Toll geschrieben: Dystopie und Jugendbuch, ohne (nur) die Klischees beider zu erfüllen
Wieder schreibt Alina Bronsky ein dystopisches Jugendbuch, das "selbst ich" gut finde - und ich fremdele (und das ist zurückhaltend ausgedrückt) eher mit beiden Genres.
Warum fremdeln? Jugendbücher ...
Wieder schreibt Alina Bronsky ein dystopisches Jugendbuch, das "selbst ich" gut finde - und ich fremdele (und das ist zurückhaltend ausgedrückt) eher mit beiden Genres.
Warum fremdeln? Jugendbücher waren mir selbst, als ich noch in dem Alter war, häufig zu flach und zu romantisierend (eher mehr "Die Welle" zum Nachdenken). Und ich mag schon als Film wenig Fantasy/SciFi, dann aber bitte nicht auch noch pessimistisch (Star Trek geht gerade noch, bei "Highlander" mit Christopher Lambert waren die Titel von Queen toll und die Schnitte vom See auf die Oberfläche des Aquariums - aber nein danke bei Matrix, Vampirserien, Übersinnlichem...).
Warum dann hier? Juli ist eine weibliche Hauptfigur, gegen die sich nicht alles in mir sträubt, im Gegenteil: Heldin eher widerwillig, keine "Tussi", Denken durchaus erwünscht, Vorurteile werden auf den Prüfstand gestellt - und das alles ohne Attitüde von "Teenager müssen dauer-bockig sein" oder "ich sitze hier und hoffe, dass er mich liebt, heul" oder "sehe ich gut aus?". Ja, ich mag keine Bücher für Mädchen, in denen eine Passivität proklamiert wird wie in den 50er-Jahre-Versionen von unserem Dachboden!
Dystopisches? Gibt es. Gefühlt weniger dezent als im Vorgänger "Spiegelkind", der sich erst nach genauerem Hinsehen offenbarte, aber immer noch mit genug "Ausgleichselementen", um mir trotzdem zu gefallen: der tolle Schreibstil der Autorin, die poetischen Elemente wie der Wald, der sich seinen Raum zurück erobert, und besonders die Möglichkeit, Themen im Buch zu übertragen: die Angst vor dem Fremden, die Ausgrenzung und Verfolgung bestimmter Gruppen, "entartete Kunst",... man möchte das eigentlich auf keinen Fall in die Hände von Lehrern für Deutsch oder Sozialkunde geraten lassen.
Im Gegensatz zum Vorgänger, der auch für sich allein stehen konnte, benötigt dieser zweite Band der noch unvollständigen Trilogie nach meiner Meinung das erste Buch, beide schließen aber immerhin nicht mit Cliffhangern (mein Abwahlkriterium).
Teils sehr düster und eher nicht für jüngere Teenager geeignet (Isolationshaft, Obdachlosigkeit, Dauer-Verhöre, Bedrohung mit Hinrichtung,...), dadurch aber durchaus einiges an Tiefe.
Hinsichtlich der geradezu poetischen Bilder und Anspielungen tatsächlich noch besser als Spiegelkind, dafür aber mir in einigen Elementen etwas zu mystisch-abgehoben (Zeitebenen, das Quadrum - wobei das schon Charme hat) und irgendwie auf mich einen Hauch zu unfertig wirkend - ja, das Genre - daher einen halben Punkt schlechter bewertet als Band 1. Band 3 hätte ich dann aber dennoch und deswegen auch mal ganz gern auf dem Markt gesehen!