Cover-Bild Im Himmel gibt es Coca-Cola
14,00
inkl. MwSt
  • Verlag: mareverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 448
  • Ersterscheinung: 09.02.2016
  • ISBN: 9783866482340
Christina Nichol

Im Himmel gibt es Coca-Cola

Rainer Schmidt (Übersetzer)

Georgien, 2002: Die Kommunisten sind schon lange fort, aber besser geworden ist trotzdem nichts. Es gibt kaum Arbeit, und wenn es Arbeit gibt, gibt es keinen Lohn. Und wenn es doch Lohn gibt, dann liegt das daran, dass die Arbeit. vielleicht nicht ganz sauber ist.
Aber einen aufrechten Mann gibt es in Georgien, einen, der die Werte hochhält und dem die Korruption nichts anhaben kann: Slims Achmed Makaschwili, seines Zeichens bescheidener kleiner Anwalt beim Seerechtsministerium. Entschlossen, seinem rückwärtsgewandten Land zu neuen Chancen, Effektivität, kurzum: zum amerikanischen Traum zu verhelfen, wendet er sich in langen, hingebungsvollen Briefen an Hillary Clinton und malt ihr in schillernden Farben seine Vision eines modernen Georgien aus – immerhin ist die Senatorin Schirmherrin eines Programms, das Unternehmen in ehemaligen Sowjetländern schulen soll in erfolgreicher Geschäftsführung.
Allen Unkenrufen und Wahrscheinlichkeiten zum Trotz wird Slims erhört und eingeladen – nach San Francisco! Für sechs Wochen! Diese Reise wird sein Leben und eine ganze Nation verändern. Endlich kann er sich aus der Nähe ansehen, wie der Fortschritt funktioniert. Doch Slims ist noch nicht sehr lang in Amerika. da kommen ihm seine laute, keifende Familie und sein gepeinigtes, feierfreudiges Land gar nicht mehr so blöd vor.
Ein großartiger Schelmenroman, eine unwirkliche Satire – und ein Werk von sprühender Fabulierlust und größtem Ideenreichtum.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.11.2016

Georgien - wo der Mensch an erster Stelle steht

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Dieses Buch ist nicht ganz einfach zu beschreiben, denn so richtig viel Handlung gibt es nicht. Der Ich-Erzähler Slims, der in der georgischen Hafenstadt Batumi lebt und als Anwalt im Seerechtsministerium ...

Dieses Buch ist nicht ganz einfach zu beschreiben, denn so richtig viel Handlung gibt es nicht. Der Ich-Erzähler Slims, der in der georgischen Hafenstadt Batumi lebt und als Anwalt im Seerechtsministerium arbeitet (und seit Monaten kein Gehalt mehr erhalten hat), träumt davon, seinem geliebten Heimatland zum Aufschwung zu verhelfen: keine Korruption mehr, ständig verfügbare Elektrizität, regelmäßige Gehaltszahlungen usw. Er schreibt Briefe an Hillary Clinton und erhält daraufhin eines Tages tatsächlich eine Einladung in die USA, um sich in puncto Wirtschaft weiterbilden zu können. Doch alles läuft anders als geträumt...
Der überwiegende Teil des Buches beschreibt mehr die Gesellschaft Georgiens und seiner Bewohner als dass er einer wirklichen Handlung folgt: Es ist wirr, chaotisch, liebenswert Die genannte Handlung hangelt sich eher an einem dünnen sogenannten roten Faden entlang, der als Anlass genommen wird, weitere Beschreibungen einfließen zu lassen. Obwohl die Autorin Amerikanerin ist, gelingt es ihr meiner Meinung (ich kenne das Land nicht - leider, muss ich nach der Lektüre schreiben) sehr überzeugend, die Atmosphäre Georgiens wie auch das Besondere seiner Bewohner darzustellen. Sie lieben ihr Land - aber die Menschen noch viel mehr. Alle versuchen sich auf irgendeine Art und Weise durchzumogeln, meist mit nicht ganz legalen Mitteln, doch immer wird auch an die Anderen gedacht. Es ist ein stetes WIR, das in Georgien existiert - das ICH des Westens kennt man nicht. Für Gäste wird einfach Alles aufgefahren, sodass diese denken müssen, die Georgier leben im Überfluss.
Der Tonfall ist durchweg vergnüglich, wobei dieses Wort vermutlich falsche Erwartungen erweckt. Es ist ein unglaublich trockener Humor, mit dem beispielsweise auf Missstände hingewiesen wird und die Pointe dann schon fast wie ein Lamento klingt, ohne dass dieses wirklich ernst gemeint ist. Oder er kommt sehr unterschwellig oder auch völlig absurd daher - diejenigen, die das Offensichtliche lieben, werden mit diesem Buch nicht ganz so viel zu lachen haben.
Ich habe mich hingegen gut amüsiert, auch wenn Vieles in der Realität bestimmt nicht zum Lachen ist. In jedem Fall hat es mich sehr sehr neugierig auf Georgien bzw. auf seine Menschen gemacht. Denn wie ich in einem Reiseführer nachlesen konnte, wurden deren Beschreibungen nicht übertrieben. Unglaublich - aber ich denke, davon muss ich mich selbst überzeugen. Georgien, ich komme!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Beim Warten auf die Elektrizität ging ich leider als Leser verloren - trotz guter Sprache

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Im Himmel gibt es Coca-Cola heißt im Original „Waiting for Electricity“ – und das trifft es nach meiner Meinung wesentlich besser: das Warten, darauf, dass es (endlich wieder einmal) Strom ...


