Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.12.2017

Eingenommen von Wiedertäufern

Die Frau des Täuferkönigs
0

...ist die Stadt Münster im 16. Jahrhundert und wird fleißig belagert von der Truppen des katholischen Bischofs, der sie wiedererobern will. Eine blutige Angelegenheit auf beiden Seiten, wird ein Menschenleben ...

...ist die Stadt Münster im 16. Jahrhundert und wird fleißig belagert von der Truppen des katholischen Bischofs, der sie wiedererobern will. Eine blutige Angelegenheit auf beiden Seiten, wird ein Menschenleben doch nicht allzu ernst genommen.
Mittendrin Emanuel mit seinen Mitstreitern - ihres Zeichens Gaukler, de facto aber ein windiges Trüppchen, das seine Hände nicht bei sich behalten kann, wenn fremdes Eigentum lockt und einige andere üble Streiche auf Lager hat. Gutsherr Everhard Clunsevoet setzt sie nun unter Druck: sie sollen seine Tochter Amalia aus dem belagerten Münster herausholen - als Pfand behält er Emanuels über alles geliebte Tochter Mieke, der ein übles Schicksal droht, wenn das Trüppchen seinen Auftrag nicht erledigt....

Aber ihnen gelingt das schier Unmögliche - Eintritt in Münster zu erlangen. Dort allerdings warten einige Überraschungen auf sie...
Gut geschrieben und flott erzählt ist dieser historische Roman von Michael Wilcke - allerdings hapert es ein wenig mit Beschreibungen von Lokalitäten und Figuren - das Atmosphärische ist also nicht immer ganz gegeben. Zu keiner Stelle habe ich mich ins Münster des 16. Jahrhunderts versetzt gefühlt und nur wenige der Figuren wurden vor meinen Augen so richtig lebendig. Zudem - und das ist nun wirklich mein Privatvergnügen - hätte ich mir ein wenig mehr "Wiedertäufertum" gewünscht - historische Fakten wurden zwar erläutert, doch war die Bewegung an sich eher ein Thema am Rande.

Für Leser, die spannende Abenteuerromane mit historischem Hintergrund und einer ordentlic

Veröffentlicht am 30.12.2017

Beklemmende Düsternis

Seelen im Eis
0

Yrsa Sigurdardottír von ihrer eher nachdenklichen Seite: Odínn, ein Angestellter der Staatlichen Kontrollbehörde, bekommt einen Fall aus vergangenen Zeiten auf den Tisch: es geht um Todesfälle in einer ...

Yrsa Sigurdardottír von ihrer eher nachdenklichen Seite: Odínn, ein Angestellter der Staatlichen Kontrollbehörde, bekommt einen Fall aus vergangenen Zeiten auf den Tisch: es geht um Todesfälle in einer Erziehungsanstalt in den 70er Jahren. Ein Fall, den er von seiner verstorbenen Kollegin beerbt hat, die sich hier ungewöhnlich engagiert hatte. Hängt ihr Tod damit zusammen? Was hat es mit den "alten" Fällen auf sich? Odínn ermittelt engagiert, versucht aber gleichzeitig, sein vor wenigen Monaten kompliziert gewordenes Privatleben in den Griff zu bekommen: Seit seine Exfrau beim Sturz vom Balkon ums Leben gekommen ist, hat es für ihn einen extremen Rollenwechsel gegeben: vorher ein Wochenendvater, ist er jetzt als Alleinerziehender rund um die Uhr verantwortlich für seine Tochter Rún. Mit einer - sowohl für ihn als auch für Rún - unliebsamen Schwiegermutter muss er sich auch noch rumschlagen.

Der Leser erhält durch Rückblenden parallel Einblick in die Ereignisse der 70er Jahre. Spannend und gruslig ist das alles nicht, vielmehr ausgesprochen beklemmend. Ich hatte durchgehend die Heimkinder bzw. eigentlich ja schon Jugendlichen der 60er und 70er Jahre in Deutschland vor Augen, deren Leid von der damaligen linken Bewegung aufgedeckt und teilweise auch instrumentalisiert wurde.

In Island ist alles viel bedächtiger, abseits von der Tagespolitik gehen die gesellschaftlichen Entwicklungen ihren Gang. Tristesse zieht sich durch das Buch, so richtig fröhlich geht es zu keiner Zeit zu. Obwohl der Schreibstil der Autorin gewohnt gut ist, ist es ihr diesmal aus meiner Sicht leider nur teilweise gelungen, Atmosphäre zu schaffen, den Leser mitzunehmen. Ich jedenfalls bin immer wieder auf der Strecke geblieben. Definitiv nicht mein Lieblingsbuch dieser eigentlich von mir favorisierten isländischen Autorin!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Das weibliche Leseverhalten im Wandel der Jahrhunderte

Frauen und Bücher
0

...wird hier von Autor Stefan Bollmann, keineswegs ein Neuling auf diesem Themengebiet, dokumentiert. Ein wunderschöner Band, veredelt mit Bildern und Zitaten verschafft dem Leser - oder vielmehr in den ...

