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Veröffentlicht am 30.12.2017

Das weibliche Leseverhalten im Wandel der Jahrhunderte

Frauen und Bücher
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...wird hier von Autor Stefan Bollmann, keineswegs ein Neuling auf diesem Themengebiet, dokumentiert. Ein wunderschöner Band, veredelt mit Bildern und Zitaten verschafft dem Leser - oder vielmehr in den ...

...wird hier von Autor Stefan Bollmann, keineswegs ein Neuling auf diesem Themengebiet, dokumentiert. Ein wunderschöner Band, veredelt mit Bildern und Zitaten verschafft dem Leser - oder vielmehr in den meisten Fällen wohl der Leserin - Begegnungen mit so prominenten Literaturrezipientinnen vergangener Tage wie Jane Austen, Virginia Woolf und Susan Sontag - den meisten von uns bisher hauptsächlich als Autorinnen bekannt, aber auch mit etwas weniger bekannten wie Meta Klopstock und Caroline Schlegel. Desweiteren geht es um die Rezeption bekannter Werke im Wandel der Zeiten - hier stehen so bekannte Bücher wie "Die Leiden des jungen Werther" und "Ulysses" im Fokus, aber auch wesentlich Unbekanntere, deren Popularität dem Wandel des Zeitgeists nicht standhalten konnte.
Unterhaltsam und informativ - für die historisch begeisterte Leserin jedoch einerseits mit Längen, andererseits mit - natürlich schlecht vermeidbaren - Lücken. Was war mit den Frauen im Deutschland der Weimarer Republik, der wilden 1920er jahre? Wie rezipierten Französinnen ihre großen Autoren Zola und Proust zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Diese und viele, viele weitere Fragen stellten sich mir während des Lesens - eigentlich ja sehr positiv, denn Lesen soll zum Weiterdenken anregen.
Klug und zumeist geistreich stellt Autor Bollmann den Zusammenhang zwischen Lesen und Schreiben, zwischen Lesen und der Gesellschaft, zwischen Lesen und der Politik dar, aber eines bleibt auf der Strecke - wie verlief die Entwicklung der lesenden Frauen im Vergleich zu der der Männer? Dass ihr Anteil zunahm, dass sie differenzierter und aktiver in den Lesebetrieb eingriffen - keine Frage! Aber was war mit dem Werk unseres Freundes Joyce, dem der Autor ein ganzes Kapitel widmet, aus weiblicher Sicht eigentlich anders? So richtig kommt dieser Aspekt an einigen Stellen leider für mich nicht rüber.
Anderseits verliert sich der Autor zeitweise in Kleinigkeiten - ich zumindest musste mich immer mal wieder zusammenreißen, um am Ball zu bleiben, trotz meiner grundsätzlichen Begeisterung.
Diese schwand dann endgültig zum Ende des Buches, wo Bollmann - in der Gegenwart angekommen - zunächst ein ganzes Kapitel der Fanfiction widmete, ohne groß auf Parallelentwicklungen wie Online-Lesekreise zu den verschiedensten Themen und die dadurch bedingte neuartige Einflussnahme der Leser auf die Autoren, Open Innovation im Literaturbetrieb also, einzugehen. Desweiteren erschlossen sich mir hier die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen der Fanfiction frönenden Lesern wiederum nicht. Und zum Schluss kam es dann ganz dicke: als einziges Beispiel für die Gegenwart diente "Shades of Grey" , ein Werk, das ich mit Sicherheit niemals lesen werde und das für mich nicht charakteristisch für das Lese- und Schreibverhalten der Gegenwart ist, zumindest nicht als alleinige, isoliert stehende Darstellung.
Mein Fazit - man erfährt vieles in diesem Buch, vieles - möglicherweise noch viel mehr - erfährt man jedoch nicht. Ein roter Faden zum Leseverhalten der Frauen im Wandel der Jahrhunderte zieht sich zu meinem Bedauern nicht durch das Buch, so dass es für mich wahrscheinlich eine Momentaufnahme ohne allzugroßen Erinnerungswert bleiben wird.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Tee trinken, ihn verkaufen und Morde aufklären

Göttinnensturz
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das tut die charismatische, übersinnlichen Themen nicht abgeneigte Exjournalistin Berenike im schönen Salzkammergut. Diesmal stößt die auf die erdrosselte Monika - Zufall oder Mord, das Band der Dirndlschürze ...

das tut die charismatische, übersinnlichen Themen nicht abgeneigte Exjournalistin Berenike im schönen Salzkammergut. Diesmal stößt die auf die erdrosselte Monika - Zufall oder Mord, das Band der Dirndlschürze hat sich um den Hals gewunden. Die Gute war zu Lebzeiten einerseits überaus lebenslustig, andererseits nationalsozialistischem Gedankengut nicht abgeneigt. Und es folgen weitere Leichen, die gewisse Rückschlüsse zulassen....

