Cover-Bild Reichlich spät
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16,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Steidl Verlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 64
  • Ersterscheinung: 16.05.2024
  • ISBN: 9783969993255
Claire Keegan

Reichlich spät

Hans-Christian Oeser (Übersetzer)

Freitag, der 29. Juli in Dublin. Das Wetter ist wie vorhergesagt, die Stadt vor Cathals Bürofenster liegt in gleißendem Sonnenschein. Nach einem scheinbar ereignislosen Tag mit Budgetlisten und Bürokaffee nimmt Cathal den Bus nach Hause. Die Landschaft zieht an ihm vorüber, die waldigen Hügel, auf denen er noch nie gewesen ist, und er denkt an Sabine. Die ein bisschen schielt und die gut kochen kann, die auch im Winter barfuß am Strand spazieren geht, die die Hügel besteigt. Die zu viel Geld ausgibt und zu viel Raum einnimmt und zumindest über die Hälfte von allem bestimmen will. Die Frau, mit der er hätte sein Leben verbringen können, wäre er ein anderer Mann gewesen.
In dieser kleinen Geschichte eines gescheiterten Paares erzählt Claire Keegan vom großen Thema Misogynie. Und wie sie das tut: kein Wort überflüssig, jeder Satz von durchscheinender Klarheit. Meisterhaft!

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.02.2024

Intelligente Geschichte

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In Claire Keegans kurzer Erzählung "Reichlich spät" verfolgen die Leser:innen einen Tag im Leben von Cathal, der scheinbar ereignislos in seinem Büro in Dublin beginnt und sich dann langsam zu einem reflektiven ...

In Claire Keegans kurzer Erzählung "Reichlich spät" verfolgen die Leser:innen einen Tag im Leben von Cathal, der scheinbar ereignislos in seinem Büro in Dublin beginnt und sich dann langsam zu einem reflektiven und emotionalen Rückblick auf seine vergangene Beziehung zu Sabine entwickelt. So wird in Cathals Gedankenwelt eingeführt, während er sich an seine gemeinsamen Erlebnisse mit Sabine in Dublin erinnert, die ihm jetzt als verlorene Möglichkeiten erscheinen. Die Geschichte enthüllt subtil die Komplexität ihrer Beziehung, wobei die Thematik der Misogynie als unterschwelliges Element präsent ist.

Durch Cathals Erinnerungen und Reflexionen taucht die Geschichte tiefer in Cathals Charakter ein, sodass deutlich wird, dass seine Vorstellung von Sabine von Enttäuschung und Unverständnis geprägt ist, die letztlich auch in seiner Lebensgeschichte begründet liegt. Er betrachtet sie als eine Frau, die zu viel Geld ausgibt und zu viel Raum einnimmt, und bedauert, dass sie nicht die Frau ist, mit der er sein Leben hätte verbringen können. Diese Einsichten regen zur Reflektion über die Natur von Beziehungen und Geschlechterdynamiken an.

Ich habe zum ersten Mal etwas von Claire Keegan gelesen und bin begeistert von ihrem eleganten, klaren und flüssigen Schreibstil, wodurch die Geschichte eine Atmosphäre erhält, die mich in ihren Bann gezogen hat. Sicherlich hat auch die Übersetzung hier gute Arbeit geleistet. Dadurch entsteht ein Text, der einerseits leicht zugänglich ist, andererseits durch die zahlreichen Leerstellen der kurzen Geschichte aber auch Raum für tiefgründige Interpretationen und persönliche Reflexionen lässt.

Insgesamt ist Claire Keegans "Reichlich spät" eine Erzählung, die ich aufgrund ihrer gut beobachteten Darstellung zwischenmenschlicher Beziehungen und ihres Erzählstils wärmstens empfehlen kann. Das war sicher nicht mein letzter Text von Keegan!

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Veröffentlicht am 23.02.2024

faszinierend und ausdrucksstark

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Zuerst fasziniert das Buch mit einem auffälligen und ausdrucksstarken Cover, das aber auch inhaltlich aufgegriffen wird.
Spannend ist nicht nur das, was gesagt oder beschrieben wird, sondern eher das, ...

Zuerst fasziniert das Buch mit einem auffälligen und ausdrucksstarken Cover, das aber auch inhaltlich aufgegriffen wird.
Spannend ist nicht nur das, was gesagt oder beschrieben wird, sondern eher das, was zwischen den Zeilen mitschwingt. Das Buch kann man in einem Rutsch lesen, das ist aufgrund der Länge sehr gut möglich, aber gedanklich wirkt es noch lange nach. Die eigentliche Beschäftigung und Aufarbeitung beginnen erst danach, indem man feststellt, welch bedeutende Themen behandelt oder angedeutet werden. Es kann auch notwendig sein, das Buch ein zweites Mal zu lesen, da so viele kleine Bedeutungen eingeflochten wurden, Nuancen, die plötzlich die Stimmung verändern oder einen bedeutenden Meilenstein aufzeigen.

