Interessant. Im Zentrum steht jedoch Pasternak und der Roman, nicht Olga/Lara
Die meisten kennen sicher den Film “Dr. Schiwago” mit Omar Sharif und Julie Christie.
Unter welch dramatischen Umständen der Roman, für den Boris Pasternak später den Nobelpreis erhalten sollte, veröffentlicht ...
Die meisten kennen sicher den Film “Dr. Schiwago” mit Omar Sharif und Julie Christie.
Unter welch dramatischen Umständen der Roman, für den Boris Pasternak später den Nobelpreis erhalten sollte, veröffentlicht wurde, ist sicher den wenigsten bekannt.
Die versuche Stalins, den Romans zu unterdrücken, zeigt die Grausamkeit des damaligen Regimes und welchen Repressalien u.a. Schriftsteller und andere Künstler ausgesetzt waren.
Durch verschlungene Wege gelangte “Dr. Schiwago” schließlich ins Ausland.
Anna Pasternak hat ihr Buch nach der zentralen weiblichen Figur des Romans benannt - Lara. Als Inspiration für diese Protagonistin diente Boris Pasternak beim Schreiben seine Geliebte Olga Iwinskaja.
Olga hatte sich unermüdlich für die Veröffentlichung eingesetzt und musste schließlich dafür büßen. Statt Pasternak anzugreifen, wurde seine Geliebte zweimal für mehrere Jahre in ein Umerziehungslager gesteckt und dadurch von ihren beiden Kindern Mitja und Irina getrennt.
Pasternak hat Olga nicht geheiratet und nicht geschützt.
Der Klappentext verspricht: “Basierend auf Archivmaterial und Quellen aus Familienbesitz erzählt die Großnichte des Literaturnobelpreiträgers die Lebensgeschichte der Frau, die Pasternak zu Lara in Doktor Schiwago inspirierte.”
Leider konzentriert sich der Hauptteil des Buches stattdessen auf Boris Pasternak und die Veröffentlichung seines Romans. Ebenso wird seine lange Krankheit und seine Beerdigung beschrieben.
Mehrere Passagen unterlegt die Autorin mit Zitaten aus “Dr.Schiwago”, um die Gefühle, die Boris Pasternak gegenüber seiner Geliebten Olga empfand, zu illustrieren.
Für die Lebensgeschichte Olgas bleibt wenig Platz. Wir lernen sie kennen, als sie im Alter von 34 Jahren Boris Pasternak trifft. Auch ihr Aufenthalt im Gulag und die Verhöre werden beschrieben. Doch in welchen Punkten unterscheidet sich sich von Lara?
Eine verschenkte Chance.
Mich interessiert die Frau, die als Geliebte leben musste, während Pasternak mit seiner Frau und seinen Kindern zusammenwohnte.
Wie empfand Olga den fünfjährigen Aufenthalt im Gulag? Hat sie je daran gedacht, Pasternak zu verraten, um zu ihren Kindern zurückzukommen?
Anna interviewtel auch Irina, Olgas Tochter, in Paris.
Hier hätte mich interessiert: Was fühlte Irina, als sie ihre Mutter wiedersah? War sie wütend, dass ihre Mutter Pasternak “vorzog”?
Woran glaubte Olga? Warum blieb sie mit Pasternak zusammen, obwohl er seine Frau nicht verließ? Selbst dann nicht, als sie fünf Jahre für ihn im Gulag abgesessen hatte?
Wie überstand sie die harte Zeit im Arbeitslager?
Hat sie jemals an Selbstmord gedacht?
Was dachte sie über Männer und Frauen und die Ehe?
Einen Großteil der Geschichte um die Veröffentlichung des Buches und Olgas Inhaftierung kannte ich bereits, da ich kurz vorher den Roman “Alles was wir sind” gelesen hatte. Die Handlung, die sich auf Pasternak und Olga bezieht, stimmt in beiden Bücher sehr stark überein.
Eine interessante Geschichte, wenn auch nicht die Lebensgeschichte Olgas.
Leider blieben viele Fragen für mich unbeantwortet.
Wer Fan des Romans und Pasternaks ist, der wird dieses Buch sicher interessant finden. Anna Pasternak schildert sehr sachlich, detailreich und mit zahlreichen Verweisen und Zitaten.
Wer gern unterhalten werden möchte, dem lege ich den Roman “Alles was wir sind” ans Herz. Dort erfährt man zum großen Teil auch das, was in diesem Buch steht. Und in einem zweiten Handlungsstrang geht es um eine junge Frau in den 50ern, die als Spionin bei der CIA ausgebildet wird und mit der Veröffentlichung von “Dr. Schiwago” zu tun hat.