Auch Berenikes Liebster, der hübsche Kommissar Jonas, taucht auf - und mit ihm Wolken am Horizont. Wird die bucklige, aber attraktive Franziska ihn ihr ausspannen? Lebenslust und heitere Liebesreigen durchzogen von dunkleren Wolken - wenn mal ein/e Dritte/r btrogen wird - das scheint das Markenzeichen des Salzkammerguts zu sein.

Nun ja, wir alle wissen, dass man am Wolfgangsee gut lustig sein kann, dass sich dort aber auch jede Menge Leichen rumtreiben, das ist neu! Anni Bürkl schreibt durchaus atmosphärisch, lässt Lokalkolorit aufblitzen - manchmal wird es jedoch ein wenig fahrig oder gar wirr. Und der Schluss hinterlässt leider alles andere als Befriedigung. Schade - gerade bei einer so besonderen Protagonistin wie Berenike, die jede Menge Alleinstellungsmerkmale aufweist und somit eigentlich flink zu Österreichs Ermittlerin Nr. 1 aufsteigen könnte, hätte ich ein bisschen mehr erwartet. Nun, vielleicht dann in Berenikes fünftem Fall!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein nur mittelmäßiger literarischer Sturm

Vor dem Sturm
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Ein Sturm zieht auf: in 12 Tagen wird hier das Leben um den Hurricane Katrina geschildert, vor allem das Warten, die Vorbereitungen auf ihn, aber auch das Erleben und Überstehen des Sturmes. Dabei erhält ...


Ein Sturm zieht auf: in 12 Tagen wird hier das Leben um den Hurricane Katrina geschildert, vor allem das Warten, die Vorbereitungen auf ihn, aber auch das Erleben und Überstehen des Sturmes. Dabei erhält der Leser Einblick in das Leben einer Familie am Rande der Gesellschaft - der verwitwete Vater, der stark an der Flasche hängt, drei Söhne und die fünfzehnjährige Tochter Esch, durch deren Perspektive dem Leser das Geschehen vermittelt wird. Esch ist ausgesprochen intelligent, hoffnungslos in ihrer Armut, hoffnungsvoll in ihrer Liebe zum anderweitig gebundenen, nicht viel älteren Manny - und von ihm schwanger.

Die Geschicke der Familie werden begleitet von denen der Hündin China und ihres zu Anfang des Buchs geborenen Nachwuchses - Lebensinhalt von Skeetah, einem von Eschs Brüdern - ein Strang, der die Handlung teilweise dominiert, ja beherrscht. Mir war eindeutig zu viel Hund in der inhaltlichen Entwicklung präsent, was meine Konzentration immer wieder schwächeln ließ - hier fiel es mir besonders schwer, am Ball zu bleiben.

Es braut sich so einiges zusammen in diesem Buch und so ist das stürmische Finale mit einigen Einschränkungen durchaus ein fulminantes, das für mich den Gesamteindruck vom Buch noch einmal ein wenig nach oben korrigierte... ohne dieses wäre mein Urteil um einiges negativer ausgefallen. Hier geht es um Sich-Finden, um Neuanfang, um Hoffnung - so lernt Esch, dass sie nicht - wie sie meinte, erkannt zu haben - keinen, sondern viele Väter für ihr Kind hat.

