Tragisch, packend und historisch sehr interessant!
In „Hemingway&ich“ erzählt Autorin Paula McLain die Liebesgeschichte zwischen Ernest Hemingway und seiner dritten Ehefrau, Martha Gellhorn.
Martha, oder Marty wie sie von ihrer Familie genannt wird, lernt ...
In „Hemingway&ich“ erzählt Autorin Paula McLain die Liebesgeschichte zwischen Ernest Hemingway und seiner dritten Ehefrau, Martha Gellhorn.
Martha, oder Marty wie sie von ihrer Familie genannt wird, lernt Ernest Hemingway durch Zufall in einer Bar in Florida kennen, kurz nachdem sie ihren Vater verloren hat. Martha ist eine ruhelose Frau, selbst Schriftstellerin und demnach höchst interessiert an der Persönlichkeit Hemingway, anfangs aber absolut nicht darauf aus, eine Liebesbeziehung mit ihm anzufangen.
Mitte der 30er Jahre brodelt es in Europa bereits, in Spanien tobt der Bürgerkrieg und gemeinsam mit anderen möchten die beiden Autoren dabei etwas ausrichten, berichten – sie wollen, dass die Welt erfährt, was in Spanien passiert, damit Hilfe geleistet wird. Als Reporter im Kriegsgebiet wachsen Ernest und Martha in einer unvorstellbaren Situation zusammen und so beginnt ihre Beziehung.
Diesen unglaublich inhaltsreichen Roman in wenigen Zeilen zusammen zu fassen, ist für mich wirklich sehr schwierig, weil man ihm damit kaum gerecht werden kann. Vordergründig wird natürlich die Liebesgeschichte der Protagonisten erzählt, ihre Höhen ihre Tiefen, die Schwierigkeiten mit einem exzentrischen Charakter wie Hemingway eine Beziehung zu führen.
Martha ist eine sehr moderne Frau für ihre Zeit, sehr feministisch, sie kann nicht verstehen, warum für sie andere Regeln gelten sollten, als für Männer. Gleichzeitig ist sie reiselustig und sehr ruhelos. Sie will die Welt sehen, will etwas bewirken, will schreiben. Oft hat man als Leser den Eindruck sie will so viel, dass sie sich damit selbst im Weg steht. Sie versucht immer wieder sich vom Erfolg ihres Mannes nicht unterkriegen zu lassen, sie will es selbst schaffen.
Gleichzeitig wirkt sie neben Hemingway oft klein, lässt sich von ihm unterdrücken, wirkt ihm hörig.
So entsteht das Bild einer sehr unausgeglichenen Protagonistin, hin und her gerissen zwischen dem Drang, eine häusliche Ehefrau zu sein und dem Zwang in die Welt hinaus zu gehen und unabhängig zu sein. Das kommt der echten Martha Gellhorn vermutlich sehr nahe, sie war wirklich gut gezeichnet, nur leider ab und an etwas anstrengend aufgrund ihrer Ruhelosigkeit.
Der Ernest Hemingway, der in diesem Buch dargestellt wurde, war für mich durch und durch Künstler, Egozentriker und oftmals wirkte er, als ob er in seiner eigenen Welt leben würde. Ich denke, damit hat Paula McLain ein recht akkurates Bild Hemingways dargestellt. Auch er war wie Martha oft ruhelos, hin und hergerissen, zwischen der Rolle als Partner und Vater und jener des erfolgreichen Autors. Die Ansprüche, die er oft an Martha gestellt hat, sie müsse pausenlos für ihn da sein, habe ich als unfair empfunden, weil er auf der anderen Seite nie so viel zurück geben wollte. Er wirkt dadurch ich-bezogen und teilweise unsympathisch.
Auch wenn das Zentrum des Romans die Liebesgeschichte von Gellhorn und Hemingway ist, ist es gleichzeitig ein Kriegsroman – auch der Krieg ist Protagonist. Die verschiedenen Gesichter des Krieges, die Martha in Spanien, in Frankreich, in China und Finnland kennenlernt, sind extrem authentisch geschrieben und waren für mich die packendsten Teile der Geschichte – mit einem gewaltigen, tragischen und gleichzeitig mutigen Ende.
Die Geschichte war – auch wenn ich natürlich nicht wissen kann, wie die Wirklichkeit ausgesehen hat – sehr glaubhaft, ich kann mir gut vorstellen, dass die Ehe zwischen Hemingway und Gellhorn so abgelaufen ist, dass die Dramen sich zwischen ihnen genauso abgespielt haben. Das ist auch mein einziger Kritikpunkt: die Dramen waren für mich ab und zu etwas aufgesetzt. Ich kann nichts mit überdramatisierenden, künstlich aufgebauschten Problemen anfangen, die auf einmal aus dem Nichts kommen – obwohl ich glaube, dass es bei den beiden durchaus so gewesen sein könnte. Hemingway hat für mich oft gewirkt wie der klischeehafteste Künstler überhaupt, viel zu exzentrisch und mit dieser Art kann ich nichts anfangen.
Unterm Strich ein sehr berührender, biographischer Roman über eine wahnsinnig interessante Frau und eine sehr turbulente Zeit. Das Buch hat es immer wieder geschafft, dass ich nebenbei einzelne geschichtliche Fakten nachrecherchiert habe, hat in mir das Interesse geweckt, mehr über gewisse Persönlichkeiten herauszufinden ich habe mir wirklich viele Stellen – ob berührend, tragisch oder einfach gut geschrieben – im Buch markiert. Ich hätte mir gewünscht, mehr Zeit für das Buch zu haben, denn es verdient die volle Aufmerksamkeit des Lesers. Deswegen werde ich es auf alle Fälle nochmal lesen.