Verwirrender Spionagekrimi
Vor 5 Jahren hat Georg Borgmann den Journalisten Karl Wieners, seinen alten Schulfreund, nach München zurückgeholt und ihn für seine Zeitschrift „Blitzlicht“ angeworben. Inzwischen ist Karl ein erfolgreicher ...
Vor 5 Jahren hat Georg Borgmann den Journalisten Karl Wieners, seinen alten Schulfreund, nach München zurückgeholt und ihn für seine Zeitschrift „Blitzlicht“ angeworben. Inzwischen ist Karl ein erfolgreicher Schriftsteller, während Georgs Zeitung langsam den Bach runtergeht. In der Hoffnung, es würde die Auflage des Blattes steigern, soll Karl eine politische Enthüllungsgeschichte über Emigranten aus dem Ostblock schreiben und herausfinden, welche Rolle der ehemalige Schwarzmarktkönig Walter Blohm, jetzt ein erfolgreicher Bauunternehmer, dabei spielt. Als Fotografin soll Karl seine Nichte Magda wieder mit ins Boot holen. Aber die ist inzwischen Blohms Frau, würde sie wirklich ihren eigenen Mann bespitzeln?
Parallel wird Privatdetektiv Ludwig Gruber, ein ehemaliger Polizist und alter Freund von Karl, von einem Jungen engagiert der glaubt, dass sein älterer Bruder von dem Heimkehrer getötet wurde, der sich als sein Vater ausgibt, es aber nicht ist. „Ich will meinen Papa, meinen echten Papa! Können Sie ihn finden?“ (S. 125)
„Die Nachtigall singt nicht mehr“ ist nach „Die im Dunkeln sieht man nicht“ der zweite Teil der Trilogie um Karl, Magda und Ludwig. Seit ihren ersten gemeinsamen Ermittlungen hat sich die Lage in München deutlich verbessert. Doch jetzt wird die Angst vor dem Ostblock geschürt, vor dem nächsten Krieg. Immer mehr Emigranten kommen in den Westen und es ist klar, dass auch Spione darunter sein müssen. Einen offiziellen Geheimdienst gibt es noch nicht, aber es geht das Gerücht um, dass die Organisation Gehlen bald in einen solchen umgewandelt werden soll.
Vor diesem Hintergrund hat Andreas Götz seine Handlung angesiedelt. Karl und Magda bekommen den Tipp, sich den slowakischen Exilpolitiker Tomáš Čierny genauer anzusehen, der oft mit Blohm zu tun hat. Dabei lernen sie dessen Assistentin Agota kennen, die Karl und Magda gleichermaßen fasziniert.
Mir hat bei diesem Teil leider die Spannung gefehlt. Ich fand die politischen Hintergründe und Verwicklungen zum Teil sehr verwirrend und undurchschaubar, die Auflösung des Ganzen am Ende zu konfus und konstruiert, auch wenn das Milieu der (angeblichen) Spione und Emigranten sehr interessant war. Da die zwei parallelen Stränge um Karl und Ludwig augenscheinlich nichts miteinander zu tun haben, hat der dauernde Wechsel zwischen ihnen immer wieder meinen Lesefluss unterbrochen.
Für mich lebte die Handlung vor allem durch die vielschichtigen und oft undurchsichtigen Protagonisten mit ihren Ecken und Kanten. „Wir haben alle unsere Geheimnisse und müssen manchmal Dinge tun, die wir nicht tun wollen, damit sie auch geheim bleiben.“ (S. 24)
Ludwig trauert um seine Frau und muss seine beiden Söhne allein aufziehen. Er wird heftig von den ledigen Frauen in seiner Umgebung umgarnt und weiß gar nicht, wie er sich gegen die Avancen wehren soll. Außerdem hat er ein viel zu großes Herz mit seinen Klienten. „Normalerweise achte ich sehr auf Recht und Gesetz. … Aber in manchen Fällen steht das Recht gegen eine höhere Gerechtigkeit, und wenn die Sache so liegt, dann schlage ich mich auf die Seite der höheren Gerechtigkeit.“ (S. 30)
Karl hat seine Frau und die beiden Töchter im Krieg verloren und kann sie einfach nicht vergessen. Er hängt sehr an seiner Nichts Magda, mehr als für beide gut ist und als es deren Mann recht sein dürfte. Außerdem verheimlicht er ihr etwas Essentielles.
Magda liebt ihren Mann nicht, aber er bietet ihr ein sorgenfreies Leben und materielle Sicherheit. Das ist mehr, als sie sich je erträumt hat. Dafür arrangiert sie sich mit ihm und lässt ihn in dem Glauben, dass sie ihn ebenfalls liebt. Ihre wahren Gefühle vor ihm zu verbergen gleicht einem Drahtseilakt, sie fühlt sich oft beobachtet. „Sie kam sich vor wie eine Schauspielerin, die zu viele Rollen zugleich spielen musste und immer in der Angst lebte, irgendwann den falschen Text zu sagen, die falsche Regung zu zeigen.“ (S. 76)
Walter Blohm ist zwar ein erfolgreicher Bauunternehmer, scheint aber nebenher auch noch andere Geschäfte laufen zu haben, die er vor Magda und allen anderen verheimlicht. „Je weniger du weißt, desto besser für dich. … Wenn ich falle, sollst du nicht mit mir fallen. … Ihr dürft niemals Teil von dem sein, was mich angreifbar macht.“ (S. 57)
Besonders spannend fand ich Agota, die Blohm als Freundin für Magda ausgesucht hat, was diese ihr allerdings sofort sagt. Sie ist extrem wandelbar und geheimnisvoll.
Mein Fazit: Der Kriminalfall war zwar nicht meins, aber ich mochte die Ermittler und ihre explosiven Beziehungen untereinander sehr und werde auch den Abschluss der Trilogie lesen.