Dieses Buch strotzt nur so vor Symbolik, aber leider nicht vor (Aussagekraft). Zu umständlich die Sätze, zu fahrig und verstreut die Metaphern. Ersteres liegt ganz sicher an der Übersetzung von Ulrike Becker, die - soweit ich es beurteilen kann - dem Werk und den Ambitionen der jungen Autorin einfach nicht gerecht wird. Aussagen wie "Das Licht im Bad ist dick..." (S. 111) haben mir das Lesen teilweise doch recht schwer gemacht. Wobei ich auch sehr hohe Erwartungen hatte: ich habe vor einigen Jahren mit Begeisterung "Winters Knochen" von Daniel Woodrell gelesen, das in einer ähnlichen Umgebung unter vergleichbaren Bedingungen spielt und mich nachhaltig beeindruckt hat. Dem konnte dieses Buch aus meiner Sicht nicht im Entferntesten das Wasser reichen. Ich denke, als Verfilmung würde mir die Handlung wesentlich mehr zusagen. Dennoch gebe ich eine bedingte Leseempfehlung: an Rezipienten, die eine blumige, ausführliche - um nicht zu sagen, ausschweifende - Sprache lieben, sich von teilweise ungeschickten Übersetzungen nicht schrecken lassen - oder direkt zur Originalliteratur greifen. Natürlich auch an Liebhaber neuester amerikanischer Literatur mit einem Hang zu den Südstaaten.

Ich selbst werde die Autorin im Auge behalten, aber vorerst weiter zu Werken von Daniel Woodrell und anderen von mir geschätzten Autoren der neuen Welt greifen.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Erinnert zu sehr an Flavia de Luce

Die Eistoten
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Keine Frage, Christian Buder kann schreiben - glatt und elegant gleitet man förmlich in die Geschichte der 11jährigen - die Zahl 11 wird in dem Buch noch eine herausragende, sehr geheimnisvolle Rolle spielen ...

Keine Frage, Christian Buder kann schreiben - glatt und elegant gleitet man förmlich in die Geschichte der 11jährigen - die Zahl 11 wird in dem Buch noch eine herausragende, sehr geheimnisvolle Rolle spielen - Alice, die hochbegabt ist, sich mit Wittgenstein austauscht, in der eigenen Familie jedoch nicht immer auf Verständnis stösst, hinein. Der Stil ist anspruchsvoll, die Figuren witzig, der Rahmen - ein winziges Dorf im Allgäu in der allerkältesten Jahreszeit - originell und gut gewählt, zudem verwöhnt uns der Autor mit Sätzen wie "Auch Bücher sterben ...nur viel langsamer. Und selbst sterbend hatten sie noch viel zu erzählen! (S.24)"

Alice selbst ist eine ungewöhnliche, facettenreiche Figur, die nicht nur Wittgenstein, sondern auch auf andere Gestalten wie bspw. Sokrates trifft. Sie hat es nicht einfach: der Vater ein verschlossener Kommissar, die Mutter vor Jahren am Tag vor dem Heiligen Abend verstorben - ermordet, meint Alice, die Schwester ein nerviger Teenie... der Großvater ist schon auf ihrer Seite, kann aber nicht immer mithalten... Es geht um eine Reihe an Toten, die immer am 23. Dezember auftauchen - seit 10 Jahren wiederholt sich dies in jedem Jahr, doch gibt es noch mehr Tote. Auch Alice scheint in Gefahr zu sein und dann steht auch noch ihr geliebter Großvater unter Verdacht...

Trotz aller Schwierigkeiten, die sich ihr in den Weg stellen, kämpft Alice weiter und arbeitet verbissen an der Lösung des Falles.

Leider schwächelt das Buch am Ende: das ist vor allem sehr absehbar: ich hatte den Mörder ab dem 2. Drittel des Buches zumindest als möglichen Täter, auf jeden Fall aber als jemanden, der ziemlich tief mit drinhängt, im Blick und normalerweise tue ich mich beim Finden solcher Lösungen eher schwer.

Wunderschön geschrieben und anfänglich auch spannend - doch leider ist mir alles viel zu nahe dran an der großartigen Flavia de Luce, der Serienfigur in den Büchern von Alan Bradley : Buders Buch spielt zwar in Deutschland und in der Gegenwart, aber es gibt massenweise Parallelen - beide Protagonistinnen leben ausgesprochen ländlich und sind ungewöhnlich helle für ihr Alter, haben nervige Schwestern: hier eine, da zwei, beide Mütter leben nicht mehr, die Schwestern geben Alice/Flavia die Schuld daran....auch das Alter stimmt mehr oder weniger überein - und die Schwestern sind jeweils älter.

