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Veröffentlicht am 05.01.2018

Hefe in Hülle und Fülle

Backen mit Christina
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braucht man, um die von der Österreicherin Christina Bauer hier vorgestellten Rezepte nachbacken zu können. Nur in ganz wenigen davon ist es nicht enthalten und das ist kein Wunder, handelt es sich doch ...

braucht man, um die von der Österreicherin Christina Bauer hier vorgestellten Rezepte nachbacken zu können. Nur in ganz wenigen davon ist es nicht enthalten und das ist kein Wunder, handelt es sich doch zu einem großen Teil um Brote und Brötchen.

Auch Kleingebäck ist Bestandteil des Buches, was mich besonders entzückt hat, denn zu dem, was wir hier im Rheinland "Teilchen" nennen und was woanders im Land "Hefestückchen" heißt, fehlten mir noch gute und schnell zu realisierende Rezepte. Am meisten entzückt jedoch hat mich die Rubrik zum pikanten Kleingebäck - gefüllte kleine Röllchen und so - also eine tolle Alternative zum doch recht fettigen Blätterteigebäck, welches ich oft in Form von schnell zubereiteten Käsestangen und Lachstaschen (die brauchen was länger) zur abendlichen Suppe serviere.

Hier war ich ein bisschen enttäuscht, denn es gab nicht soooo vieles, was sich extrem voneinander unterschied und vor allem wenig Fleischloses. Schinken und Wurst ist schon ein wichtiger Bestandteil der Füllung, die oft aus meiner Sicht sehr einfach und wenig originell gehalten ist. Fisch ist gar nicht dabei, was sich vielleicht dadurch erklärt, dass dieser im meerfernen Österreich nicht gerade hoch gehandelt wird. Aber als langjährige Köchin habe ich genug Erfahrung, Phantasie und auch Mut, um mir hier etwas einfallen zu lassen!

Auch bei den Teilchen ist nicht gerade eine große Vielfalt vorhanden: mein Favorit sind die Topfengolatschen - Käseteilchen auf Deutsch bzw. Rheinisch. Dann gibt es noch was mit Marmelade und mit Mohn und dann hört die Bandbreite fast schon auf. Hier ist allerdings der besondere Charme, dass ein Teig vorgeschlagen wird, aus dem man viele Rezepte machen kann - vielleicht lasse ich mir da noch was mit Marzipan und Obst einfallen.

Dennoch ein sehr inspirierendes und vor allem auch schön aufgemachtes Backbuch mit leckeren Ideen, das vor allem für diejenigen spannend sein dürfte, die ihr Brot dauerhaft selbst backen wollen, denn hierzu gibt es richtig viele Ideen.

Aber auch ich werde immer mal gern darauf zurückgreifen. Geeignet ist es für erfahrene, experimentierfreudige Bäckerinnnen mit wenig Zeit - vieles ist doch nur sehr knapp erklärt und ich habe zu spüren bekommen, dass die angebene Dauer der Backzeiten in allen ausprobierten Fällen viel zu lang ist - oft würde gut die Hälfte reichen, weswegen ich empfehle, mit Vorsicht ans Werk zu gehen. Und was toll ist: die meisten Rezepte sind recht schnell und unkompliziert zu realisieren, vor allem auch wegen der kurzen Backzeit!

Also dann: guten Appetit mit Christina!

Veröffentlicht am 05.01.2018

Eine Seuche der besonderen Art

Beste Absichten
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Nämlich eine Rockband dieses Namens, die von Äppstiehn, einem eher unspektakulären Typen, der so genannt wird in Anlehnung an den großen Manager der Beatles, Brian Eppstein, gemanagt wird. Er, der eher ...

Nämlich eine Rockband dieses Namens, die von Äppstiehn, einem eher unspektakulären Typen, der so genannt wird in Anlehnung an den großen Manager der Beatles, Brian Eppstein, gemanagt wird. Er, der eher durch Zufall an diesen "Job" gerät, ist der Protagonist, der Erzähler dieses Romans.

Die DDR befindet sich in ihren letzten Zuckungen, auch wenn es noch nicht allen klar zu sein scheint und jeder will in den Westen. Jeder außer den Mitgliedern der "Seuche", die einfach nur Musik machen und einigermaßen nett leben wollen.

