Anders als erwartet
Liebe Daisy,
du weißt ja, dass ich vergangenen Sommer in Irland war. Es hat mir dort einfach so gut gefallen, dass ich es nicht lassen konnte, gleich noch einmal hinzufahren. Dieses Mal an der Seite von ...
Liebe Daisy,
du weißt ja, dass ich vergangenen Sommer in Irland war. Es hat mir dort einfach so gut gefallen, dass ich es nicht lassen konnte, gleich noch einmal hinzufahren. Dieses Mal an der Seite von Gesine, die nach einem tragischen Schicksalsschlag fort von zuhause, in das Land der Mythen und Legenden ziehen muss. Woher ich sie kenne? Durch Blackwood. Briefe an Mich von Britta Sabbag, das 2019 bei FJB erschienen ist. Allem anderen vorweg, lass mich erwähnen, wie wunderschön das Cover gestaltet ist. Das Design und die Farben sind zauberhaft und ich hatte das Buch wieder und wieder in der Hand, bevor es schließlich (trotz des Vorsatzes aktuell keine neuen Bücher zu kaufen) irgendwann in meinen Warenkorb gewandert ist.
Aber worum geht es überhaupt? Wie schon erwähnt, ist die Protagonistin gezwungen, alleine nach Irland umzuziehen und ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Aber mit all den Mythen, an die die Einwohner des kleinen Dorfes Blackwood glauben, nicht genug: sie entdeckt eine Möglichkeit, Briefe mit ihrem zukünftigen Ich auszutauschen. Verrückte Vorstellung, oder? Wobei ich ja gestehen muss, dass ich gar nicht so genau wissen wollen würde, was in meinem Leben noch so alles passiert (mal abgesehen davon, dass sich der Lauf der Dinge durch das Wissen ja auch verändern und die Briefe unmöglich machen würde, oder nicht? – Ach, Zeitreisen. Eine ewige Verwirrung.) Gesine ist jedenfalls sehr dankbar über diese Möglichkeit, hat sie doch einige Schwierigkeiten damit, in der neuen Lebenssituation Fuß zu fassen: sie stolpert von einem Fettnäpfchen in’s nächste und muss erst lernen, sich in der Schulhierarchie zurecht zu finden.
Dieses Buch hat mir einige wunderbare Lesestunden beschert, was maßgeblich am Schreibstil lag. Der war locker, flockig und hat flüssiges Lesen sehr einfach gemacht. Ab und an waren einige Absätze unnachvollziehbar gesetzt, so dass mir im ersten Moment nicht klar war, welche der Figuren gerade spricht, aber das hat dem Gesamterlebnis keinen Abbruch getan.
Obwohl es sich um eine Ich-Erzählung handelt, war ich jedoch nicht so dicht an der Protagonistin dran, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich bin mit ihrer Figur einfach nicht warm geworden. Was nicht heißen soll, dass sie nicht gut von der Autorin gebaut war: sie war mehrheitlich konsequent geschrieben, hatte verschiedene Facetten und hat eine interessante Entwicklung durchgemacht. Diese hat mich nur leider nicht angesprochen.
Aber Eines nach dem Anderen. Ich schreibe von einer „mehrheitlich“ konsequenten Figur. Diese Einschränkung liegt daran, dass behauptet wurde, dass Gesine Wienerin ist. Soweit so gut: die Idee fand ich eigentlich sehr ansprechend und ungewöhnlich für ein Jugendbuch. Leider habe ich es Gesine nicht abgekauft, Wienerin zu sein; sie hat Worte wie „Panade“ (S. 306) verwendet, die dort einfach nicht verwendet werden. Umgekehrt hat ihr irisches Umfeld einige (wie ich annehme) bewusst österreichische Ausdrücke verwendet, was mich zusätzlich verwirrt hat: Die Landessprache ist Englisch/Gälisch (das auch immer wieder vorkam; was mir sehr gut gefallen hat). Mir ist schon bewusst, dass das eingedeutscht wurde, aber selbst dann werden die Einheimischen keine dialektischen Worte verwenden.
Ein anderer Aspekt, der mich nicht begeistert hat war Gesines Entwicklung. Ohne kleinlich sein zu wollen, fängt das schon im Kleinkindalter an. Sie hat „von Anfang an geredet wie eine Erwachsene“ (S. 62) – ich dachte, Herr Kurz wäre der Einzige, der mit einem Jahr schon in ganzen Sätzen sprechen konnte... Was mich aber noch viel mehr gestört hat, war der Umgang mit ihrem Verlust. Ich habe schon erwähnt, dass Gesine einen Schicksalsschlag erlitten hat. Ich hätte mir gewünscht, dass der Fokus darauf liegen würde, diesen zu verarbeiten und darauf, wie sie zu ihren Mitmenschen finden würde. Am Anfang des Buches sah es auch danach aus, doch dann verliebt Gesine sich von einem Augenblick auf den nächsten und kann fortan an nichts anderes mehr denken. Ich übertreibe nicht. Es folgen rund 150 Seiten, die sich ausschließlich um den von ihr erwählten Jungen drehen. Wie du weißt, mag ich Romanzen – solange sie gut in die Handlung integriert und nicht das Einzige sind, was passiert. Ich war der Tatsache, dass sie sich nicht helfen konnte, ausschließlich daran zu denken und alles andere hintenanzustellen, also schnell überdrüssig. Das fand ich sehr schade, weil mir das Buch bis zu diesem Punkt doch ganz gut gefallen hat.
Natürlich spielt auch die Magie der Briefe eine maßgebliche Rolle. Ich bin mir jedoch noch immer nicht sicher, ob es die gebraucht hätte. Die Autorin schafft, es eine wunderbar authentische Situation zu kreieren – ganz ohne Magie. Die kommt überhaupt erst nach einem Drittel des Buches ins Spiel. Und selbst dann hatte ich nicht unbedingt das Gefühl, dass sie die Handlung wesentlich vorangetrieben hat. Viel mehr war sie eine Möglichkeit, hoch philosophische Gedanken in den Raum zu werfen. Ratschläge also, die Gesine auch von anderen Menschen hätte bekommen können.
Einzig für das große Finale brauchte es die Magie wirklich. Ich muss jedoch sagen, dass sich das sehr gemacht angefühlt hat. Und ja, zugegebener Maßen, dass ich es auch nicht ganz verstanden habe. Ich glaube, es sollte hoch dramatisch sein; für mich wirkte es jedoch leider einfach nur gewollt. Sehr schade.
Wie du siehst, konnte mich das Buch nicht wirklich von sich überzeugen. Der Schreibstil und die Exposition fand ich toll, doch leider hat sich die Geschichte in eine andere Richtung entwickelt als ich es mir erhofft hatte. Obwohl der Roman als „All Age“ beschrieben wird, könnte ich mir eher vorstellen, dass sich jüngere Leserinnen ab 12 für diesen begeistern könnten.
Deine
Daffy