Auf die Freundschaft
Wer kennt die Filmszene nicht, in der Bridget Jones heulend und ungepflegt auf ihrem Sofa hockt, Unmengen Eis in sich hineinlöffelt, Wodka trinkt und dabei traurige Lieder mitgrölt? Genau so geht es Fee ...
Wer kennt die Filmszene nicht, in der Bridget Jones heulend und ungepflegt auf ihrem Sofa hockt, Unmengen Eis in sich hineinlöffelt, Wodka trinkt und dabei traurige Lieder mitgrölt? Genau so geht es Fee nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes Teddy. Sie wollten ihren Lebensabend gemeinsam genießen, die Winter in Zukunft im warmen Süden verbringen. Fee hat sogar ihren Job gekündigt, denn wenn sie sich ein bisschen einschränkten, würde seine Rente reichen. Nach Teddys Tod bricht ihre Welt zusammen, sie verbringt die Tage mit Alkohol, ungesundem Essen, Serienmarathons und ihrer Musiksammlung auf der Couch. Ausgerechnet in der Silvesternacht stellt sich ihre neue Nachbarin Claudine vor, ihr gefällt Fees Musikgeschmack, doch die will nur in Ruhe in Selbstmitleid baden. Am nächsten Tag zieht Fee endlich ehrlich Bilanz. Sie ist 57, hat in 3 Monaten 15 kg zugenommen, keinen Job, kaum noch Geld und ihre Töchter wohnen weit weg. „Reicht es nicht, dass ich alt werde, musste ich auch noch fett werden?“ (S. 35)
Zum Glück gibt Claudine nicht auf, sondern wird ihre Freundin und macht ihr einen ungewöhnlichen Vorschlag. Sie will mit ihrer Freundin Mary und Fee eine WG gründen. Drei Singlefrauen in den besten Jahren, die ab sofort füreinander da sind und ihr Leben gemeinsam statt einsam verbringen – neue Liebe(n) natürlich nicht ausgeschlossen, schließlich sind sie noch nicht tot!
Schon bei „Der Alte muss weg“ hat mich Carla Berling durch ihrem Schreibstil und ihre schrägen Figuren begeistert und auch „Klammerblus um zwölf“ hat mich wieder restlos überzeugt. Mit viel Herz und Kölscher Schnauze schreibt sie über drei Frauen, die sich trotz 60+ neu erfinden.
Fee ertrinkt in Selbstmitleid (und angefressenem Kummerspeck), als Claudine, Mary und ihr bester schwuler Freund Gerd-Karsten (ein Highlight!) ihr klarmachen, dass sie endlich die Kurve kriegen muss: „Sorry, Liebelein, du darfst dich nicht so gehen lassen, das Leben geht doch weiter, meine Güte, du musst dich aber wirklich zusammenreißen.“ (S. 60) Statt immer neuer Ausreden, braucht sie wieder eine Aufgabe und Pläne, statt Essen Freude und Erfolgserlebnisse. „Du schaust anderen beim Leben zu und vergisst dabei dein eigenes.“ (S. 99) Und dann gibt es da ja auch noch Winnetou und Taxi, die ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen …
Doch auch Claudine und Mary haben ihre Päckchen zu tragen und schwere Schicksale hinter sich haben.
Mir hat sehr gut gefallen, dass das Buch trotz des traurigen Grundthemas locker und unterhaltsam geblieben ist. Carla Berling schreibt lustig, spannend, warmherzig und gefühlvoll. Sie erzählt von Trauer und Verlust, Depressionen und schlimmen Schicksalen, aber auch von hoffnungsvollen Neuanfängen, alter junger Liebe, Freundschaften und der Freiheit, Ballast loszuwerden. „Mir wurde immer klarer, dass ich eine horrende Miete für Räume zahlte, in denen ich lauter Zeug aufbewahrte, das ich nie brauchte.“ (S. 91)
Ein echtes Highlight, ich bin schon sehr gespannt auf ihr nächstes Buch.