Dazu ist aber einiges nötig und so nimmt uns Thomas Brussig mit zu so denkwürdigen Ereignissen wie dem Umtausch von Westgeld in große Scheine, dem Abkaufen der Trabis von Botschaftsflüchtlingen in Prag kurz vor Genschers Rede oder auch einfach nur in die Wohnung der dicksten, aber wirklich allerdicksten Frau der DDR, die schon lange nicht mehr draußen war - es geht einfach nicht mehr.

Thomas Brussig ist dem geneigten Leser seit Jahren, was sage ich - seit Jahrzehnten bekannt als DDR-Chronist der besonders witzigen, dennoch anrührenden Art. Mein persönliches Highlight wird immer die "Sonnenallee" bleiben, daran kommt nichts anderes ran, nicht einmal "Helden wie wir", was mir auch sehr zugesagt hat. "Beste Absichten" geht in diese Richtung, auch wenn es leider stellenweise doch ein bisschen belanglos bleibt, was aber in der Absicht des Autors liegen kann - es schlittert einfach vorbei an den relevanten Punkten - genau wie es Äppstiehn und seine Kollegen in Wendezeiten tun - um dann ganz zufällig doch wieder auf den Zug aufzuspringen - quasi aus Versehen. Und man fragt sich immer wieder, welcher Zug eigentlich gemeint ist. Sind die Seuche-Typen eigentlich im richtigen Film? Ist es denn der Leser? Und vor allem: welcher Film ist das eigentlich, der wirklich richtige? Aber das sind eigentich Kernfragen, die allen Brussig-Büchern zugrunde liegen und gewissermaßen seinen Sinn des Lebens definieren - so jedenfalls die Botschaft, die bei mir ankommt.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Nachdem die Warzen auftauchten und die Bowlingtrophäen verschwanden....

Willard und seine Bowlingtrophäen
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war nichts mehr so wie vorher - weder bei Bob (Warzen an delikater Stelle) noch bei den drei Logan-Brüdern, deren Bowlingtrophäen gestohlen wurden. Bob wird vergesslich und beginnt, schlechten Sado-Maso-Sex ...

war nichts mehr so wie vorher - weder bei Bob (Warzen an delikater Stelle) noch bei den drei Logan-Brüdern, deren Bowlingtrophäen gestohlen wurden. Bob wird vergesslich und beginnt, schlechten Sado-Maso-Sex zu mögen, wodrunter die Schriftstellerin Constance, seine Liebste, zu leiden hat. Die Logan-Brüder begeben sich auf eine drei Jahre währende Odyssee durch die Staaten - auf der Suche nach den verschwundenen Trophäen. Dabei werden sie zu Dieben...

Derweil befinden sich die Trophäen bei Willard, einem Pappmachéevogel, der wiederum bei John und Patricia, Bobs Nachbarn, ansässig ist, zwei Cineasten, die es mit Greta Garbo haben.

Wie das alles zusammenhängt und was es mit dem amerikanischen Traum zu tun hat? Nun, greifen Sie zu diesem überaus unkonventionellen, gut geschriebenen und mindestens ebenso gut übersetzten Kriminalroman der Groteske und Sie werden es erfahren. Richard Brautigan schrieb wie keiner sonst und obwohl er bereits seit 30 Jahren nicht mehr lebt, ist sein Werk gegenwärtig wie nur wenige andere. Merkwürdiges trifft hier auf Amerikanisches - oder ist Amerikanisches etwa insgesamt merkwürdig?

Ein heiterer, dabei tiefsinniger Erguss über Sinn und Unsinn des Lebens - unbedingt lesenswert!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Eine benachteiligte Jugend in der DDR und was daraus wurde

Der Rumtreiber
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Karsten Berndt wächst in DDR in unterprivilegierten Verhältnissen auf - die Kindheit ist geprägt von einem gleichgültigen Elternhaus, in dem die Lebensbedingungen in Ostdeutschland zwar kritisiert, nicht ...

