Cover-Bild Homo occidentalis
49,90
inkl. MwSt
  • Verlag: Velbrück
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Soziologie und Anthropologie
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Seitenzahl: 960
  • Ersterscheinung: 01.06.2011
  • ISBN: 9783942393034
Arno Bammé

Homo occidentalis

Von der Anschauung zur Bemächtigung der Welt. Zäsuren abendländischer Epistemologie
Arno Bammé geht es in diesem Buch darum, die sozialhistorischen Wurzeln der gegenwärtigen Problematik im Verhältnis Natur/Gesellschaft/Wissenschaft/Technik deutlich zu machen. Ausgangspunkt seiner Argumentation ist David Bloors Edinburgh Strong Programme, demzufolge auch der »hard core« der Wissenschaft sozialen Ursprungs ist. Sein Ziel ist es, der tatsächlichen historischen Entwicklung, die sehr chaotisch verlaufen ist, soziologisch eine Struktur zu geben – in Form dreier Zäsuren, wobei das Wechselverhältnis von Wissenschaft, Technik und Gesellschaft im Vordergrund steht.

Die erste Zäsur, das griechische Mirakel, zeichnet sich dadurch aus, dass die Beziehungen der Menschen zueinander, gemeinhin die Gesellschaft, auf eine rationale Basis gestellt werden. Erstmals in der Geschichte beherrschten abstraktes Denken, Behauptung, Diskussion und Beweis die zwischenmenschliche Kommunikation, und ihr Ziel war die Wahrheitsfindung. Das aber, was die Griechen in diesem Zusammenhang als Gesetz bezeichneten, bezog sich allein auf Soziales, nicht auf Natur. Sozialökonomische Grundlage ist die Entstehung eines äußeren Marktes, einer Warenproduktion in ersten Ansätzen. Stichworte und Personifizierung hierfür sind Verrechtlichung, gemünztes Geld, Alphabet-Schrift, Odysseus, Archilochos.

Die zweite Zäsur, das europäische Mirakel, zeichnet sich dadurch aus, dass die Beziehungen der Menschen zur Natur auf eine rationale Basis gestellt werden. Es entsteht ein innerer Markt, der die Arbeitskraft des Menschen und Grund und Boden zur Ware macht, und auf die Produktion selbst zurückschlägt. Parallel dazu entsteht als Fortsetzung der griechischen Protowissenschaft eine (Natur-)Wissenschaft, die durch Axiomatik und Empirie (messendes Experiment) gekennzeichnet ist. Stichworte und Personifizierung hierfür sind die große Industrie, das Labor, Robinson, Newton (nicht so sehr Galileo und Bacon), Marx.

In der dritten Zäsur, in der Gesellschaft und Natur zu einem Hybrid verschmelzen, werden die Beziehungen der Menschen zu diesem Hybrid auf eine rationale Basis gestellt. Die Gesellschaft selbst, nenne man sie nun »Wissensgesellschaft«, »Umwelt« oder »Weltgesellschaft«, wird zum Labor, zum Experimentierfeld. Ob Tschernobyl, Ozonloch oder BSE, in allen Fällen hat die traditionelle Unterscheidung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Wissenschaft an Bedeutung verloren. Wissenschaftliche Experimente haben die geschlossenen Räume der Laboratorien verlassen. Sie werden heute im Maßstab 1:1 und in Echtzeit durchgeführt.

Das Verhältnis von Wissenschaft, Technik und Gesellschaft wird ausgehend von Max Webers Rationalitätskonzept als Implikationsverhältnis von Individuum und Gesellschaft (Psycho- und Soziogenese) entwickelt. Mit dem Schwerpunkt, der auf der Entfaltung kognitiver Strukturen (Piaget) sowohl im Individuum als auch in der Gesellschaft liegt, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei Zäsuren als Momente eines sozialhistorischen Entwicklungsprozesses dargestellt, um David Bloors erkenntnistheoretischen Anspruch einzulösen und die gegenwärtige Kontroverse um akademische und postakademische Wissenschaft als Zwischenstufe dieser Entwicklung zu deuten.

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