Obwohl Überirdisches vorkommt - in Form von Alices Erscheinungen, die jedoch genauso gut der Fantasie eines unterforderten Mädchens entspringen können - hat die Geschichte für mich nichts mit herkömmlichem Fantasy zu tun. Die Verbindung zu Wittgenstein hätte eleganter herausgearbeitet werden können, um auch eine Distanz zu Flavia de Luce herzustellen, die aus meiner Sicht überhaupt nicht gegeben war.


Was mir gefiel - das Lokalkolorit war gut hineingebracht, teilweise war die Handlung auch wirklich sehr spannend - aber irgendwann kam dann nichts Neues mehr.

Trotzdem würde ich auch das nächste Buch der Serie lesen wollen - der Stil gefällt mir wirklich gut und vielleicht kommen noch ein paar Alice-spezifischere Eigenschaften zum Tragen. Und... möglicherweise kann das Ende dann überraschen!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Sie hat immer einen Plan

Der Verrat
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In die Welt drittklassiger Promis gerät die Autorin und Journalistin
Stephanie, die sich ihre Brötchen vor allem als Ghostwriterin für
Biographien verdient, unmittelbar, als sie darum gebeten wird, Scarlett
Higgins, ...

In die Welt drittklassiger Promis gerät die Autorin und Journalistin
Stephanie, die sich ihre Brötchen vor allem als Ghostwriterin für
Biographien verdient, unmittelbar, als sie darum gebeten wird, Scarlett
Higgins, einen wirklich drittklassigen C-Prominten, die durch eine
Reality-Show Berühmtheit erlangt hat und es schafft, diese auf einem
gewissen Level auch zu halten.

Das Unerwartete geschieht - die
beiden Frauen freunden sich an, Steph wird zu Scarletts Vertrauter auch
in einer ausgesprochen schweren Zeit, in der bei ihr Brustkrebs
festgestellt wird, der zunächst geheilt werden kann, dann jedoch ein
tödliches Ende nimmt. Denn Scarlett ist nicht so oberflächlich wie es
scheint: sie hat vielseitige Interessen und Kenntnisse - und vor allem
hat sie immer einen Plan.

Als klar wird, dass Scarlett nicht
überleben wird, vertraut sie Steph testamentarisch ihren 5jährigen Sohn
Jimmi anvertraut und die alleinstehende Steph zögert keine Sekunde, die
Verantwortung zu übernehmen, auch als herauskommt, dass Jimmi nicht ein
müdes Pfund erbt. Um das traumatisierte Kind und sich selbst auf andere
Gedanken zu bringen, plant Steph - durchaus unter größeren finanziellen
Mühen - einen Urlaub in Kalifornien. Und dann wird Jimmi bei der Ankunft
in den Staaten auf dem Flughafen entführt, für Steph folgt ein
intensives Verhör, in dessen Verlauf sie Scarletts, Jimmis und ihre
eigene Geschichte erzählt.

Ein toll geschriebenes, eindringliches
Buch mit intensiv und wirkungsvoll dargestellten Charakteren - keine
Frage, dass die seit Jahren erfolgreiche Autorin Val McDermid schreiben
kann wie sonst kaum eine.

Dennoch erlebte ich diesmal gleich aus
mehreren Gründen eine herbe Enttäuschung, obwohl ich das Buch bis zum
Ende mit Genuss gelesen habe. Der Hauptgrund - die Auflösung war einfach
viel zu absehbar und deutete sich für mich im großen und ganzen bereits
im ersten Drittel des Buches an.

Dass "Der Verrat" kein
knallharter Thriller, sondern eher eine sich ruhig entwickelnde
Charakter- und Milieustudie ist, hat mich hingegen kein bisschen
gestört - ein Profi, eine Autorin der Extraklasse wie Val McDermid kann
sich sowas leisten.

Doch ein bisschen erinnert es mich an die
letzten Werke ihrer Landsmännin Barbara Vine, wo inhaltlich einfach
schon die Luft raus ist, das aufgebaute Konstrukt von "Suspense" - um
einmal den berühmten, von Hitchcock geprägten Begriff zu bemühen - und
Spannung nicht aufrecht erhalten werden kann und irgendwann wie eine
Seifenblase platzt. Mit Sicherheit keines von McDermids Paradestücken.
Wer jedoch gut geschriebene Spannungsliteratur liebt, der kann mit
diesem Buch nichts falsch machen.