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- Verlag: Kovac, Dr. Verlag
- Genre: keine Angabe / keine Angabe
- Seitenzahl: 338
- Ersterscheinung: 03.2007
- ISBN: 9783830027973
Die Vaterstädtische Stiftung in Hamburg in den Jahren von 1849 bis 1945
... einen Akt der Gerechtigkeit durch einen Akt der Wohlthätigkeit zu verewigen...
Als am 10. Juni 1849 der "Schillingsverein für Freiwohnungen" in Hamburg gegründet wurde war nicht abzusehen, dass dieser der Wegbereiter für die noch heute grösste Stiftung für Freiwohnungen in der Stadt werden sollte. Wohlhabende Bürger mit einem ausge- prägten Sinn für das Gemeinwohl hatten seit Jahrhunderten eine hohe Zahl von Gebäuden mit kostenlosen Wohnungen gestiftet, um damit bestimmte Bevölkerungsgruppen vor der Verarmung zu bewahren. Diese Einrichtungen stellten eine bedeutende Gruppe in der vielgestaltigen Stiftungshauptstadt dar, deren Entstehung stets gefördert wurde. Die jüdischen Initiatoren dieses Vereins hingegen, überwiegend Kaufleute und einige Akademiker, erfuhren zunächst erhebliche Widerstände von Seiten der Instanzen, bis sie ihre Stif- tung etablieren konnten. Diese sollte mit konfessioneller Parität, demokratischer Mitbestimmung und auf Expansion ausgerichtet eine neue Richtung im Stiftungswesen einschlagen, fernab der herkömm- lichen patriarchalischen Prinzipien. Den Beschluss hatten die Gründer im Februar 1849 gefasst, als infolge der Märzrevolution die bürger- liche Gleichstellung der Juden in der Hamburger Verfassung veran- kert worden war. Für dieses Ziel hatten sich die neuen Bürger in der jüdischen und der politischen Reformbewegung engagiert und wollten nun diesen bedeutenden Fortschritt im Emanzipationsprozess mit ihrer Stiftung würdigen. Die Allgemeine Armenanstalt und mass- gebliche Behörden erhoben letztlich Einsprüche aus Konkurrenzfurcht und wegen einer vermeintlich politisch-revolutionären Intention, wo- bei auch antijüdische Misstöne aufklangen. Jedoch hielten die Urheber an ihrem innovativen Stiftungskonzept mit Vereinselementen fest und fanden dabei auch wie vorgesehen Unterstützung im liberalen christ- lichen Bürgertum. Zwei Jahre später bezogen dann sechs jüdische und sechs christliche Familien das erste Stift der "Stiftung zum An- denken an die bürgerliche Gleichstellung der Hamburger Israeliten", seit 1876 die "Vaterstädtische Stiftung". Als der Wohnungsmangel zur Zeit der Urbanisierung dramatisch an- stieg wurde der Ausbau auf schliesslich elf Stifte vorangetrieben. Die Verwaltung der mehr als 500 Wohnungen mit über 600 Bewohnern und bis zu 1200 Mitgliedern organisierte der Vorstand effektiv wie das Management eines Unternehmens. Bemerkenswert war vor al- lem, dass dieser Ausbau nicht aus einem hohen Stiftungskapital er- folgte, sondern eher gemäss modernem Fundraising. Möglich wurde die Vergrösserung erst durch die Spenden und häufig beträchtlichen Zustiftungen aus dem jüdischen Bürgertum, für das die Stiftung als Monument der Gleichstellung auch eine ideelle Bedeutung hatte. Die biographischen Skizzen aller 75 Vorstandsmitglieder, darunter pro- minente Vertreter des jüdischen und christlichen Bürgertums, zeigen darüber hinaus ein hohes gemeinnütziges Engagement auf. Dessen Vielfalt weist netzartige Verflechtungen mit Schnittmengen zwischen Juden und Christen, aber auch signifikante Abweichungen auf. Der herausragend hohe Einsatz der jüdischen Administratoren für tradi- tionelle und säkulare wohltätige Ziele spricht dabei für eine dauer- hafte Bindung an die Normen der jüdischen Sozialethik. Diese moderne Bürgerstiftung hatte viele Wohltäter zum Stiften ani- miert und genoss 1933 ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Von den schärfer werdenden antijüdischen Massnahmen wurde jedoch auch diese Stiftung betroffen und die verhängnisvollen Umstände der "Arisierung" im Jahr 1938 schnitten die wohltätige, demokra- tische Tradition ab; Menschen und Gebäude wurden separiert in "jüdisch" und "arisch". Die einzelnen für Juden bestimmten Stifte, sogenannte "Judenhäuser", mussten zum Zwangsaufenthalt vieler jüdischer Menschen vor ihrer Deportation werden, womit ihre eigentliche Bestimmung in ihr Gegenteil pervertiert wurde. 1945 wurde dann trotz aller menschlichen Tragödien an eine brachge- legene, positive Tradition angeknüpft, die das Hamburger Stif- tungswesen wesentlich bereichert hat.
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