Das Auerhaus, ein Ort der Freundschaft und des Lebens
Bov Bjerg, Schriftsteller, Kabarettist und Begründer einiger Lesebühnen, berichtet in seinem zweiten Roman „Auerhaus“ über Freundschaft, Jugendlichkeit und die damit verbundene Widersetzung der dörflichen ...
Bov Bjerg, Schriftsteller, Kabarettist und Begründer einiger Lesebühnen, berichtet in seinem zweiten Roman „Auerhaus“ über Freundschaft, Jugendlichkeit und die damit verbundene Widersetzung der dörflichen Enge.
Der Ich-Erzähler Höppner erzählt von dem Jahr, das er und seine Freunde im Auerhaus verbringen. Dazu gehören Frieder, Höppners kleptomanische Freundin Vera, die es mit der monogamen Liebe nicht so ernst nimmt, und die strebsame und reiche Tochter Cäcilia. Später nehmen sie die Brandstifterin Pauline, die Frieder in der Psychiatrie kennenlernt, und den kiffenden, schwulen Harry auf, der sich neben der Lehre zum Elektriker am Stuttgarter Bahnhofsstrich zusätzliches Geld verdient.
Der Grund für den Einzug in das Auerhaus ist Frieders Suizidversuch, über den er sagt: „Ich wollte mich nicht umbringen. Ich wollte bloß nicht mehr leben. Ich glaube, das ist ein Unterschied.“ Sein Therapeut rät ihm einen Auszug von Zuhause und da er nicht allein wohnen soll, ziehen seine Freunde mit ihm in das Bauernhaus seines Großvaters. Dort wollen sie zusammen den Moment leben, das „richtige Leben“. Für sie hat es große Priorität achtzehn zu werden, denn „nicht achtzehn zu werden, war scheiße. Wenn man nicht achtzehn wurde, war alles umsonst.“
Während die Sechs ihre gemeinsame Zeit im Auerhaus verbringen, in dem sie füreinander sorgen, sich im sogenannten ‚Einkaufen‘ unterrichten, damit sie der Dorfpolizist nicht erwischt, und über das Leben reden, fühlen sich die anderen Oberstufenschüler auf dem Gymnasium heimisch: „Hätte man sie vor einer Klausur gefragt: ‚Wozu lebst du eigentlich?‘, hätten sie geantwortet: ‚Das kommt nicht dran, das müssen wir nicht wissen.‘“ Während die anderen Oberstufenschüler sich also darauf vorbereiten, in die (beruflichen) Fußstapfen ihrer Eltern zu treten, hat die Schüler-WG andere, beziehungsweise noch keine konkreten Pläne: Höppner heftet die Einladungen zur Musterung lieber in seinem Ordner ab, statt ihnen nachzugehen, weil er bei der Bundeswehr kein „Spezial-Schwachmat“ werden, sondern lieber nach Berlin gehen möchte.
Bov Bjerg lässt den Ich-Erzähler die eigenen Regeln, die im Auerhaus herrschen, und die Ansichten über die Außenwelt, vertreten durch die Lehrer, Mitschüler, Eltern, Bundeswehr und den Dorfpolizisten, darstellen. Die Beobachtungen über die Welt, die die Freunde formulieren sind immer pointiert, teils nüchtern: „Die klügsten und freundlichsten Frauen hatten die dümmsten Arschlöcher zum Mann“, teils zynisch: „Ich sucht doch dauernd nach dem Sinn. Hier, Suchscheinwerfer. Könnt ihr überall suchen damit“, teils scharfsinnig: „Ein Gehirn mit Depressionen, das war wie ein Fahrrad mit einem kaputten Tretlager. Man konnte strampeln, wie man wollte, aber man kam doch nicht vom Fleck.“
Der Roman lässt den Leser durch den jugendlich-lockeren und zugleich ernsthaften, oft zynischen, Ton der Protagonisten zu einem Teil des Auerhauses werden und bringt so die jugendliche Mentalität in der westdeutschen Provinz der 80er Jahre zum Ausdruck.