...wird hier von Autor Stefan Bollmann, keineswegs ein Neuling auf diesem Themengebiet, dokumentiert. Ein wunderschöner Band, veredelt mit Bildern und Zitaten verschafft dem Leser - oder vielmehr in den meisten Fällen wohl der Leserin - Begegnungen mit so prominenten Literaturrezipientinnen vergangener Tage wie Jane Austen, Virginia Woolf und Susan Sontag - den meisten von uns bisher hauptsächlich als Autorinnen bekannt, aber auch mit etwas weniger bekannten wie Meta Klopstock und Caroline Schlegel. Desweiteren geht es um die Rezeption bekannter Werke im Wandel der Zeiten - hier stehen so bekannte Bücher wie "Die Leiden des jungen Werther" und "Ulysses" im Fokus, aber auch wesentlich Unbekanntere, deren Popularität dem Wandel des Zeitgeists nicht standhalten konnte.
Unterhaltsam und informativ - für die historisch begeisterte Leserin jedoch einerseits mit Längen, andererseits mit - natürlich schlecht vermeidbaren - Lücken. Was war mit den Frauen im Deutschland der Weimarer Republik, der wilden 1920er jahre? Wie rezipierten Französinnen ihre großen Autoren Zola und Proust zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Diese und viele, viele weitere Fragen stellten sich mir während des Lesens - eigentlich ja sehr positiv, denn Lesen soll zum Weiterdenken anregen.
Klug und zumeist geistreich stellt Autor Bollmann den Zusammenhang zwischen Lesen und Schreiben, zwischen Lesen und der Gesellschaft, zwischen Lesen und der Politik dar, aber eines bleibt auf der Strecke - wie verlief die Entwicklung der lesenden Frauen im Vergleich zu der der Männer? Dass ihr Anteil zunahm, dass sie differenzierter und aktiver in den Lesebetrieb eingriffen - keine Frage! Aber was war mit dem Werk unseres Freundes Joyce, dem der Autor ein ganzes Kapitel widmet, aus weiblicher Sicht eigentlich anders? So richtig kommt dieser Aspekt an einigen Stellen leider für mich nicht rüber.
Anderseits verliert sich der Autor zeitweise in Kleinigkeiten - ich zumindest musste mich immer mal wieder zusammenreißen, um am Ball zu bleiben, trotz meiner grundsätzlichen Begeisterung.
Diese schwand dann endgültig zum Ende des Buches, wo Bollmann - in der Gegenwart angekommen - zunächst ein ganzes Kapitel der Fanfiction widmete, ohne groß auf Parallelentwicklungen wie Online-Lesekreise zu den verschiedensten Themen und die dadurch bedingte neuartige Einflussnahme der Leser auf die Autoren, Open Innovation im Literaturbetrieb also, einzugehen. Desweiteren erschlossen sich mir hier die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen der Fanfiction frönenden Lesern wiederum nicht. Und zum Schluss kam es dann ganz dicke: als einziges Beispiel für die Gegenwart diente "Shades of Grey" , ein Werk, das ich mit Sicherheit niemals lesen werde und das für mich nicht charakteristisch für das Lese- und Schreibverhalten der Gegenwart ist, zumindest nicht als alleinige, isoliert stehende Darstellung.
Mein Fazit - man erfährt vieles in diesem Buch, vieles - möglicherweise noch viel mehr - erfährt man jedoch nicht. Ein roter Faden zum Leseverhalten der Frauen im Wandel der Jahrhunderte zieht sich zu meinem Bedauern nicht durch das Buch, so dass es für mich wahrscheinlich eine Momentaufnahme ohne allzugroßen Erinnerungswert bleiben wird.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Tee trinken, ihn verkaufen und Morde aufklären

Göttinnensturz
0

das tut die charismatische, übersinnlichen Themen nicht abgeneigte Exjournalistin Berenike im schönen Salzkammergut. Diesmal stößt die auf die erdrosselte Monika - Zufall oder Mord, das Band der Dirndlschürze ...

das tut die charismatische, übersinnlichen Themen nicht abgeneigte Exjournalistin Berenike im schönen Salzkammergut. Diesmal stößt die auf die erdrosselte Monika - Zufall oder Mord, das Band der Dirndlschürze hat sich um den Hals gewunden. Die Gute war zu Lebzeiten einerseits überaus lebenslustig, andererseits nationalsozialistischem Gedankengut nicht abgeneigt. Und es folgen weitere Leichen, die gewisse Rückschlüsse zulassen....

