Anschaulich & solidarisierend
Bana lebt mit ihren Eltern, ihrem Bruder, den Großeltern und weiteren Verwandten in Aleppo, Syrien. Ihre Eltern gehen zur Universität bzw. arbeiten als Rechtsanwalt und auch Bana geht gerne zur Schule. ...
Bana lebt mit ihren Eltern, ihrem Bruder, den Großeltern und weiteren Verwandten in Aleppo, Syrien. Ihre Eltern gehen zur Universität bzw. arbeiten als Rechtsanwalt und auch Bana geht gerne zur Schule. Sie liebt Bücher und ihre Puppen und fühlt sich im Familienverbund geborgen. Aber ein auf den anderen Tag ist es mit dieser Idylle vorbei: Bana wird ein Kriegskind.
In ihrer Biografie beschreibt sie in kindlicher Weise, aber dennoch schon fast erschreckend abgeklärt, die Fliegerangrifft, Geräusche von Gewehren und Belagerungen ganzer Straßenzüge. Sie nimmt uns mit in die Welt von Durst, Hunger, Staub, Krach, Verlust... „Wir flüchteten uns ins Nachbarhaus, und die Leute, die dort wohnten, nahmen uns auf. Sie gaben uns Decken und etwas zu trinken. Wasser schmeckt einfach köstlich, wenn man lange nichts getrunken hat. Es tut so gut, wenn es einem durch die trockene Kehle rinnt. Ich konnte spüren, wie es in meinem Magen ankam, der war nämlich ganz leer...“ (Auszug Seite 46/47)
In ihrer kindlichen, verschachtelten Sprache zeigt uns die junge Autorin, wie sie über den Krieg denkt. Dabei klingen ihre Erfahrungen anfänglich gar nicht politisch, sondern es geht um Puppen, Freundschaft und bunte Barbie-Gummistiefel. Erst im Laufe des Buches hinterlässt der Krieg auch Spuren im Schreibstil Banas und man merkt, dass das Mädchen immer schneller „erwachsen“ wird. Familie steht bei ihr weiterhin im Vordergrund (immerhin hat sie während des Krieges einen weiteren Bruder bekommen), aber mithilfe der Social Media und ihrem iPad wird Bana zusammen mit ihrer Mutter immer mehr zu einem politischen Mittelpunkt, was zu einem deutlichen Stilwechsel im Buch führt.
Banas Mutter schreibt übrigens von Anfang an parallel zu ihrer Tochter (durch Veränderung im Schriftbild abgesetzt) ihre eigenen Erfahrungen; sie beginnt mit dem Kennenlernen von Banas Vater, dem Leben vor Banas Geburt und wie sich ihr Leben dann mit zwei Kindern zuträgt. Sie schreibt zwischen den einzelnen Kapiteln immer wieder über ihre eigenen Gedanken zu ihrer Schwangerschaft während des Krieges und ihre Flucht in die Türkei. Dabei zeigt sie neben Verzweiflung, auch viel Mut und vor allem Bewunderung ihrer Tochter gegenüber. Wir erfahren somit die Geschichte der Familie aus zwei Sichtweisen, wobei beide zusammen ein gelungenes Gesamtbild abgeben.
Abgerundet werden die geschrieben Worte durch Fotos – mal aus glücklicheren Zeiten, mal als Erinnerung zu den kurzen, wertvollen Momenten zwischen den Angriffen, mal als Mahnmal des Kreuels.
Ich finde das Buch recht gelungen. Auch wenn ich es beim ersten Lesen gar nicht so als eindrücklich empfand und mich auch zum Ende hin an so manchem politischen Aufruf bzw. Vorwurf anstieß, so führt mir das Buch spätestens bei der täglichen Abendnachrichtensendung wieder vor Augen, dass Bana die Realität erlebt und uns diese mitgeteilt hat. Ihre Autobiografie lässt mich so manche TV-Bilder mit anderen Augen sehen und verstehen. Und das ist gut so.
„Das Mädchen von Aleppo“ ist ein Baustein an Information, der wertvoll ist, um das Kriegsgeschehen und auch die Menschen, die dadurch betroffen sind, besser zu verstehen. Und ein Ziel hat Bana Alabed erreicht: sie solidarisiert „Ich widme diess Buch allen Kindern, denen in Kriegen Leid geschieht. Ihr seid nicht allein.“ (Zitat Buchcover).