Victor ist ein IT-Boy bzw. IT-Mann mit einem IT-Beruf, nämlich Investmentbanker. Er kennt alle Schlupflöcher und weiß, wie man sich durchschlägt. Und er hat einen kritischen Blick auf die deutsche Gesellschaft, einen, in dessen Ansichten man sich durchaus auch mal wiederfinden kann - ich zumindest. Aber allzu zielorientiert ist er - trotz beruflichen Erfolgs und des damit verbundenen großen materiellen Reichtums - nicht. Er ist ein Typ, der sich nimmt, was er braucht, der andere auf Abstand hält. Von der Mutter seiner Tochter ist er seit langem getrennt, denn "eine Konstante in seinem Leben war schon immer das Gefühl gewesen, sich gerade in einer Übergangsphase zu befinden." (S. 15)
Inzwischen Mitinhaber einer kleinen, aber erfolgreichen Privatbank, erfährt er Überdruss, ja Langeweile, die sich durch Zynismus wie auch einen abschätzigen Blick auf seine Umgebung und nicht zuletzt auf sich selbst äußert. Und durch eine gewisse Kreativität: Er schreibt so ein bisschen vor sich hin und zwar einerseits an einem verwegenen Roman, der streckenweise auch aus der Werkstatt eines Konsalik oder auch von Hanni Münzer stammen könnte, so rund geht es da.
Seine Gedanken zu dem Leben in Deutschland jedoch bündelt er in einem Manifest, in dem er unter anderem - und das trotz seiner eigenen, stark untertrieben gesagt, ausgesprochen rosigen finanziellen Lage - eine Obergrenze für Vermögen fordert. Die Regulierung nicht nur dieser Maßnahme soll auf eine sehr eigene Art und Weise, nämlich durch die Gründung der weltgroßen staatlichen Fondsgesellschaft GINA (German Investment Authority), erfolgen.
Eigentlich einfach mal so verfasst, beinhaltet es jede Menge Gedanken zum Leben in Deutschland, zur Gesellschaft und Wirtschaft und zum Umgang damit. Diese macht sich Victors Studienfreund Ali Osman, seit Jahren erfolgreich als Grünen-Politiker tätig, für die Neugründung einer Partei zu eigen. Einer Partei mit einer populistischen Ausrichtung, wie sie gerade quasi aus dem Boden sprießen. Und schon findet sich ein neuer Weg für Victor - in Richtung der politischen Bühne.
Wird er dort reüssieren? Und wird er den Werte, die für ihn dann doch immer wieder mal eine Rolle spielen, allem voran die Verbindung zu seiner von ihm getrennt lebenden, ihm jedoch sehr nahestehenden Tochter Victoria, treu bleiben können. Einer Tochter, der er Gott und die Welt erklärt, die er darüber informiert, dass die Deutschen früher einmal richtig böse waren - was Grund ist für die titelgebende Fragestellung (siehe oben).
Wie sie jetzt oder in Zukunft sind oder sein könnten - davon können Sie sich mithilfe dieses Romans ein teilweise durchaus erschreckendes Bild machen. Mich hat vor allem die Erkenntnis bewegt, dass viele extreme Gedanken aus Langeweile oder Teilnahmslosigkeit entstehen. Keine leichte Kost, auch keine, die für mich durchgehend gut zu verdauen war - doch gelohnt hat es sich alle Male. Für alle, die erfahren möchten, was sich möglicherweise in ihrer Umgebung so tut.