Cover-Bild Warum unsere Studenten so angepasst sind
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4,99
inkl. MwSt
  • Verlag: ROWOHLT Taschenbuch
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Soziale und ethische Themen
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Seitenzahl: 80
  • Ersterscheinung: 01.09.2014
  • ISBN: 9783499617416
Christiane Florin

Warum unsere Studenten so angepasst sind

Das läuft schief an unseren Unis!
In diesem Buch kommen Szenen und Dialoge vor, die nie für die Öffentlichkeit gedacht waren, über die sich aber eine öffentliche Diskussion lohnt. In jeder Sonntagsrede wird die Bildung zum wichtigsten deutschen Rohstoff 
erklärt – doch in den Hörsälen und Seminarräumen sieht die Welt ganz anders aus: Debattierunlust, Stromlinienförmigkeit, permanenter Performancezwang und der Wunsch der Studenten nach eindeutigen Antworten 
prägen das Bild. Feedback und Vorgaben kommen gut 
an, Diskurse hingegen stehen im Verdacht, irgendetwas Rückständiges zu sein.
Zwischen Studenten, Dozenten und Professoren herrscht eine Art Gleichgewicht des Schreckens: Wenn meine Fehler im Raum bleiben, verlassen auch deine nicht den Raum.
Provokant und mitreißend wirft Christiane Florin einen Blick hinter die Kulissen des Uni-Alltags und beschreibt, was zwischen Credit Points und PowerPoint-Präsentation im Argen liegt – und warum uns das nicht egal sein kann.

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Veröffentlicht am 29.12.2021

Summa cum gaudi: “We´re the Children of the Eighties”

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Im Klappentext wird ein “Blick hinter die Kulissen des Uni - Alltags” und eine Beschreibung versprochen, „was zwischen Credit Points und PowerPoint - Präsentation im Argen liegt.“ Ob solches auf weniger ...

Im Klappentext wird ein “Blick hinter die Kulissen des Uni - Alltags” und eine Beschreibung versprochen, „was zwischen Credit Points und PowerPoint - Präsentation im Argen liegt.“ Ob solches auf weniger als 80 Seiten eingelöst werden kann, darf bezweifelt werden, aber einige Schlaglichter auf eine fortdauernde Misere wird man schon erwarten dürfen. Die Autorin bekennt sich zur „Generation Privatfernsehen“ der späten 80er Jahre, der „die Protestsängerin Joan Baez“ ein Lied gewidmet habe (71), die „mit den Elefantenrunden der Bonner Republik aufgewachsen“ sei und die sich „lange bevor das Internet zum Massenmedium wurde“ von der klassischen Politikberichterstattung abgewendet habe. „Als Gerhard Schröder 1998 Kanzler wurde, beschäftigten sich die visuell Reizbaren lieber mit seinem italienischen Schneider als mit seinen politischen Ideen.“ (17) Die Autorin hatte 1987 ein „Abitur in Westdeutschland“ in der Tasche und studierte wie „die Jugend der späten Achtziger“ eine Geisteswissenschaft „unter anderem auch deshalb, weil man Helmut Kohl als geistlos empfand.“ Die Jugend der Wendezeit und der Wiedervereinigung „feiere wieder Abibälle mit Abendkleid und Krawatten, sie mache Tanzkurse und verstehe sich gut mit den Eltern. Sie protestiere nicht mehr gegen den NATO - Doppelbeschluss, sondern träume von Eigenheim und Doppelgarage.“ (14) An der Uni Bonn jobben die Politikstudenten als „Hilfskraft beim Bundestag“, während die Politologen am Berliner Otto-Suhr-Institut „niemals für ein fragwürdiges System namens BRD die Akten schleppen wollten.“ (16, 36) Anfang der 90er Jahre lernt die Autorin an der Sorbonne den studentischen Einsatz von Diktiergeräten kennen, um das vielfach Abgehörte und Gelernte „bei der nächsten Prüfung auf das Papier fließen (zu lassen).“ (13) In der Rolle der Dozentin hat die Autorin dann in Bonn „seit dem Sommersemester 2000“ (7) eigene Studenten und Studentinnen - „im Durchschnitt fünfzehn (…) im Laufe der Jahre nicht einmal tausend“ (9f) -, die keine Diktiergeräte, sondern „diese großen Wasserflaschen aus Plastik“ mitführen. „Während einer Doppelstunde Regierungslehre schafften viele locker einen Liter.“ (12) Es sind also eben diese Studenten - „schade, dass sie Bildung als Ballast empfinden“ (8) -, die schon im Titel als „so angepasst“ bezeichnet werden. Was aber genau heißt angepasst? „Nicht - Lesen ist nicht mehr peinlich, ebenso wenig wie Nicht - Klassikhören.“ (18) Konventionen bestehen dennoch fort. „Das ideologische Feuer von einst wurde mit stillem Wasser gelöscht. Übrig geblieben ist PRAGMATISMUS. Man könnte auch sagen: Überraschungsresistenz.“ (20) „Okaysein ist das oberste Lernziel (...). Okay ist das wahre Exzellent.“ (22) Was sich nicht in den harten Tatsachen der MESSWERTE von Natur- und Marktgesetzen fassen lässt, muss in einem Laberfach wie Politikwissenschaft ausgelagert und unschädlich gemacht werden (siehe Kinders „Geplapper“ - These in Rez.12). Wurde das Wort Universität früher etymologisch von lat „ad unum vertere“ (das auf ein Ziel Gerichtete) hergeleitet, handelt es sich heute eher um ein ausuferndes Fächergestell als Folge einer wundersamen Fächervermehrung, das auf ein prokrustes Prinzip der reinen NUTZANWENDUNG zurechtgestutzt wurde - „als sei Uni die Abkürzung für Uniformität.“ (24) Zur MESSBARKEIT gehören natürlich auch die NOTEN, die einerseits immer besser werden, die aber andererseits „Orientierung und Objektivität (bloß vorgaukeln).“ (26) Aber alle (!) „haben verstanden, dass Zahlen zählen“ (28), also sind Schulen und Hochschulen zu Fabriken für die Herstellung von Punkten und Noten degradiert worden. „Denn die Note ist das, was (…) vom Studium übrig bleibt.“ (28) Das lädt zum Pokern ein, wo es auch um exakte und möglichst hohe Werte geht. „Viele fehlen (dann) punktgenau“ (bei Prüfungen), um die eigene Wertung nicht zu gefährden. „Der akademische Bildungsweg führt nach meiner Privatempirie oft über das BILD“, das ein „Durchpflügen vielseitiger (!) Texte“ vermeiden helfen soll. (35) SINN und NUTZEN sind deckungsgleich geworden. Studenten erwarten, dass Wissenschaft sofort verwertbar ist. (…) Das Nützliche macht mein Publikum ruhig, das scheinbar Unnütze nervös.“ (39) Das Attention-span-problem, das mir der Yale-Mediävist Paul Freedman schon vor Jahren in einer Mail beschrieb, findet sich auch in Florins Text: „Viele der heute 20-Jährigen haben als Kinder der Neunziger ein ausgefeiltes Langeweilevermeidungsprogramm (…) durchlaufen. Sie verweilen höchstens zwei Minuten auf einer Internetseite, meistens klicken sie deutlich früher weiter. Ein Moment nachdenklicher Stille im Seminarraum wirkt auf sie wie eine Ton- und Bildstörung. (…) Das ist die Kehrseite des Show-Effekts.“ (49)
Michael Karl

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