-Zeit, des 18. und 19. Jahrhunderts... und liegt quasi mit Peter und Amanda im Bett bzw. in der Bibliothek, wo sich einige der - nicht zu aufdringlich geschilderten - Liebesszenen abspielen.

Keine Frage, Charlie Lovatt kann schreiben und ihm ist ein emotionales und mitreißendes Buch gelungen, das an keiner Stelle kitschig ist. Mit wenigen Worten vermag er den Leser so auf das Setting einzustimmen, mit der jeweiligen Szenerie vertraut zu machen, dass man sich sofort einfindet. Aber leider ist das Ende, die Auflösung lange nicht so rund wie der Rest des Romans. Peters Handlungen habe ich als teilweise widersprüchlich und seinem sehr zurückhaltenen Naturell entgegenstehend empfunden, auch die Einbindung weiterer Akteure, vor allem der Schuldigen, war nicht ganz so glatt. Über das letzte Drittel des Romans erfasste mich also ein ungutes Gefühl, das sich kontiuierlich steigerte - aber selbst dieses vermochte den Genuß, den der überwiegende Teil des Buchs mir bereitet hat, nicht auszulöschen!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein Auswärtsspiel mit Volltreffer

Almuth spielt auswärts
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zumindest in erotischer Hinsicht und noch dazu mit einem 15 Jahre jüngeren Mann - das gelingt der fußballverrückten Haus- und Ehefrau Almuth unerwarteter- und unfreiwilligerweise bei einer Reise mit ihren ...

zumindest in erotischer Hinsicht und noch dazu mit einem 15 Jahre jüngeren Mann - das gelingt der fußballverrückten Haus- und Ehefrau Almuth unerwarteter- und unfreiwilligerweise bei einer Reise mit ihren Freundinnen - alle drei um die 60 - in die Schweiz. Ansonsten werfen die Erlebnisse eher Fragen in ihr auf - wie weit wird, wie weit kann Almuth gehen?

Ein lustiges, ein ungewöhnliches Buch mit einer sensationellen Protagonistin - der ältlichen Almuth, seit 33 Jahren mit dem Lehrer Günther verheiratet und Mutter von Karsten - und seit Jahren Riesenfan vom FC Barcelona, wegen dem sie sich sogar ein paar Brocken Spanisch angeeignet hat. Doch es sind Träume, die Almuth in ihrem festgefahrenen Alltag hegt - Träume, die Schäume bleiben, oder die sich zu etwas Konkretem verfestigen.

Almuth und ihre Freundinnen wie auch die anderen Figuren sind mit viel Humor gezeichnet, aber bei jeder steckt was dahinter - gekonnt vermengt Autorin Ernstes und Lustiges zu vielschichtigen, komplexen Charakteren, die einen zwar humorvollen, doch alles andere als oberflächlichen Roman , der leider einige Längen aufweist, bevölkern. Eine Autorin, die Botschaften zu versenden hat, die betonen will, dass es wichtig ist, das Gute im Leben zu erkennen und zu genießen und sich selbst nicht nur in Ausnahmefällen etwas zu gönnen - kurzum, sich selbst zu lieben oder zumindest zu achten.

Ein liebenswerter Roman vor allem für Damen in der zweiten Lebenshälfte, den ich sicher häufiger verschenken werde - an alle in meinem Umfeld, denen ich einen Freude machen möchte und die gut, aber nicht ohne Anspruch unterhalten werden wollen.