Über eine gläserne Zukunft, dem Optimum nacheifernd.
Ein Roman, so utopisch und dennoch so plausibel möglich. Ich schätze Julia von Lucadou für diese Zukunftsversion sehr, zumal wir auch schon heute recht fragwürdige 'Fortschritte' in diesen Bereichen gemacht ...
Ein Roman, so utopisch und dennoch so plausibel möglich. Ich schätze Julia von Lucadou für diese Zukunftsversion sehr, zumal wir auch schon heute recht fragwürdige 'Fortschritte' in diesen Bereichen gemacht haben und alles auf Optimierung ausgelegt ist. Der gläserne Bürger ist nicht mehr allzu weit entfernt und wo es möglicherweise hinführen könnte, stellt sie mehr als beeindruckend in ihrem Roman "Die Hochhausspringerin" dar.
"Ein Blick in die Zukunft, wenn wir Glück hatten. Ein Motivation Trip TM, der uns zu großen Zielen inspirieren sollte. Was willst du werden? Hochhausspringerin."
Riva ist eine berühmte Hochhausspringerin, die scheinbar aus ihrer Rolle ausbrechen möchte bzw. mit der Last des Drucks und der Transparenz nicht mehr leben möchte. Sie weigert sich und verweigert auch nahezu jeden Kontakt zur Außenwelt.
Hitomi soll nun in ihr neue Begeisterung entfachen, fernab, observierend, am Monitor sitzend. Doch jegliche Annäherung ihrerseits lehnt Riva ab und nach und nach gerät dadurch auch Hitomis Leben ins Wanken. Obwohl sie sich nie begegnen, wird Hitomi nahezu in Rivas Leben gesogen, sodass sie ihren eigenen Verpflichtungen in Sachen Gesundheit und Optimierung kaum noch nachgehen kann. Auch dies fällt ihrem Master auf und bringt sie an den Rand des Scheiterns. Einen Ausweg gibt es nicht, entweder bringt sie Riva wieder zurück oder ihr droht die Ausweisung in die Peripherien, dort wo die Menschen scheinbar unvollkommen, sich selbst überlassen sind.
"Riva, wie sie jetzt existiert, ist eins geworden mit ihrer Wohnung: eine weiße, bewegungslose Gestalt. Mehr Umriss als Person. Riva, die Hochhausspringerin, erscheint mir wie eine Fiktion."
Ein Buch, dass sich einer Gesellschaft im Optimierungswahn widmet und irgendwie am Ende komplett an der Menschlichkeit scheitert. Erschreckender finde ich jedoch, dass die erwähnte Technologie bereits heute in dieser Form vorhanden ist und auch der Mensch dank Fitnesstracker und Co stets darauf bedacht ist ausreichend Schritte am Tag zu gehen oder entsprechend optimiert zu schlafen. Es ist das Leben als solches und die Frage in wie weit es so kontrolliert und aufs Optimum berechnete noch lebenswert ist. Es ist die tolle Scheinwelt oder gar Gesellschaft, die sich als so fantastisch fortschrittlich definiert, während außerhalb Menschen um ihre Existenz bangen und auch innerhalb ihres Einzugsraums Menschen darunter leiden. "Die Hochhausspringerin" - die Für und Kehrseite einer Zukunft, die heute beinahe angestrebt wird. Und ganz ehrlich? Nein, soweit möchte ich es niemals kommen lassen und hoffe, dass es auch nie soweit kommen wird. Es ist ein Roman der mich oftmals 'aufschreien' ließ und gedanklich forderte und gerade solche Gedanken'spiele' liebe ich doch sehr. Die Welt zu hinterfragen und doch 'nur' eine Geschichte zu lesen.
Sprachlich hingegen blieb es dennoch recht kühl, klar und irgendwie auch berechnend, was vielleicht auch zu der beschriebenen Scheinwelt passt, dennoch hätte ich gerne eine unerwartete Wendung kommen sehen. Ich fürchte mehr kann ich an diese Stelle dann auch noch nicht sagen, ohne zu viel vorweg zu nehmen.
"Es tut mir wirklich sehr leid, Herr Master. Gehen Sie schlafen. Ihr Schlafverhalten ist viel zu unregelmäßig. Und ihr Bewegungsminimum haben Sie auch schon wieder nicht erfüllt. Es tut mir leid, Herr Master. Gehen Sie schlafen."