Veröffentlicht am 18.08.2024

Eine eindringliche Geschichte über Frauenfeindlichkeit

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Es ist ein Freitagnachmittag, als Cathal nach der Arbeit in den Bus steigt und die Heimreise antritt. In Gedanken ist er bei Sabine, mit der er die letzten Monate geteilt hatte. Cathal erinnert sich an ...

Es ist ein Freitagnachmittag, als Cathal nach der Arbeit in den Bus steigt und die Heimreise antritt. In Gedanken ist er bei Sabine, mit der er die letzten Monate geteilt hatte. Cathal erinnert sich an ihr Kennenlernen und an gemeinsame Momente: Sabine, wie sie teure Lebensmittel kauft, den Bräter zu lange einweichen lässt und zu viel Platz in seiner Wohnung einnimmt. Eigentlich würden sie an diesem Freitag ihre Hochzeit feiern, wäre die F***e nicht gegangen…

Auf wenigen Seiten umreißt Claire Keegan in „Reichlich spät“ das Ende einer Beziehung.
Aus der Perspektive von Cathal beschreibt sie seine Sicht auf die Frauenwelt. Sei es die Kollegin aus der Buchhaltung, die polnische Reinigungskraft oder die Sitznachbarin im Bus, Cathal blickt auf die Frauen in seiner Umgebung herab. Ihm zufolge reden sie zu viel, sind übergewichtig oder schauen ihn schief an. Ebenso sieht er Sabine, die Frau, die noch bis vor Kurzem an seiner Seite stand. Cathal ist oberflächlich, undankbar und herabwürdigend. Glücklicherweise realisiert Sabine, mit welcher Art Mann sie liiert ist, und löst – ihren eigenen Wert kennend – die Verlobung. Doch Cathal wäre nicht er selbst, würde ihn die Trennung zum Umdenken anregen. „(…) dass sie nicht hören und gut die Hälfte der Dinge auf ihre Weise tun wollte.“ (S. 35), sieht er das Problem bezeichnenderweise bei Sabine.
Was Claire Keegan hier beschreibt, ist ein Mann, dessen Wahrnehmung der Welt durchweg frauenverachtend, gar frauenfeindlich ist. Trotz seiner negativen Charakterzüge schafft sie es, ihre Figur absolut glaubwürdig abzubilden, denn die Botschaft in „Reichlich spät“ vermittelt die Autorin anfangs eher subtil und erst später offensiver. So entwickelt man während des Lesens eine immer stärker werdende Antipathie gegenüber Cathal, die sich, umso länger das Erzählte nachhallt, in eine regelrechte Wut umwandelt. Mit dem Thema Misogynie nämlich spricht Keegan etwas an, das leider bis heute in sämtlichen Ländern der Erde und in allen Gesellschaftsschichten verbreitet ist. Für viele Frauen ist die Behandlung, wie sie Sabine und die übrigen weiblichen Charaktere erfahren, tägliche Realität.
Beim Erzählen konzentriert sich Claire Keegan auf die relevanten Inhalte und schreibt kein Wort zu viel. Ihre ausdrucksstarke Geschichte beläuft sich dadurch auf gerade einmal 55 Seiten. Obwohl das Thema so schwer im Magen liegt, kommt das Buch also ganz leicht daher.
Für das eigene Regal ist die Ausgabe ein Schmuckstück: Die Aufmachung des Werkes wirkt durch den Leineneinband sehr hochwertig und erhält eine besondere Haptik.
Ein Buch, das in jeglicher Hinsicht empfehlenswert ist!

Veröffentlicht am 09.05.2024

Kirschenzeit - oder zu spät für Tarte Clafoutis

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Bei "Reichlich spät" (Originaltitel 'So late in the day') von Claire Keegan; übersetzt ins Deutsche von Hans-Christian Oeser, erschien (HC, geb., 64 Seiten) handelt es sich um eine Erzählung, die im Steidl-Verlag, ...

Bei "Reichlich spät" (Originaltitel 'So late in the day') von Claire Keegan; übersetzt ins Deutsche von Hans-Christian Oeser, erschien (HC, geb., 64 Seiten) handelt es sich um eine Erzählung, die im Steidl-Verlag, Göttingen 2024 erschienen ist.

Vorausschicken möchte ich, dass ich von "Kleine Dinge wie diese" mehr als begeistert war und den glasklaren, perlenden Schreibstil der Autorin faszinierend finde: In "Reichlich spät" findet sich zwar kein Bill Furlong, aber dafür zwei Hauptprotagonisten, die reichlich Grund dazu geben, zwischen den Zeilen zu lesen (was ich sehr mag) und sich eigene Gedanken zur recht kurzen Erzählung zu machen: Trotz der Kürze bietet Claire Keegan hier jede Menge Interpretationsmöglichkeiten und Spielraum, die sie dem geneigten Leser anbietet...


