Stell dir vor du schaust in den Spiegel und dir blickt ein dir fremder Mensch entgegen. So geschehen in Daniel Suarez Science-Fiction-Thriller BIOS. Die Story schreibt das Jahr 2045. Die Gentechnologie ist inzwischen so weit, dass das Gen-Editing zur Vermeidung von Gendefekten und tödlichen Erkrankungen an Embryonen erlaubt ist. Die UN-Konventionen erlauben jedoch nicht, dass das Ungeborene durch Gen-Manipulation maßgeschneidert wird.
High-Tech-Kriminelle und Syndikate ermöglichen Eltern, durch eine Editierung die Gen-Ausstattung ihrer ungeborenen Kinder zu beeinflussen. Ob sie ihren Kindern blaue Augen wünschen, eine hohe Intelligenz anstreben oder ob sie ihnen eine Sportlerkarriere durch eine höhere Leistungsfähigkeit ermöglichen wollen, ist illegal nur noch eine Frage des Geldes.
Michael Durand ist Interpol-Agent und jagt Verbrecher, die weltweit unethische Gen-Kriminalität betreiben. Im Fokus steht dabei das Syndikat der Huli jing mit dem brutalen Marcus Demang Wyckes an der Spitze.
Als Durand durch ein kriminelles IT-Manöver mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Singapur vorliebnehmen muss, spürt er plötzlich den Einstich einer Injektion, bevor er bewusstlos zusammenbricht und ins Koma fällt. Wochen später erwacht er an einem fremden Ort und sieht sich im Spiegel Marcus Demang Wyckes gegenüber, dem brutalen Verbrecher, Massenmörder und Sklavenhändler, den er unermüdlich, aber bisher erfolglos gejagt hat. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn nun jagt Interpol Durand.
Der Autor:
Bevor Daniel Suarez mit dem Schreiben begann, machte er als Systemberater Karriere und entwickelte Software für zahlreiche große Firmen der Militär-, Finanz- und die Unterhaltungsindustrie. Seinen ersten Roman veröffentlichte er 2006 unter Pseudonym im Eigenverlag. Nachdem das Buch die Internet- und Gaming-Community im Sturm erobert hatte, wurde ein großer Verlag darauf aufmerksam. In der neuen Ausgabe avancierte «Daemon» zum Bestseller; eine Verfilmung ist in Vorbereitung. Daniel Suarez lebt und arbeitet in Kalifornien. (Quelle: Rowohlt Verlag)
Reflektionen:
Mit seinem Roman BIOS hat Daniel Suarez ein bizarres, erschreckendes, aber vor allem vorstellbares Gentechnik-Szenario gezeichnet. Als Leser kann man nur hoffen, dass die hier düster beschriebene Gen-Kriminalität noch lange utopisch bleiben wird.
Der Einstig in die Geschichte gelingt durch den flüssigen Schreibstil mühelos. Suarez zeichnet ein Bild der Technologien, die im Jahre 2045 selbstverständlich sind. Von Drohnen-Lieferservices, automatisiert fahrenden E-Mobilen, Helikopterflügen ohne menschliche Piloten, bis hin zu leuchtenden Bäumen, die als Lichtquelle dienen, taucht man ein in eine Welt, die uns so fern gar nicht mehr ist.
Leider überspitzt Suarez meines Erachtens die schriftstellerische Freiheit der Wortfindung, wenn er Begrifflichkeiten der Zukunfts-Technologien benennt. Mit Fortschreiten der Handlung bin ich davon sogar genervt, obwohl ich andererseits eine gute Recherche zur Thematik Gen-Technologie erkennen kann.
Die Geschichte um den Interpol-Agenten Durand ist zunächst sehr spannend und ich verfolge interessiert das Horror-Szenario, als sich Durand mit dem Blick im Spiegel dem Verbrecher gegenübersieht, den er bisher mit Herzblut gejagt hat. Früh erklärt es sich, dass der brutale Massenmörder und Syndikats-Chef Wyckes Durands Gene manipuliert hat. Auch das Warum ist für den Leser nachvollziehbar und intelligent ins Bild gesetzt, so dass man zügig durch die Seiten liest. Doch mit Zunahme der Seitenzahl durchschaut man, dass da außer Action nichts Großes mehr kommt, außer das Durand auf der Flucht viele gefährliche Hürden meistern muss, die durchaus spannend erzählt sind, aber zahlreiche Nebenschauplätze plämpern vor sich hin, ohne das Bewegung in die Spannungskurve kommt.
Zitat:
„Er ist ein Enantiomorph.“Durand starrte weiter auf den Screen. „Spiegelbildliches Leben. Deshalb können ihm Biotoxine nichts anhaben. Auch keine Humanviren, - parasiten oder – kranheiten. Weil er die Umkehrung von Leben ist.“„Verstehe ich nicht“. Frey schnippte mit den Fingern, auf der Suche nach Worten. „Chiralität. >Händigkeit> - nicht buchstäblich natürlich, aber eine bestimmte Anordnung der Atome. Die lässt sich umkehren – von links nach rechts und von rechts nach links. Dann haben die Moleküle zwar noch dieselbe chemische Formel, sind aber spiegelbildlich zueinander. Und interagieren deshalb verschieden mit anderen Substanzen, obwohl sie rein formal dieselbe Verbindung darstellen.“ „Und Sie glauben, dieser Mann...“„Ist eine Umkehrung. Alle komplexen Organismen auf der Erde bestehen aus linksdrehenden oder Levo- Aminosäuren. ...
Daniel Suarez hat seinen inhaltlichen Schwerpunkt sehr stark auf die Technologien im Jahr 2045 fokussiert. Absolut gut recherchiert und verargumentiert wird Gentechnik, Gen-Manipulation und Gen-Kriminalität in die fiktive Geschichte mit eingebunden, doch vielen Charakteren nimmt er so den Raum für Intensität. Ansatzweise gelingt es Suarez eine Tiefe zu produzieren, doch sie blitzt nur viel zu gelegentlich auf. Was Suarez jedoch schafft ist, dass man während des Lesens selbst eine Tiefe in die Geschichte hineininterpretiert, da Gentechnik, wie zum Beispiel die embryonale Genforschung, schon manches Mal in unserer heutigen Zeit zur Diskussion stand. Man beginnt nachzudenken und überlegt für sich, was moralisch richtig oder falsch sein kann und Nachdenken tut uns bekanntlich recht gut.
Im Nachhinein würde ich Suarez ans Herz legen wollen, seine Charaktere intensiver zu zeichnen und das Agieren der Figuren noch mehr in den Vordergrund zu rücken.
Fazit und Bewertung:
Daniel Suarez hat mit Bios ein bizarres, erschreckendes, aber vor allem vorstellbares Gentechnik-Szenario gezeichnet. Als Leser kann man nur hoffen, dass die hier düster beschriebene Gen-Kriminalität noch lange utopisch bleiben wird.
BIOS ist ein lesenswerter, spannender und actiongeladener Science-Fiction-Thriller, doch eine Spur mehr inhaltliche Dramaturgie und das Handeln vielfältigerer Figuren hätte diesem Roman das gewisse Fünkchen an Tiefe verliehen.
Was bleibt ist die Frage:
„Kommt unsere Identität aus unserem Herzen oder aus unserer DNA?“
4 Sterne
©nisnis-buecherliebe