Ernstes Thema und erfrischender Schriftstil
„...Ach, da mach dir mal keine Sorgen, Martha. Ich bin schon mit wesentlich mehr Promille über die Straßen gedonnert. Und hier schläft ja die Polizei nachts noch...“
Jan ist Buchhändler. Als seine Lieblingsmieterin ...
„...Ach, da mach dir mal keine Sorgen, Martha. Ich bin schon mit wesentlich mehr Promille über die Straßen gedonnert. Und hier schläft ja die Polizei nachts noch...“
Jan ist Buchhändler. Als seine Lieblingsmieterin nachts klingelt, weil sie den Schlüssel vergessen hat, kommt es zum Gespräch. Die junge Frau würde ihn gern in den Gottesdienst begleiten. Doch er lehnt ab. Er schämt sich seiner Gemeinde.
Im nächsten Gottesdienst schläft Agnes, Seniorin der Gemeinde, für immer ein. Zu ihrer Beerdigung erscheint Anna-Maria, die Enkeltochter. Maria-Anna und Jan sind zusammen aufgewachsen. Dann ist die junge Frau von heute auf morgen mit ihrem zukünftigen Ehemann auf einem Motorrad verschwunden.Sie will neuen Schwung in die Gemeinde bringen.
Der Autor hat einen humorvollen Roman über das heutige Gemeindeleben und Christsein in der Gegenwart geschrieben.
Der erfrischende Schriftstil ist mir sofort positiv aufgefallen. Geschickt werden sehr ernste Themen und eine jugendliche Aufbruchstimmung miteinander kombiniert. Anna-Maria ist bei ihrer Großmutter Agnes aufgewachsen. Sie hatte keine schöne Kindheit. Es galt die Regel. Wer sein Kind liebt, züchtet es. Dieser Meinung ist Kurt, der heutige Leiter der Gemeinde, immer noch verhaftet. Sein 17jähriger Sohn Simon allerdings hat seinen eigenen Kopf. Zusammen mit Erik, seinem Freund, befragt er die Gottesdienstbesucher, warum sie in die Kirche gehen. Das nehmen die beiden per Video auf. Jans Antwort gibt das folgende Zitat wieder:
„...Das ist eine reine Kundenbindungsmaßnahme. Hier in der Gemeinde sind einige meiner besten Abnehmer. Ich kann mir einfach nicht leisten, die zu verlieren...“
Strenge und Freudlosigkeit kennzeichnen das Gemeindeleben. Kurt spielt sich als Alleinherrscher auf und bestimmt, was erlaubt ist und was nicht. Unverständliche Lieder und langweilige Predigten kennzeichnen den Gottesdienst. Es scheint so, als wäre Kurt gedanklich im vorletzten Jahrhundert stehen geblieben.
Jan hat einen eigenen Hauskreis, in dem er sich mit einigen jüngeren Gemeindemitgliedern und Martha trifft.
Schon als Kinder haben sich Kurt und Anna-Maria nicht vertragen. Folglich sind erneut Spannungen vorprogrammiert. Hinzu kommt, dass Anna-Maria durch eine harte Schule des Lebens gegangen ist und nun konsequent ihre Meinung vertritt. Das Eingangszitat stammt von ihr.
Ein ganz anderes Auftreten zeigt Eduard, Kurts Vorgänger. Er versteht es, auf Menschen zuzugehen, sie so zu nehmen, wie sie sind, und dabei offensiv seinen Glauben zu vertreten, ohne den anderen zu überfahren. Er steht den jungen Leuten zur Seite, als sie eine neue Form des Gottesdienstes planen.
Die Spannung der Handlung ergibt sich aus den komplexen Beziehungen der Protagonisten. Sehr gut ausgearbeitete Dialoge bringen die unterschiedlichen Ansichten auf den Punkt.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Das liegt zum einem an den lockeren Schriftstil, zum anderen an der vielschichtigen Thematik. Es geht um die Frage, wie heute eine Gemeinde funktionieren muss, um alle Generationen anzusprechen und für neue Mitglieder offen zu sein. Was kann jeder persönlich dazu beitragen, dass sich alle in der Gemeinde wohlfühlen und sich jeder angenommen fühlt? Diese Frage bleibt mir als Leser als Resümee des Buches.