Ein kompliziertes Genie
Musikjournalist und Autor Joachim Reiber stellt uns die Biographie eines Musikers vor, den er als „Komponisten der Stunde Null“ bezeichnet. Es handelt sich um Gottfried von Einem, der zu Beginn seiner ...
Musikjournalist und Autor Joachim Reiber stellt uns die Biographie eines Musikers vor, den er als „Komponisten der Stunde Null“ bezeichnet. Es handelt sich um Gottfried von Einem, der zu Beginn seiner Karriere noch von Hitler begeistert war und später dann ein entschiedener Gegner des Regimes wurde.
Gottfried von einem ist aber nicht nur ein begnadeter Dirigent und Komponist, nein er ist auch ein ewig Suchender und ein Zerrissener. Allerdings ist das nicht ganz verwunderlich, denn er ist ein sogenanntes „Kuckuckskind“ und stammt aus einem Seitensprung seiner dominanten Mutter mit einem Grafen Hunyadi. Seine wahre Herkunft erfährt er bei einer Verhaftung durch die Gestapo. Seiner Mutter wird mehrmals der Prozess gemacht - sowohl im Dritten Reich als auch dann in der Nachkriegszeit.
Gottfried von Einem hat Zeit seines Lebens ein ambivalentes Verhältnis zu seiner Mutter. Auf der einen Seite hat sie, durch die Freundschaft zu Goebbels Schwester Lore beste Verbindungen andererseits kann er ihr das Verschweigen seiner tatsächlichen Herkunft nicht verzeihen.
So ist es kein Wunder, dass der Musiker ein schwieriges Verhältnis zu Frauen hat. Auch seinem einzigen Sohn Caspar (er wird später einmal Innenminister Österreichs) kann er wenig Gefühl entgegenbringen, hat er doch wenig Zuneigung in seiner eigenen Kindheit erfahren.
Meine Meinung:
Der Einstieg in das Buch ist nicht ganz einfach, da die Biographie nicht chronologisch nach Lebensdaten aufgebaut ist.
Die Kapitel, deren Überschriften zum Großteil Titel von Einems Werken sind, eigen immer wieder den Komponisten im Kontext der Zeit. Auszüge aus der umfangreichen Korrespondenz zeigen, dass von Einem einigen jüdischen Musikerkollegen in der Nazizeit geholfen hat.
Mir gefallen folgende Zitate am besten:
„Alles Leiden und Irren kommt jungen Menschen aus dem Wissen, Ahnen Führerlos zu sein, keinen verehrten Meister zu haben. Denn wo Verehrung ist, ist Streben nach Vollendung.“ (19. Juli 1940/Tagebuch G.V.E. S.94)
Oder „jedes Genie ist kompliziert und lässt sich schwer erziehen.“ (S. 98/Heinz Tietjen)
Interessant sind auch unterschiedlichen Reaktionen auf Gottfried von Einems Werke. Expertenmeinung trifft auf Publikum: Unterschiedlichste Wahrnehmungen auf beiden Seiten.
Den wirklichen Skandal wird dann die Oper „Jesu Hochzeit“ hervorrufen, die er nach dem Libretto seiner zweiten Ehefrau, Lotte Ingrisch, verfasst hat. Diese Oper grenzt im katholischen Österreich beinahe an Blasphemie.
Fazit:
Joachim Reiber ist eine interessante Biographie gelungen. Allerdings vermisse ich die Leichtigkeit, die ich in „Duett zu Dritt“ verspürt habe.