Cover-Bild Charles Crodel, Das Musikzimmer der „Burse zur Tulpe“
29,00
inkl. MwSt
  • Verlag: RES
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Seitenzahl: 132
  • Ersterscheinung: 11.2023
  • ISBN: 9783949400025
Cornelius Steckner

Charles Crodel, Das Musikzimmer der „Burse zur Tulpe“

der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Crodels Fresko „Improvisationen über Leben und Tod“ von 1929 prägt das Musikzimmer des Studentenwerks „Burse zur Tulpe“. 1936 überstrichen, wurde es 1993 als erstes der im Zuge der Machtergreifung zerstörten Werke Crodels freigelegt. Das in pompejanischer Technik gemalte Fresko ist Zeugnis der seit 1908 von dem Archäologen Carl Robert und dem Musikwissenschaftler Hermann Abert geprägten musischen Bildungsanspruchs moderner Antikenrezeption. Roberts Übersetzungen trugen eben entdeckte Papyrusfunde griechischer Stücke in die Gegenwart, Aberts Forschungen über das Ethos der Musik und die Geschichte der Musikinstrumente die Macht der Klänge. Damit erst wurde die von antiken Prägungen getragene Bildungs- geschichte transparent, der Anspruch von Goethes Lauchstädter Theater und des hallischen Neuhumanismus. Einen Einblick gibt die in der Ausstellung rekonstruierte Bildlichkeit der Fresken.



Crodels Fresken im Musikzimmer der „Burse zur Tulpe“ und im Standesamt Halle-Süd 1929, im Institut für Leibeserziehung in der Moritzburg 1931 und für Theater und Kursaalanbau in Bad Lauchstädt zum Goethe-Jahr 1932 waren eingebettet in die Erneuerungen des Goethe-Theaters durch den Lauchstädter Theaterverein Halle von 1908 als treibende Kraft und die Provinzialverwaltung von Sachsen als Eigentümer 1932.



Gründungsvorsitzender des Lauchstädter Theatervereins und dessen künstlerischer Leiter war der Archäologe Carl Robert, nach dem das Robertinum benannt ist. Seine in Verbindung mit Hermann Abert sowie Studenten nach eben entdecken Papyrusfunden auf die Bühne gebrachten Stücken des antiken Komödiendichters Menander gaben den Auftakt. Es folgten 1909 die Inszenierung von Goethes „Satyros“, dann „Die Spürhunde“ des Sophokles 1913 – ein weiterer Neufund. Dieses Satyrspiel über die von Apollon erzwungene Herausgabe der von Hermes erfundenen Lyra bereitete den Mythos des Orpheus vor. Kurz nach der Aufführung von Glucks „Orpheus und Eurydike“ 1914 versank die Welt im Ersten Weltkrieg. Die Doppelaufführung der Taurischen Iphigenien 1927 an einem Tage, erst von Euripides, dann von Goethe, mündete in einem noch immer im Robertinum verankerten Wiedererwachen des Goethe- Theaters. Von Georg Karo unterstützt, sollte der 1927 an die Burg Giebichenstein berufene Crodel neuerlich eine in der Griechischen Kultur der Zeit um 500 v. Chr. verankerte Moderne prägen.



Crodel hatte 1925 zusammen mit dem Archäologen Herbert Koch Griechenland bereist, 1926 einen langen Forschungs- und Studienaufenthalt in Paris verbracht. Daraus resultiert Crodels Konzeption der sich von der Zentralperspektive lösenden Moderne. So nahm Crodel Goethes 1802 bei Eröffnung und 1814 zur Wiedereröffnung des Lauchstädter Theaters in den beiden Versionen des „Was wir bringen“ ausgesprochene Bedeutung der Antike für die Gegenwart auf und verband sie 1929 im Musikzimmer in seinem Fresko „Improvisationen über Leben und Tod“ mit der musikalisch Franz Liszt und Richard Wagner verpflichteten Antikenrezeption Baudelaires (Blumen des Bösen: „Harmonies du soir“, „Les Plaintes d'un Icare“). Im nachfolgenden Fresko „Wettlauf der Atalante und des Hippomenes“ in der Moritzburg klingt im szenischen Bildaufbau Händels „Atalanta“ von 1736 mit, in Crodels Lauchstädter Bühnenwand von 1932 Glucks „Orpheus und Eurydike“ (1762).



Bereits im Folgejahr 1933 wurde zum Auftakt der Machtergreifung das Tympanon der Bühnenwand in Lauchstädt öffentlich verbrannt und der NS-Anspruch auf Weimar durchgesetzt, wie dann in Halle durch Vernichtung der übrigen Fresken Crodels.

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