Cover-Bild Das Wolfsmädchen
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Europa Verlage
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Geschichte
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 29.09.2022
  • ISBN: 9783958904026
Christian Hardinghaus

Das Wolfsmädchen

Flucht aus der Königsberger Hungerhölle 1946
Im Februar 1946 trifft die elfjährige Ursula Dorn einen fatalen Entschluss. Sie lässt ihre Familie in den Ruinen Königsbergs zurück, um sich selbst vor dem Hungertod zu retten. Seit Kriegsende sind in der von den Sowjets besetzten Stadt über 70.000 Deutsche durch Hunger, Krankheiten und Gewalt verstorben, werden bis aufs Skelett abgemagerte Frauen vergewaltigt, erfrorene Säuglinge bleiben in ihren Kinderwagen zurück. Rund 20.000 verwaiste Kinder ziehen bettelnd durchs nördliche Ostpreußen. Ursula erträgt das Elend nicht mehr; sie schleicht sich in einen russischen Güterzug und fährt bis nach Kaunas, wo litauische Familien sich um deutsche Kinder kümmern. Ursula kommt zu Kräften, reist zurück und kann ihre Mutter befreien. Ihre Geschwister allerdings muss sie zurücklassen. Und auch das gelobte Land verändert sich, es tobt ein erbarmungsloser Partisanenkrieg. Fortan werden Familien, die „deutsche Faschistenkinder“ verstecken, in Gulags transportiert. Die Kinder sind gezwungen, sich in die Wälder zurückzuziehen und dort wie Wölfe zu hausen.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.10.2022

Harte Kost

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„...Über 20000 verwahrloste deutsche Kinder flüchteten infolge des Zweiten Weltkriegs ab 1946 aus dem sowjetisch besetzten, nördlichen Ostpreußen nach Litauen, um nicht den Hungertod sterben zu müssen. ...

„...Über 20000 verwahrloste deutsche Kinder flüchteten infolge des Zweiten Weltkriegs ab 1946 aus dem sowjetisch besetzten, nördlichen Ostpreußen nach Litauen, um nicht den Hungertod sterben zu müssen. Man hat sie Wolfskinder genannt...“

Mit diesen Sätzen beginnt das Vorwort des Autors. Es deutet an, was einen als Leser erwartet. Ursula, eines der Wolfskinder, steht im Mittelpunkt. Das Buch ist eine Kombination aus Lebensbeschreibung und Sachbuch. Ursulas Geschichte wechselt mit Fakten zum Zeitgeschehen.
Das Buch ist keine leichte Lektüre. Die realistische Schilderung der Verhältnisse ist teilweise extrem heftig. Es war mir nicht bewusst, was Hunger mit Menschen machen kann.
Nach Vorwort und Einleitung erfahre ich als Leser einiges über die Historie von Königsberg. Dort wurde Ursula 1935 geboren. Schon früh kümmert sich das Mädchen um die jüngeren Geschwister. Das Verhalten der Mutter ist schwer verständlich. Der Vater ist im Krieg.

„...Warum ist ihre Mutter so gefühlskalt? Warum so egoistisch?...“

Nach der Bombardierung Königsbergs spitzt sich die Situation zu. Der Mutter wird die Abreise gen Westen nahegelegt, da sie vier Kinder hat. Doch sie lehnt ab. Das wird ihr Ursula ihr Leben lang nicht verzeihen, denn sie ist es, die sich mit ihren neun Jahren nun um Lebensmittel für die Familie kümmern muss.
Immer wieder untersetzt der Autor mit Zahlen und Fakten, was das Kriegsende für Königsberg bedeutete. Hier wird nichts beschönigt, die Verbrechen beim Namen genannt. Doch dazwischen gibt es kurze Episoden der Menschlichkeit.
Ursula gelingt es, mit dem Zug nach Litauen zu kommen. Dort kann sie sich satt essen. Litauen gilt unter den Wolfskindern als das gelobte Land. Sie kehrt mit Lebensmitteln zu ihrer Familie zurück. Einer zweite Reise nach Litauen, bei der sie die Mutter begleitet, ist keine Rückkehr mehr beschieden. Die jüngeren Kinder bleiben bei einer Bekannten zurück. Das Verhältnis zur Mutter wird zunehmend ambivalenter. Ursula ist die Handelnde, die Mutter die Nutznießerin.
Nur kurze Kapitel sind der erzwungene Ausreise in die DDR gewidmet. Dort besucht Ursula die Schule und macht eine Ausbildung. 1953 flieht sie mit der Mutter in die BRD. Auch hier ist der Anfang kein Zuckerschlecken.