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Im Himmel gibt es Coca-Cola heißt im Original „Waiting for Electricity“ – und das trifft es nach meiner Meinung wesentlich besser: das Warten, darauf, dass es (endlich wieder einmal) Strom gibt im georgischen Heimatdorf des Protagonisten Slims zieht sich wie ein (sehr dünner) roter Faden, teils wie ein „running gag“ durch das ganze Buch.

Das Erscheinen des Buches 2014 war an mir vorbeigegangen, ich bin erst durch ein Leseexemplar des Verlages zu der Geschichte gekommen. Slims ist ein Träumer im postkommunistischen Georgien. Die lokalen Machthaber agieren wie Diktatoren, diverse Georgier engagieren sich als „Wege-Zoll“- Räuber, während die Bevölkerung irgendwo den Strom abzweigt zum Umgang mit dem Mangel. Slims träumt von einer vergemeinschafteten Stromversorgung, denn die „Leute bestahlen den Staat, aber niemals einander.“ (S. 79)

„Vor ein paar Jahren kam eine westliche Hilfsorganisation in die Stadt, wie eine Zirkustruppe in einem Roman. Sie nannten sich Al-Anon und eröffneten ein Büro in Batumi, um den Frauen und Schwestern von Alkoholikern zu helfen. Sie sagten immer das Gleiche. ‚Lass los, überlass es Gott.‘ Wir fanden diesen Satz sehr komisch. Al-Anon hielten drei Wochen durch, und dann machten sie wieder zu, weil sie merkten, dass wir ohnehin schon so lebten. Jeder überlässt alles Gott.“ S. 106

Slim ist anders – er handelt nicht passiv, er schreibt Brief an Hillary Clinton, bewirbt sich für ein Aufbau-Programm für ehemalige Sowjetrepubliken – und wird zur Teilnahme in die USA eingeladen, allerdings für ein Projekt, dass er nur vorgeschlagen hat, weil er es für ‚verkaufstauglicher‘ gegenüber den Entscheidern hält. Er ist der moderne Kämpfer gegen Windmühlen.

Die Autorin reiste bereits als Kind mit ihrem Großvater in die Sowjetunion und unterrichtete Englisch in Georgien. In einem Interview mit „The Paris Review“ erklärte sie ihre Erfahrung, dass die jahrelange kommunistische Propaganda, im Kapitalismus müsse man für etwas bezahlen, ohne eine Gegenleistung erhalten zu können, die Einstellung der Bevölkerungen in post-kommunistischen Ländern nachhaltig geprägt habe – man verhielte sich im Kapitalismus exakt wie im Kommunismus gelehrt. Entsprechend ist die Erfahrung der Personen im Buch, dass zu Zeiten der Sowjetunion die Stromversorgung zuverlässig gewesen sei und Recht und Ordnung durchgesetzt wurden.

Das Buch wurde in der Rezeption in den USA teils als „eigenes Genre“ Comic Novel gefeiert aufgrund des sehr besonderen Stils. Ja, der Stil ist besonders – den Anfang des Buches (in Georgien handelnd) empfand ich als geradezu verwirrend sprunghaft, mit einzig den Briefen an Hillary Clinton als rotem Faden und etlichen sehr speziellen Anekdoten und Aphorismen, die die georgische Mentalität beschreiben: Gastfreundlich bis zur Selbstaufgabe, zwischen traditionellem Ehrgefühl bis zur Selbstüberhöhung und einem sich-Aufreiben in der Aktualität bis zur Melancholie.

Die Kapitel in den USA sind schlüssiger, allerdings ist die Beschreibung gängiger Marketing-Plattitüden nicht wirklich originell oder neu. Dass das Scheitern aneinander an unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen und daraus bedingten Handlungsweisen resultiert, wird erzählend geschildert – ich fürchte jedoch, nicht wirklich ausreichend deutlich nachvollziehbar. Ausgerechnet hier hält sich die Autorin kurz! Auch in dem Teil des Buches nach der Rückkehr nach Georgien bleibt dieses Gefühl bestehen, dass Gewichtungen ungleich gesetzt wurden, dass vieles nicht nachvollziehbar ist und bleibt, dass die Sicht doch eine zu amerikanische ist. Aus meiner Sicht beherrscht die Autorin zwar das prägnante Formulieren, die Aphorismen, die Anekdoten, die Darstellung der Charaktere und die Empathie in die Mentalität Georgiens und der USA, es fehlt mir jedoch die stringente Umsetzung in eine Geschichte und die Empathie in den Leser. Sonst fällt mir immer wenigstens jemand ein, dem ich ein bestimmtes Buch schenken könnte, weil es zu ihm besser passen würde als zu mir - ohne die Recherche zur Autorin hätte ich hier sogar noch weniger Zugang zum Buch gefunden.