Man begleitet Cathal, der einen recht eintönigen Bürojob ausübt, an einem sonnigen Tag Ende Juli in Dublin, wo die Geschichte spielt: Sein Chef (10 Jahre jünger als Cathal und stets korrekt gekleidet) rät ihm, nach Hause zu gehen und fragt ihn, ob es ihm gut gehe. Auch einer Kollegin gegenüber (er meidet Menschen und Konversation, besonders Frauen) äußert er sich auf diese Frage mit einem "bestens": Dem Leser bzw. der Leserin dürfte bald klar werden, dass sich seine wahren Gefühle nicht mit dieser Aussage decken: Er hatte sich diesen Tag vermutlich gänzlich anders vorgestellt.


Vor zwei Jahren hatte er Sabine, eine zierliche brünette Frau bei einer Konferenz in Toulouse kennengelernt; wie sich herausstellte, arbeitete sie auch in Dublin (Gallery) und beide freundeten sich an: Sabine schien ihm "in sich selbst zu ruhen und gleichzeitig für alles um sie herum empfänglich zu sein" (Zitat), was ihn sofort für sie einnahm. Wie sich herausstellte - er wollte, dass sie zu ihm zog, konnte fabelhaft kochen; auch wenn sie den Einkauf teurer Lebensmittel nicht scheute. Cathal spielte mit der Möglichkeit, Sabine zu heiraten und fragte sie eines Tages....


Der erste Streit bahnt sich wegen recht teurer Kirschen an, aus denen Sabine (in der Normandie aufgewachsen) Tarte Clafoutis backen wollte; später nörgelt Cathal über den Verlobungsring, der (Sonderanfertigung des Juweliers) einen Aufpreis beinhaltete.....


Mit Cathal lernen wir einen wütenden Mann kennen, der das absolute Gegenteil von Bill Furlong zu sein scheint: Selbst in einem frauenverachtenden Haushalt aufgewachsen, passt ihm nicht, dass "sie (Sabine) nicht hören wollte und gut die Hälfte der Dinge auf ihre Weise tun wollte" (S. 35); das war für Cathal Teil des Problems. Der Dialog zwischen den beiden, was im Kern Frauenfeindlichkeit ausmache (Frage von Sabine an Cathal), fand ich sehr interessant und richtig. Eine Kollegin von Cathal beschreibt die irischen Männer, die hierbei nicht sonderlich gut abschneiden (was ich nicht beurteilen kann, jedoch annehme, dass sich diese Aussage nicht nur auf irische Männer beschränkt). Leider kann Cathal das Muster nicht erkennen, mit dem er selbst aufwuchs und das er in seiner Beziehung zu Sabine lebt; daher hält sich mein Mitleid sehr in Grenzen, würde ihm aber Veränderung wünschen. Sabine wiederum kann ich nur zu ihrer Entscheidung beglückwünschen.


Der Stil von Claire Keegan, die hier das Scheitern einer Beziehung skizziert und jedes Wort treffend gewählt, keines zuviel ist, gefällt mir sehr: Sie schreibt pointiert, unaufdringlich und doch beharrlich in Sätzen durchscheinender Klarheit. Ich kann diese Erzählung absolut weiterempfehlen und hoffe, dass sie eine gute Diskussionsgrundlage z.B. in Paarbeziehungen ist, in denen es vielleicht gerade 'kriselt' und finde besonders positiv, dass die Autorin hier viel Spielraum für eigene Interpretationsmöglichkeiten und Gedanken gegeben hat. Dies ist in wenigen Worten das Markenzeichen von Claire Keegan.


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Veröffentlicht am 19.03.2024

Mit diesem Mann ist nicht gut Kirschen essen

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Auf gewohnt unspektakuläre Art beschreibt die Autorin den schicksalhaften Tag eines Mannes, der darüber nachsinnt, wie er seine Zukünftige kurz vor der Hochzeit verloren hat. Schuld ist neben seinem Schweigen ...

Auf gewohnt unspektakuläre Art beschreibt die Autorin den schicksalhaften Tag eines Mannes, der darüber nachsinnt, wie er seine Zukünftige kurz vor der Hochzeit verloren hat. Schuld ist neben seinem Schweigen im richtigen Moment seine frauenverachtende Art, die ihm erst, da seine Verlobte ihn mit der Nase darauf gestoßen hat, bewusst wird. Was wäre wenn...doch leider ist er wie er ist: geizig, undankbar, ein Mann wie sein Vater. Und nun ist es nicht nur reichlich, sondern definitiv zu spät.
Fazit: Die Geschichte hat auf mich nicht so eindringlich und nachhaltig gewirkt wie andere Werke, ist aber dennoch überzeugend und trägt unverkennbar die Handschrift von Claire Keegan.

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