Was zu erwarten war …
Das Buch bietet Lesestoff für etwa 5 Stunden. Enthalten sind vier Geschichten von vier Autorinnen, in denen es sich um Weihnachten, winterliche Landschaften und vor allem Liebe (klassisch mit Mann und ...
Das Buch bietet Lesestoff für etwa 5 Stunden. Enthalten sind vier Geschichten von vier Autorinnen, in denen es sich um Weihnachten, winterliche Landschaften und vor allem Liebe (klassisch mit Mann und Frau) dreht.
Die Geschichten 1 bis 3 haben weibliche Blickwinkel, spielen in den 1910ern/1920ern mit entsprechenden Standesunterschieden, die Geschichte 4 ist mit allwissendem Erzähler in naher Vergangenheit verortet.
Zu „Heller Stern“ von Hanna Caspian fällt auf, dass das Dilemma um ein verlorenes Schmuckstück so oft wiederholt wird, dass ich innerlich die Augen verdreht habe. Solche Stellen verleiten zum Querlesen, ohne etwas zu verpassen. Der Verlauf der Geschichte ist klischeehaft und vorhersehbar. Beim Nahebringen des jeweiligen Umfelds zeigt sich, dass die Autorin ihr Handwerk beherrscht. Für mich die schwächste Geschichte.
„Summerlight House“ von Martina Sahler ist eine Geschichte über einen längeren Zeitraum im England der 1920er um eine starke, liebenswerte Frau. Ihre Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle geraten eindringlich. Die Beschreibungen zur Umgebung bilden Kontraste ab, zeugen von Hingabe, insbesondere in Bezug auf Pflanzen, sind atmosphärisch. Besonders positiv werte ich die Bezüge zum Ersten Weltkrieg, die nicht ins Politische verfallen, sondern Emotionen auslösen und damit gut in die Rubrik Weihnachtsgeschichte für gemütliche, kuschelige Abende nebst heißem Getränk passen. Verlauf und Abschluss geraten stimmig, nicht zu kitschig, realistisch, lassen mitfiebern, gehen ans Herz. Mein Platz 1.
„Weihnachtsversprechen“ von Karin Baldvinsson krankt zwar auch wie die erste Geschichte an einer gewissen Vorhersehbarkeit, fühlt sich aber gut an. Die Protagonistin ist sympathisch. Die Einbindung isländischen Brauchtums verleiht Flair. Es kommt rüber, dass der Autorin das Land viel bedeutet. Mir gefallen Intellekt, Schlagabtausch und Funkenflug. Eine Prise Erotik ist zudem enthalten. Teilt sich mit Geschichte 4 das Mittelfeld im persönlichen Ranking.
„Heimkehr“ von Anne Jacobs ist stilistisch andersartig. In Friedel und Jule konnte ich mich hineindenken und sympathisieren. Toll ist der bissige Wortwitz. Trotz treffender Verortung nicht die typische Weihnachtsgeschichte, weil Familienstreitigkeiten inkl. Erbe im Mittelpunkt stehen. Je nach persönlicher Vorgeschichte kann das negative Gefühle hervorrufen. Aus der Vergangenheit als Entwicklungshelfer hätte man mehr herausholen können. Jule wirkt dafür, dass sie angeblich im Himalaja war, unbeholfen. Die Wahrheit zur Oma bildet eine willkommene Überraschung. Mir gefallen der schwer vorhersehbare Verlauf und das passende Ende.
Insgesamt vergebe ich drei Sterne mit Tendenz zu vier. Das Buch hält zwar was es verspricht, wirkt aber etwas mutlos und uninnovativ. Schöne junge Frau, anbetungswürdiger erfolgreicher Mann, viel Schwarz-Weiß-Zeichung, kaum Wow-Effekt. Eine Fingerübung in gewohntem Metier für die erfolgreichen Autorinnen. Ein paar mehr Seiten für Wendungen hätten gut getan. Die Geschichten eint das Erlebbarmachen von Schnee, Weihnachten und Hoffnung auf eine bessere Zukunft.