Karsten Berndt wächst in DDR in unterprivilegierten Verhältnissen auf - die Kindheit ist geprägt von einem gleichgültigen Elternhaus, in dem die Lebensbedingungen in Ostdeutschland zwar kritisiert, nicht aber reflektiert werden. Es wird betrogen, geschmuggelt... alles, was das Leben leichter macht eben, rein wirtschaftlich gesehen eben. Vor den Kindern wird dies nicht verborgen, allerdings wird ihnen auch keine Bedeutung beigemessen - die Kinder sind was Beiläufiges, Erziehung noch nicht mal Nebensache. An der möglichen Sportlerkarriere des Sohnes sind die Eltern komplett desinteressiert, ein mühsam selbst von ihm zusammengespartes Musikinstrument wird gedankenlos verschenkt. Menschliche Werte, Liebe, ein Miteinander - dies wird Karsten nicht vermittelt und so entwickelt er sich schnell zum Rabauken, der den Kameraden die Westjeans stiehlt und auch sonst in alle möglichen kleinkriminellen Handlungen verwickelt ist.

Als sehr jungem Erwachsenen gelingt ihm die Flucht in den Westen - hier ist das Glück des Dummen oder vielmehr des Naiven auf seiner Seite und er wird auch auf der anderen Seite rasch leichtsinnig. Dadurch landet er wieder im Osten - und kommt so schnell nicht wieder raus - er wird nämlich inhaftiert und muss im berühmt-berüchtigten Bautzen II einsitzen.

Spannend wie ein Krimi liest sich die Geschichte des jungen Karsten, auch wenn ich vieles nicht nachvollziehen konnte. Ein wichtiges Zeitzeugnis, das vom Autor leider überhaupt nicht reflektiert wurde und genau dies wäre so spannend gewesen... wie nimmt er selbst seine damaligen Aktionen, seinen einstigen Blick auf die Welt wahr? Insgesamt jedoch eine wichtige Dokumentation zum Leben in der DDR, zur Republikflucht und zu den entsprechenden Zusammenhängen, die durchaus auch Schülern im Politik- und Geschichtsunterricht nicht vorenthalten werden sollte.

Veröffentlicht am 30.12.2017

Erfurt im Herbst 1990

Auf Sendung
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Der Plot allein hätte mich hier nicht am Ball gehalten - es geht um eine, später dann zwei Leichen - Personen, die offenbar aufgrund irgendwelcher Schachereien auf der Strecke geblieben sind. Die Auflösung ...

Der Plot allein hätte mich hier nicht am Ball gehalten - es geht um eine, später dann zwei Leichen - Personen, die offenbar aufgrund irgendwelcher Schachereien auf der Strecke geblieben sind. Die Auflösung ein wenig wirr, nicht ganz stringent, hat das Ganze nicht unbedingt besser gemacht.

Die drei Protagonisten, die einander in unterschiedlichen Konstellationen in Liebesränken wie auch in dienstlichen Zusammenhängen verbunden sind, werden zwar eindringlich und plastisch geschildert, sind aufgrund ihrer vielen privaten "Abstecher" nicht unbedingt starke Stützen für den eingängigen Fluss der Krimihandlung.

Warum ich dieses Buch trotzdem weiterempfehle? Nun, wer so richtig tief in die Zeit der Wende, der Wiedervereinigung eintauchen, dem Gefühl von damals nochmal nachspüren will, der ist hier allerbestens aufgehoben. Die Aufbruchstimmung, die Hoffnungen, die Naivität, die Offenheit: all diese Schwingungen werden von Beate Baum ganz wunderbar eingefangen und so transportiert, dass man sie heute, mehr als 20 Jahre danach, noch lebhaft nachempfinden kann. Ich habe mich wirklich ins Erfurt im Herbst 1990 versetzt gefühlt, war mit Journalistin Kirsten auf aussichtsloser Wohnungssuche und in unattraktiven Restaurants mit aus heutiger Sicht originellen Speisekarten, die aus DDR-Zeiten übriggeblieben sind.

Beate Baum schreibt gut und versteht es vor allem Atmosphäre zu schaffen. Ich bin überzeugt, wenn ihr dies nicht so fundamental wichtig gewesen wäre und so sehr im Vordergrund gestanden hätte, dann hätte sie auch den Leichen mehr Aufmerksamkeit verliehen, ihre Fälle mit mehr Spannung versehen und diese sauber aufgelöst.

Ärgerlich - im Hinblick auf den Fall und eindringlich - was Zeitgeist und Lokalkolorit angeht. Entscheiden Sie also vor der Lektüre, was ihnen wirklich wichtig dabei ist, damit sie so richtig Spaß an dem Buch haben können. Nachdem ich mich ein kleines Bisschen geärgert hatte, hatte ich diesen durchaus!