Wer bin ich eigentlich?
Liebe Daffy,
erinnerst du dich noch an all diese wirren Gedanken, als man erwachsen wurde? Man fühlt sich eigentlich schon groß und trotzdem hinterfragt man jeden Schritt. So geht es Pippa im zweiten ...
Liebe Daffy,
erinnerst du dich noch an all diese wirren Gedanken, als man erwachsen wurde? Man fühlt sich eigentlich schon groß und trotzdem hinterfragt man jeden Schritt. So geht es Pippa im zweiten Teil und von dem möchte ich dir im heutigen Brief berichten. Pippa. Mein (ganzes) Leben steht Kopf von Barbara Tammes ist 2018 bei Coppenrath erschienen und wieder aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann übersetzt worden.
Das Cover fühlt sich genauso toll an wie bei Pippa. Mein (halbes) Leben ist ein Ponyhof und nebeneinander sehen sie super schick im Regal aus. Wir haben hier das zweite Journal von Pippa in Händen, welches wieder mit Zeichnungen und Lettering ein ganz besonderes Leseerlebnis bietet. Findest du nicht auch, dass Lettering zu einem richtig großen Hype geworden ist, der auch noch super schick aussieht? Doch zurück zum Thema: Womit befasst sich Pippa inzwischen, wirst du dich fragen. Pippa, die in zwei Welten zuhause ist und ihren Platz zu finden versucht. Unter der Woche lebt sie bei ihrer verrückten Mutter auf einem Bauernhof, an den Wochenenden bei ihrem durchgeplanten Vater in einer großen niederländischen Stadt. Während Pippa zwischen diesen Extremen hin und her gerissen ist, stellt sie sich die Frage, was eigentlich einen guten Menschen ausmacht.
Es ist herrlich erfrischend, diese Reise mit Pippa zu gehen und ich hatte beim Lesen immer das Gefühl, einen Teil von mir in ihrer Figur wiederzufinden, aber auch, als würde ich eine kleine Schwester begleiten, die langsam erwachsen wird. Ich konnte so viele von ihren Fragen und Gedanken verstehen und die Verwirrtheit, die sie über einiges verspürt, hätte ich in der Situation genauso empfunden. So stellt sich ihr zum Beispiel die Frage, ob sie dauerhaft in der Stadt leben möchte und dort eine elitäre Schule besuchen würde oder lieber auf dem Land bei ihrer Schwester und Mutter bleibt. Oder die Frage danach, wie man erwachsen und sachlich argumentiert und Egoismus beiseite schiebt, wenn das Wohl eines anderen wichtiger sein sollte. Es ist nicht leicht, sich im und zum Weltgeschehen zu positionieren. In all dem ist Pippa aber kein rebellierender und unverschämter Teenie; sie rebelliert auf ihre Art, die teilweise vorlaut, tollpatschig, aber auch unsicher ist. Absolut sympathisch also. Dabei wirkt sie nicht inszeniert verrückt oder Fettnäpfchen suchend, es passiert einfach. Barbara Tammes hat nicht nur ein gutes Händchen, eine Geschichte aufzubauen, sondern auch, Figuren zu entwickeln, die so aus dem Leben in das Buch gefallen zu sein scheinen. Das Verlieben ist kein Vorgang von märchenhafter Schicksalsliebe, sondern richtig natürlich. Pippa ist verwirrt und unsicher, will aber trotzdem unbedingt wissen, wie es sich anfühlt, stellt mit ihrer besten Freundin Theorien auf, wie ein Kuss sein sollte und macht ihre allerersten Erfahrungen in dieser Buchreihe. Das war so niedlich, dass es mich ein bisschen an Cornelia Funkes Die wilden Hühner erinnert hat. Überhaupt möchte ich ich Pippa gern mit dieser Buchreihe vergleichen. An sich haben die Geschichten nichts gemein und auch die Schreibstile sind gänzlich verschieden. Cornelia Funkes wilde Hühner können wir anhand eines allwissenden Erzählers erleben. Barbara Tammes gibt uns durch Pippas Ich-Erzähler eine ganz andere Perspektive auf das Innenleben der Protagonistin. Aber das Gefühl beim Lesen der Geschichten ist ein ähnliches. Wenn du also Fan der Kinderbücher rund um Die wilden Hühner warst, kann ich dir Pippa nur wärmstens empfehlen. Es ist ein Kinderbuch, das ganz ohne Magie oder fantastische Elemente auskommt. Es zeigt einem die Magie des Alltags, des realen Lebens, der Familie und Freundschaft. Es gibt so viel zu entdecken und durch Pippas Augen ist es noch so viel witziger, weil sie einen tollen Humor hat und eine eigene Art, Erlebtes bildlich und schriftlich darzustellen.
Müsste ich wählen, würde ich sagen, Teil eins hat mir ein bisschen besser gefallen, aber Band zwei macht es erst rund. Und wenn dich nicht schon der Titel im Buchladen anspricht, dann konnte ich dich vielleicht mit meinem Brief überzeugen, mit Pippa und ihrer herzerwärmend verrückten Familie deine Lesezeit zu verbringen. Es lohnt sich!
Es grüßt dich ganz herzlich,
deine Daisy