Ditfurth konnte es schon besser
REZENSION - Wie kann ein Polizist für Gerechtigkeit sorgen, wenn das Unrecht die Macht ergreift? Dieser Leitgedanke gilt nach Band 1 („Tanz mit dem Tod“, 2022) auch für „Tag des Triumphs“ von Christian ...
REZENSION - Wie kann ein Polizist für Gerechtigkeit sorgen, wenn das Unrecht die Macht ergreift? Dieser Leitgedanke gilt nach Band 1 („Tanz mit dem Tod“, 2022) auch für „Tag des Triumphs“ von Christian v. Ditfurth (70), den zweiten, im November beim C. Bertelsmann Verlag erschienenen Roman um den jungen Kriminalpolizisten Karl Raben in den Jahren ab 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Dieser Band schließt unmittelbar an die früheren Geschehnisse in Berlin an, in deren Verlauf sich Raben bei der gerade gegründeten Geheimen Staatspolizei unter Reinhard Heydrich verpflichtet hatte, um jene SA-Männer jagen zu können, die Kurt Esser, den Redakteur eines KPD-Blattes, ermordet hatten. Damit hatte sich Raben freiwillig in die Hand Heydrichs begeben, zumal dieser - frei nach dem Hermann Göring zugeschriebenen Zitat „Wer Jude ist, bestimme ich“ - zum Schutz seines von ihm hochgelobten Kriminalbeamten dessen jüdischer Ehefrau Lena und ihrer Mutter Elisabeth einen Arier-Ausweis ausgestellt hatte.
In „Tag des Triumphs“ wird Raben im Jahr 1935 von Heydrich beauftragt, den Mörder der Edel-Prostituierten „Aphrodite“ zu finden, weshalb er für die Zeit seiner Ermittlungen in die vom legendären „Buddha“ Ernst Gennat geführte Mordkommission zurückversetzt wird. Chauffeur der eleganten Prostituierten war SA-Mann Werner Ehrig, der damals ebenfalls zu den Mördern Essers gehörte. Jetzt will Raben nicht nur Aphrodites Mörder finden, zu deren Freiern wohl sogar Heydrich gehört zu haben scheint, sondern gleichzeitig auch Ehrig und seine Kumpane zur Strecke bringen, die wiederum Raben nach dem Leben trachten. Zwischendurch trifft sich Raben auch noch unter einem Vorwand heimlich in Prag mit einem emigrierten KPD-Führer und bringt außerdem den kommunistischen Ex-Politiker Hans Kippenberger im Gestapo-Dienstwagen über die deutsche Grenze nach Holland. Jeden Tag muss Raben aber fürchten, dass sein doppeltes Spiel, seine Aktivität gegen das NS-Regime, auffliegt.
„Jetzt kommt der Mord an Bock dazu. Leichen über Leichen, Spionage, Anschläge auf uns. Ich blick nicht mehr durch“, wird im Roman gesagt. Dieses Gefühl muss unweigerlich auch beim Leser dieses Romans bei der Vielzahl der verschiedenen Handlungsstränge aufkommen. Außerdem fragt man sich beim Lesen der weit über 500 Seiten, um was es sich bei diesem Roman eigentlich handelt: Ist es ein historischer Roman? Oder schlicht ein Kriminalroman vor historischer Kulisse? Oder nichts von beidem, sondern doch eher eine Satire? Für einen echten historischen Roman fehlt dem Buch die für die Schreckensherrschaft der Nazis nötige Seriösität, auch wenn die wichtigsten historischen Fakten schlüssig in die Handlung eingearbeitet sind. Doch auch ein typischer Kriminalroman ist „Tag des Triumphs“ nicht, da die detektivische Ermittlungsarbeit im Fall „Aphrodite“ im Laufe der Handlung, abgelenkt durch die Nebenschauplätze (Ehrig, Prag, Kippenberger) ins Nebensächliche abgleitet, zumal die wichtigsten Beweisstücke und Indizien in diesem Fall sogar den Zufallsfunden der als Kriminaljournalistin tätigen Ehefrau Lena Raben zu verdanken sind.
Als Satire könnte man den Roman hinnehmen, was einerseits am stark überzeichneten Superman-Charakter Rabens festzumachen ist, dem alles zu gelingen scheint und der ohne Rücksicht auf das eigene Leben und das seiner Angehörigen seinen Weg geht, wie Ehefau Lena feststellt: „Es war nicht leicht, mit einem Mann zusammenzuleben, der einen Gerechtigkeitssinn hatte, der ihn ins Grab bringen würde. … Er hatte doch recht, aber diese Rechthaberei war Wahnsinn.“ Für eine Satire sprechen auch die Pauschalierungen, mit denen Ditfurth arbeitet: „Ich ekle mich vor diesen aufgeblasenen Fettsäcken mit Tonnen von Lametta auf der Brust. Gauleitern und sonstigen Funktionären. Eitel und dumm.“ Auch die wohl als Ironie oder Sarkasmus gemeinte Plattitüde macht es nicht besser, wenn wir Gestapo-Chef Heydrich im Gespräch folgen und dabei wissen, wie viele Menschen in Dachau und späteren Kzs tatsächlich zu Tode gekommen sind und ermordet wurden: „...., das ist ein Kamerad, den wir schützen, verstanden?“ - „Schutzhaft?“ - „Eben nicht. Schützen, also das Gegenteil.“ Macht man damit Witze?
Vollends enttäuschend wird es, wenn man offensichtliche Fehler feststellen muss, die vom Lektorat hätten vermieden werden können: Statt Lena wird Rabens Ehefrau einmal Lina genannt (Seite 280); so heißt aber Heydrichs Ehefrau. An anderer Stelle wird es noch unsinniger: Blockwart Hansen hatte den von SA-Mann Ehrig vor Rabens Haustür abgelegten Schweinskopf bereits beim Schlachthof entsorgt, bevor Raben ihn hatte sehen können (Seite 226). Dennoch heißt es fünf Seiten weiter (231): „Seit er den Schweinekopf gesehen hatte, wuchs eine Idee, ….“.
Alles in allem mag Ditfurths neuer Roman „Tag des Triumphs“ vielleicht zur reinen Unterhaltung genügen. Vergleicht man das Buch aber mit früheren Werken des Autors – allen voran die wirklich ausgezeichneten Gegenwartskrimis um den Berliner Kommissar Eugen de Bodt - und legt man bei dieser Reihe um Karl Raben denselben Anspruch zugrunde, muss zumindest dieser zweite Band enttäuschen.