„...Während viele Geflüchtete aus der DDR bald leidvoll erkennen müssen, dass sie auch im Westen nicht sonderlich willkommen sind und erneut mit Vorurteilen zu kämpfen haben, wird Ursula und Martha bewusst, dass sie als Heimatvertriebene unter den Flüchtlingen sogar noch weiter unten stehen. An unterster Stelle...“

Ursula gelingt es, sich von der Mutter zu lösen. Sie heiratet und baut sich ein eigenes Leben uaf. Erst nach der Wende arbeitet sie ihre Vergangenheit auf. Dazu gehört ein Dankschreiben an Litauen, das Land, das sie in schwerer Zeit aufgenommen hat.
Im Buch werden einige weitere Schicksale von Wolfskinder kurz skizziert. Deutlich wird, dass die Zeit tiefe Spuren hinterlassen hat. Vieles ist bis heute nicht aufgearbeitet.
Das Buch arbeitet ein dunkles Kapitel der Geschichte auf. Es sind Einzelschicksale, die berühren.

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Veröffentlicht am 11.10.2022

Wenn man zur falschen Zeit geboren ...

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Christian Hardinghaus, 1978 geboren, ist Dr. phil. Er hat unter anderem Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft studiert. Im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung promovierte er. Zudem ...

Christian Hardinghaus, 1978 geboren, ist Dr. phil. Er hat unter anderem Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft studiert. Im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung promovierte er. Zudem ist er noch Lehrer als auch Lektor wie Fachjournalist.

Er hat also alle Voraussetzungen, um in just seinem Schwerpunkt, eben der Erforschung des NS-Systems und des Zweiten Weltkrieges hervorragende Bücher zu verfassen.

Und dies ist ihm auch diesmal wieder gelungen. Er schreibt keineswegs akademisch abgehoben und trocken, sondern auf eine sehr nahbare Weise, sodass einem die individuellen Schicksale sehr nahe gehen und keinesfalls kalt lassen.

Die Wolfskinder thematisiert er in diesem Werk. Im Mittelpunkt steht das Los der zehnjährigen Ursula Dorn, die im eisigen Februar 1946 Königsberg verlässt, als den Hungertod zu sterben.

In Litauen helfen ihr Einheimische, unter anderem Bauern. Aber ein gnadenloser Kampf der litauischen Partisanen gegen die Sowjets lässt auch die auf sich gestellten Wolfskinder zwischen die Fronten geraten.

Nicht nur, dass in Königsberg zig letale Gefahren drohten, dort nun auch. Hat sie überhaupt eine Chance und wie könnte diese aussehen?

Der Autor braucht da wahrlich nichts hinzuzudichten, denn die nackte Realität ist grausam genug. In Kriegen und ihrem Nachspiel sind es immer die Schwächsten, die zermalmt werden. Frauen, Kinder, Alte, Kranke. Das hört anscheinend nie auf. Ist der eine Feind fort, taucht ein neuer auf. Destruktive Kräfte entladen sich gegen die falschen Gruppen, weil man die wahren Schuldigen nicht zu schnappen vermag.

Das Buch hat auch eine Fotostrecke. Es ist zudem ein enorm wichtiges Werk, um Humanität und Unmenschlichkeit in Zeiten des Krieges sowie danach aufzuzeigen. Wer vergisst, auch im kollektiven Sinne, tendiert dazu, verhängnisvolle Fehler zu wiederholen.

Sehr ergreifend und lange nachwirkend. Für den Rest ihres Lebens wünsche ich Ursula und all den anderen noch viel Glück sowie Freude. Danke, Christian Hardinghaus!

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