„Abbas Khider schreibt mit einer einzigartigen Mischung aus Gedankentiefe, genauer Beobachtung und Leichtigkeit.“ ARD ttt
Said Al-Wahid hat seinen Reisepass überall dabei, auch wenn er in Berlin-Neukölln nur in den Supermarkt geht. Als er eines Tages die Nachricht erhält, seine Mutter liege im Sterben, reist er zum ersten Mal seit Jahren in das Land seiner Herkunft. Je näher er seiner in Bagdad verbliebenen Familie kommt, desto tiefer gehen die Erinnerungen zurück, an die Jahre des Ankommens in Deutschland, an die monatelange Flucht und schließlich an die Kindheit im Irak. Welche Erinnerungen fehlen, welche sind erfunden und welche verfälscht? Said weiß es nicht. Es ist seine Rettung bis heute. Eine Lebensgeschichte von enormer Wucht. In diesem bewegenden und poetischen Roman liegt der Klang eines ganzen Lebens.
Rezension zu „Der Erinnerungsfälscher“ von Abbas Khider
Abbas Khider hat mit „Der Erinnerungsfälscher“ einen eindringlichen, kurzweiligen Roman geschrieben.
Der Autor erzählt aus dem Leben Said Al-Wahids, ...
Rezension zu „Der Erinnerungsfälscher“ von Abbas Khider
Abbas Khider hat mit „Der Erinnerungsfälscher“ einen eindringlichen, kurzweiligen Roman geschrieben.
Der Autor erzählt aus dem Leben Said Al-Wahids, der aus Bagdad nach Deutschland geflohen ist. Eindrücklich beschreibt der Autor die Zerrissenheit, die Said erfahren muss. Immer wieder stößt er trotz deutschem Pass auf Widerstände, die ihm das Leben erschweren. Dann muss er auch noch nach Bagdad zu seiner im Sterben liegenden Mutter. Auf dem Weg dorthin erzählt er immer wieder vom Verlassen dieser Stadt in früheren Jahren und teilt seine Gedanken zu seinem Heimatland. Mit jeder Erzählung wird das Bild vollständiger. Immer deutlicher wird sichtbar, wie unsicher und fern Bagdad ist, aber auch wie schwer es ist, in Deutschland als Deutscher wahrgenommen zu werden, der er nach seiner Einbürgerung ist.
„Der Erinnerungsfälscher“ ist eine gute Empfehlung für alle, die sich für den östlichen/arabischen Raum interessieren und die gerne authentisch über Heimat, Flucht und Schicksale in diesem Zusammenhang lesen.
Said Al-Wahid ist in Deutschland angekommen. Die Flucht aus dem Irak hat er geschafft. Inzwischen hat er eine Frau und einen Sohn. Eines Tages bekommt er die Nachricht von seinem Bruder, dass seine Mutter ...
Said Al-Wahid ist in Deutschland angekommen. Die Flucht aus dem Irak hat er geschafft. Inzwischen hat er eine Frau und einen Sohn. Eines Tages bekommt er die Nachricht von seinem Bruder, dass seine Mutter im Sterben liegt. Schnellstmöglich will Said nach Bagdad reisen, um sich von seiner Mutter zu verabschieden.
Dieser Roman hat mich sehr berührt. Den Schreibstil fand ich sehr angenehm und poetisch. Die Handlung wird in der Perpektive von Said Al-Wahid erzählt. Ich empfand Said sehr authentisch und konnte mich sehr in ihn reinversetzen, was er alles durchmachen musste. Das hat mich sehr ergriffen. Den Titel des Buches finde ich sehr gelungen. Said erinnert sich an die Vergangenheit. Dabei verwischt seine Erinnerung sehr stark, so dass er nicht mehr sagen kann, welche real oder fiktiv ist. Der Autor Abbas Khider kommt aus Bagdad. Er ist ebenfalls aus dem Irak geflohen und lebt jetzt in Deutschland. Anscheinend hat der Autor in diesem Buch seine Lebensgeschichte verarbeitet.
Sehr berührender und bewegender Roman, der sehr poetisch erzählt ist.
Vieles von dem, was der Autor seinen Protagonisten Said erzählen lässt, ist wohl biografisch. Denn beide sind als junge Männer aus dem Irak über mehrere Stationen in verschiedenen Ländern nach Deutschland ...
Vieles von dem, was der Autor seinen Protagonisten Said erzählen lässt, ist wohl biografisch. Denn beide sind als junge Männer aus dem Irak über mehrere Stationen in verschiedenen Ländern nach Deutschland geflohen, um hier nach vielen Hürden Literatur zu studieren und letztlich Bücher zu schreiben. Said, inzwischen etwa 40 Jahre alt, begibt sich nach einem Anruf seines Bruders Hals über Kopf nach Bagdad, um noch einmal seine im Sterben liegende Mutter zu sehen. Auf der Reise gehen seine Gedanken immer wieder zurück an sein früheres Leben im Irak und die Stationen seiner späteren Flucht. Das eigentlich Faszinierende an den fragmentarischen Schilderungen ist, dass stets ungewiss bleibt, ob Saids Erinnerungen so tatsächlich zutreffen. Denn er leidet an einer Erinnerungsschwäche, der er mit einer Erinnerungsverfälschung entgegentritt. Doch egal, ob Said sich des fiktiven Ergänzens, des beliebigen Ausschmückens oder des unabsichtlichen Veränderns eigener bestehender Gedächtnisinhalte bemächtigt, herausgekommen ist auf jeden Fall ein packendes Schicksal eines Flüchtlings.
Sehr lesenswert gerade aktuell mit neuerlichen Flüchtlingsströmen.