Auch Berenikes Liebster, der hübsche Kommissar Jonas, taucht auf - und mit ihm Wolken am Horizont. Wird die bucklige, aber attraktive Franziska ihn ihr ausspannen? Lebenslust und heitere Liebesreigen durchzogen von dunkleren Wolken - wenn mal ein/e Dritte/r btrogen wird - das scheint das Markenzeichen des Salzkammerguts zu sein.

Nun ja, wir alle wissen, dass man am Wolfgangsee gut lustig sein kann, dass sich dort aber auch jede Menge Leichen rumtreiben, das ist neu! Anni Bürkl schreibt durchaus atmosphärisch, lässt Lokalkolorit aufblitzen - manchmal wird es jedoch ein wenig fahrig oder gar wirr. Und der Schluss hinterlässt leider alles andere als Befriedigung. Schade - gerade bei einer so besonderen Protagonistin wie Berenike, die jede Menge Alleinstellungsmerkmale aufweist und somit eigentlich flink zu Österreichs Ermittlerin Nr. 1 aufsteigen könnte, hätte ich ein bisschen mehr erwartet. Nun, vielleicht dann in Berenikes fünftem Fall!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein nur mittelmäßiger literarischer Sturm

Vor dem Sturm
0


Ein Sturm zieht auf: in 12 Tagen wird hier das Leben um den Hurricane Katrina geschildert, vor allem das Warten, die Vorbereitungen auf ihn, aber auch das Erleben und Überstehen des Sturmes. Dabei erhält ...


Ein Sturm zieht auf: in 12 Tagen wird hier das Leben um den Hurricane Katrina geschildert, vor allem das Warten, die Vorbereitungen auf ihn, aber auch das Erleben und Überstehen des Sturmes. Dabei erhält der Leser Einblick in das Leben einer Familie am Rande der Gesellschaft - der verwitwete Vater, der stark an der Flasche hängt, drei Söhne und die fünfzehnjährige Tochter Esch, durch deren Perspektive dem Leser das Geschehen vermittelt wird. Esch ist ausgesprochen intelligent, hoffnungslos in ihrer Armut, hoffnungsvoll in ihrer Liebe zum anderweitig gebundenen, nicht viel älteren Manny - und von ihm schwanger.

Die Geschicke der Familie werden begleitet von denen der Hündin China und ihres zu Anfang des Buchs geborenen Nachwuchses - Lebensinhalt von Skeetah, einem von Eschs Brüdern - ein Strang, der die Handlung teilweise dominiert, ja beherrscht. Mir war eindeutig zu viel Hund in der inhaltlichen Entwicklung präsent, was meine Konzentration immer wieder schwächeln ließ - hier fiel es mir besonders schwer, am Ball zu bleiben.

Es braut sich so einiges zusammen in diesem Buch und so ist das stürmische Finale mit einigen Einschränkungen durchaus ein fulminantes, das für mich den Gesamteindruck vom Buch noch einmal ein wenig nach oben korrigierte... ohne dieses wäre mein Urteil um einiges negativer ausgefallen. Hier geht es um Sich-Finden, um Neuanfang, um Hoffnung - so lernt Esch, dass sie nicht - wie sie meinte, erkannt zu haben - keinen, sondern viele Väter für ihr Kind hat.

Dieses Buch strotzt nur so vor Symbolik, aber leider nicht vor (Aussagekraft). Zu umständlich die Sätze, zu fahrig und verstreut die Metaphern. Ersteres liegt ganz sicher an der Übersetzung von Ulrike Becker, die - soweit ich es beurteilen kann - dem Werk und den Ambitionen der jungen Autorin einfach nicht gerecht wird. Aussagen wie "Das Licht im Bad ist dick..." (S. 111) haben mir das Lesen teilweise doch recht schwer gemacht. Wobei ich auch sehr hohe Erwartungen hatte: ich habe vor einigen Jahren mit Begeisterung "Winters Knochen" von Daniel Woodrell gelesen, das in einer ähnlichen Umgebung unter vergleichbaren Bedingungen spielt und mich nachhaltig beeindruckt hat. Dem konnte dieses Buch aus meiner Sicht nicht im Entferntesten das Wasser reichen. Ich denke, als Verfilmung würde mir die Handlung wesentlich mehr zusagen. Dennoch gebe ich eine bedingte Leseempfehlung: an Rezipienten, die eine blumige, ausführliche - um nicht zu sagen, ausschweifende - Sprache lieben, sich von teilweise ungeschickten Übersetzungen nicht schrecken lassen - oder direkt zur Originalliteratur greifen. Natürlich auch an Liebhaber neuester amerikanischer Literatur mit einem Hang zu den Südstaaten.

Ich selbst werde die Autorin im Auge behalten, aber vorerst weiter zu Werken von Daniel Woodrell und anderen von mir geschätzten Autoren der neuen Welt greifen.