Auf dem Weg zur L bemerkten wir eine atemberaubende Kreatur - einen jungen Mann mit den Zügen eines Models und einer Sportlerfigur -, die uns ein paar Blocks folgte, dann mit uns in den Zug stieg und sich auf dem Weg zum Hotel in unserer Nähe hielt. Wir redeten über nichts Wichtiges und übertrieben im Bezug auf Dante bei einigen Punkten lautstark - "Unfassbar, dass er sich an gar nichts erinnert!", "Der erkennt ja nicht mal uns wieder!" -, aber trotz unserer recht glaubhaften Vorstellung hatten wir panische Angst. Unser Verfolger gehörte dem Syndikat an, und er sollte uns offensichtlich daran erinnern, dass es wirklich kein Entkommen gab.
--
INHALT:
Haven kann es kaum fassen: Sie darf ein Praktikum im neu eröffnenden luxuriösen Lexington Hotel antreten, das ihr später Wege in jede gewünschte Ausbildung ebnen kann. Und damit nicht genug: Sie wird unglaublich gut bezahlt, ihre Chefin Aurelia ist die schönste und Ehrfurcht gebietendste Frau, die sie je getroffen hat - und der schöne Lucian, der sie von Anfang an fasziniert, scheint sich auch noch für sie zu interessieren. Doch irgendwann fällt Haven auf, dass hinter der glamourösen und perfekten Fassade etwas Dunkles lauert. Und sie ist die Einzige, die es aufhalten kann...
MEINE MEINUNG:
Aimee Agrestis Debüt und gleichzeitiger Auftakt zur Reihe um Haven Terra, "Die Erleuchtete" will vieles sein: romantische Liebesgeschichte, originelle Fantasy-Reihe, witzig, unterhaltsam, berührend. Leider gelingt es dem Ganzen aber nur selten, die angestrebten Ziele auch zu erreichen, weshalb es unweigerlich scheitert. Das beginnt leider schon beim Schreibstil. Dieser ist durchaus einnehmend und durchsetzt von schönen Beschreibungen, ufert gerade bei diesen aber zum Teil sehr aus, wodurch eine gewisse Langatmigkeit entsteht. Außerdem sind insbesondere die Dialoge extrem holprig - Antworten werden oft mit einem störenden "Naja" oder "Also" eingeleitet oder passen gar nicht zur Frage, und die Konservationen im Allgemeinen bestehen zum Großteil aus den Worten "Wow" und "Whoa". Das vermittelt das Gefühl, dass hier schludrig gearbeitet wurde, und das wird nicht das letzte Mal gewesen sein.
Haven ist - mal abgesehen von ihrem mal wieder besonders exotischen Namen - eine Durchschnitts-Protagonistin mit den üblichen Selbstzweifeln und Komplexen. Besonders zu Anfang ist sie überaus naiv und leicht beeinflussbar. Dies ändert sich jedoch zum Glück im Laufe der Handlung, und sie wird mutiger und selbstsicherer, wenn sie auch trotzdem lieber ewig in "Was wäre, wenn"-Gedanken schwelgt als wirklich zu handeln. Ihr Schwarm Lucian konnte mir allerdings noch weniger zusagen. Er ist zwielichtig und führt definitiv etwas im Schilde. Besonders aber seine Veränderung zum Ende hin ging mir zu schnell und machte so mehr oder weniger die Glaubwürdigkeit der gesamten Figur zunichte.
Da Haven nicht die einzige Praktikantin im Hotel ist, darf der Leser noch Dante und Lance kennen lernen. Dante ist der unglaublich klischeehafte schwule beste Freundin, der neuerdings anscheinend in allen Jugendbüchern total in ist, und kennt sich natürlich super mit Mode, Frisuren und schrillen Dingen aus. 400 von fast 600 Seiten taucht er jedoch einfach nicht auf, weswegen er nicht nur völlig überzeichnet, sondern auch total blass ist. Lance dagegen ist eine Figur, die richtig Feuer hat und durchaus mal wichtige Dinge zur Sprache bringt oder der Protagonistin unter die Arme greift - so richtig viel eigenen Willen hat er jedoch nicht. Und Aurelia hat sicherlich ihren eigenen giftigen, fiesen Charme, wirkt jedoch mehr wie eine Spielfigur und dadurch, dass sie beschrieben wird wie etwa 20, sich aber benimmt wie eine griesgrämige Rentnerin, gebahrt ihr Auftreten nicht selten einer unwillkürlichen Lächerlichkeit.
Eines will ich dem Roman jedoch nicht absprechen: Die Originalität. Denn Aimee Agresti hatte hier tatsächlich eine absolut interessante und neuartige Idee, die auch zwischenzeitlich immer wieder faszinieren kann - denn die Art, auf die hier das Böse sein Unwesen treibt und die Gabe, die Haven besitzt, mochte ich sehr. Nur gibt es eben leider mehr negative als positive Aspekte. Da ist zum einen die Länge zu nennen - denn "Das Dunkel der Seele" hat beinahe 600 Seiten, und das ist für den Plot zu viel. Immer und immer wieder kaut die Protagonisten dasselbe durch und kommt dabei oftmals keinen Schritt weiter. Zudem taucht bei ihr nach kurzer Zeit ein Buch auf, in dem von Geisterhand Aufträge erscheinen, und ohne auch nur nachzudenken, führt Haven diese blauäugig und vertrauensselig aus. Wer macht denn sowas?!
Hinzu kommen die zwischenzeitlich recht kitschigen Schwärmereien für den ach so schönen Lucian, die total platten Dialoge, das plötzliche Verlagern des Interesses vom einen zum anderen Kerl [und dabei kommt raus, dass genau dieser sie während eines Stromausfalls einfach mal geküsst hat - und sie findet es klasse] bis hin zu der mir völlig unverständlichen Handlung der Bösewichte, die einzige Waffe, die man gegen sie einsetzen kann, im Hotel aufzubewahren. Wie doof kann man denn sein? Da mag das Finale vor dem Schluss noch so spannend und gut geschrieben sein - all diese Dinge, bei denen ich mir die Hände über dem Kopf zusammenschlug, machen das wieder zunichte. Trotz der vielen ungeklärten Fragen werde ich jedenfalls keinen erneuten Ausflug in Havens Welt unternehmen.
FAZIT:
"Das Dunkel der Seele" ist der erste Band der "Die Erleuchtete"-Reihe von Aimee Agresti und versagt zum Großteil auf ganzer Linie. Viele der Figuren sind stereotyp und wenig glaubwürdig; die Story ist zwar originell, aber langatmig und konfus; und der Schreibstil ist schrecklich plump. Kein Buch für mich! 2 Punkte.