Ich habe gerade während meines Studiums der Deutschemn Literatur in einem Seminar zur Interkulturellen Gegenwartsliteratur "der falsche Inder" von Abbas Khider gelesen. Da es mir wirklich gut gefallen ...
Ich habe gerade während meines Studiums der Deutschemn Literatur in einem Seminar zur Interkulturellen Gegenwartsliteratur "der falsche Inder" von Abbas Khider gelesen. Da es mir wirklich gut gefallen hat, musste ich auch dieses Buch lesen, als ich gesehen habe, dass es herauskommt.
Auch hier ist der Schreibstil gut zu lesen. Allerdings musste ich ein paar Sätze noch einmal lesen um sie komplett zu verstehen.
Der Autor schafft es in diesem doch an Seiten gemessenen sehr lurzen Buch unheimlich viel Geschichte und Handlung einzubringen. Es passiert so viel, dass ich das Gefühl hatte das Buch wäre wesentlich länger. Oder müsste länger sein.
Mir hat auch "Der erinnerungsfälscher" wirklich gut gefallen.
Es ist nicht immer einfach zu lesen (als Inhalt), doch es muss erzählt und gehört werden. Ich fand es sehr spannend und informativ zu lesen.
Zweimal war Said Al-Wahid seit seiner Flucht in seiner irakischen Heimat: nach dem Sturz der Diktatur, heimlich, während in Deutschland sein Asylverfahren lief und in den Straßen von Bagdad das Chaos amerikanischer ...
Zweimal war Said Al-Wahid seit seiner Flucht in seiner irakischen Heimat: nach dem Sturz der Diktatur, heimlich, während in Deutschland sein Asylverfahren lief und in den Straßen von Bagdad das Chaos amerikanischer Soldaten herrschte, und zwei Jahre später kurz vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs. 2014 wird er plötzlich ein drittes Mal nach Hause gerufen: Sein jüngerer Bruder Hakim teilt ihm mit, dass ihre Mutter im Sterben liegt. Said, der gerade auf dem Weg von einer Podiumsdiskussion in Mainz zurück nach Berlin ist, begibt sich umgehend zum Frankfurter Flughafen:
"Said Al-Wahid hat seinen Reisepass überall dabei, egal, wohin er geht. Er hat ihn bei einem Podiumsgespräch in Mainz dabei und auch im Supermarkt um die Ecke." (S. 25)
Auf seiner Reise nach Bagdad begleiten ihn Gedanken an seine vier Jahre dauernde Fluchtodyssee, seine ersten Jahre in Deutschland mit befristeten und unbefristeten Aufenthaltsgenehmigungen, Abschiebungsandrohungen, Widerrufsverfahren, Duldung und schließlich der Einbürgerung, bürokratischen Schikanen bis heute und einem ständigen Gefühl der Unsicherheit:
"In der Fremde gibt es keine Himmelsrichtungen." (S. 8)
Traumata
Dabei ist Saids Integration eine Erfolgsgeschichte: Abitur am Studienkolleg und Studium an der Philosophischen Fakultät in München als einziger arabischer Student, Jobs zur Finanzierung, Ehe mit Monica, einer deutschen Sozialarbeiterin aus einer Mittelschichtsfamilie, der zweijährige Sohn Ilias und erste schriftstellerische Erfolge.
Worüber er mit niemandem sprechen kann, sind die „Minenfelder“ im Gedächtnis, der als Verräter hingerichteten Vater, über den geschwiegen werden musste, die im Bürgerkrieg mit ihrer Familie getötete Schwester und die traurige Mutter, die mit Krisen umgehen kann, nicht jedoch mit glücklichen Momenten. All dies beeinträchtigt sein Erinnerungsvermögen:
"Said scheiterte bei jedem Versuch, einen längeren Text zu verfassen. Es war grauenhaft." (S. 47)
Erst als er beginnt, die Gedächtnislücken mit Fiktion zu füllen, erlebt er einen „Schreibdurchfall“.
"Der Erinnerungsfälscher" des deutsch-irakischen Autors Abbas Khider ist mit gerade einmal 124 Seiten leider ein sehr kurzer Roman. Albtraumhafte Flucht aus einem desolaten Land, Ankommen in Deutschland, das auch den integrationswilligsten Schutzsuchenden immer neue bürokratische Felsbrocken in den Weg rollt, Rassismus und Vorurteile in der neuen sowie schwierige Besuche in der alten Heimat, wo sich auch Jahre nach dem Sturz der Diktatur nichts zum Besseren entwickelt, sind seine Themen.
Mehrwert der Perspektive
Wie bei "Herkunft" von Saša Stanišić oder "Eine Formalie in Kiew" von Dmitrij Kapitelman liegt der besondere Wert von Abbas Khiders Roman für mich in der Perspektive des Migranten, der aus eigener Anschauung schreibt. Zwar betont er in Interviews, dass "Der Erinnerungsfälscher" ein literarisches Werk und keine Biografie sei, sein eigenes Schicksal als 1973 in Bagdad geborener Autor, seine Flucht 1996 nach mehreren Gefängnisaufenthalten und die Ankunft in Deutschland 2000 liefern jedoch erkennbar die Vorlage.
Dass man trotz der traurigen Thematik bei der Lektüre nicht verzweifelt, liegt am gelungenen Wechsel zwischen nüchtern wiedergegebenen Fakten und Poetik, den originellen Sprachbildern, dem Wortwitz und Humor und dem immer durchscheinenden Optimismus. Unfassbar, dass Abbas Khider erst mit 27 Jahren die deutsche Sprache erlernt hat!
Sowohl für die deutsche Literatur als auch für die politische Debatte hierzulande sind Stimmen wie die von Abbas Khider eine große Bereicherung. Höchste Zeit also für mich, auch seine vier früheren, etwas umfangreicheren Romane kennenzulernen.