Professionelle Pflege darf nicht werten
„Zwischen Mauern“ erzählt von Meta, einer jungen Bankangestellten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, in ihrer Freizeit ehrenamtlich in einem Pflegeheim Sitzwachen an den Betten von schwer pflegebedürftigen ...
„Zwischen Mauern“ erzählt von Meta, einer jungen Bankangestellten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, in ihrer Freizeit ehrenamtlich in einem Pflegeheim Sitzwachen an den Betten von schwer pflegebedürftigen Menschen zu übernehmen. Ihr Patient ist Herr T. auf Zimmer Nummer 9, der nachts, sobald es dunkel wird zu schreien beginnt. Niemand weiß was dahinter steckt. Das Pflegeheim selbst ist in einem desolaten Zustand. Es ist in Auflösung begriffen, wird in absehbarer Zeit die Tore schließen. Das Pflegepersonal ist quasi nur noch eine Notbesetzung und für viel zu viele Patienten zuständig. Der Pfleger Moses liebt seinen Beruf, auch wenn ihm die Situation auf der Station psychisch und physisch überfordert, da sie das Erträgliche längst überschritten hat. Er ist in der Nachtwache alleine für zwei Stationen und 52 Patienten zuständig. Ein unhaltbarer Zustand. Die Heimatmosphäre ist sehr bedrückend.
Sechs Nächte begleiten wir Meta, die sich liebevoll und engagiert dem todkranken Herrn T. in den Nächten zuwendet, ihn beruhigt und auf ihn einwirkt. Sie versucht ihrem Patienten die letzten Tage so angenehm wie möglich zu gestalten. Sie liest ihm Märchen vor und singt Kinderlieder, die er zu mögen scheint. Doch dann erfährt Meta von dessen Vergangenheit. Das löst bei ihr einen inneren Konflikt aus. Die Frage ist: Muss man einem Menschen die Hand halten, wenn sich alles dem Ende zuneigt – einem Menschen, der es nicht verdient? Haben wir darüber zu entscheiden? Dürfen wir werten? Benötigt nicht auch er in seinen letzten Stunden Beistand? Wie bleibe ich trotz diesem Wissen professionell und kann ich meine Emotionen ausblenden? Ich bin der Meinung, professionelle Pflege darf nicht werten. Die hochsensible Meta unterhält sich mit der verstorbenen Else, die ihr immer wieder Mut zuspricht.
Das Buch ist flüssig geschrieben und leicht zu lesen. Es gliedert sich in 6 Kapitel mit kurzen Leseabschnitten. Leider konnte ich zur Protagonistin Meta keine reelle Verbindung aufbauen. Auch wenn sie sich liebevoll um Herrn T. kümmert, so hätte ich doch gerne mehr über ihren eigenen Hintergrund, ihre Beweggründe erfahren. Ich hatte mir da mehr erwartet. Die deprimierende Atmosphäre in dem Heim ist greifbar beschrieben. Nicht nur die Menschen sterben hier, auch das Heim geht seinem Ende zu. Der katastrophale Pflegenotstand wird deutlich thematisiert. Positiv, fand ich, dass sich Moses und der Arzt, trotz der trostlosen Situation, ihre Menschlichkeit erhalten haben.
Fazit: „Zwischen Mauern“ regt zum Nachdenken an. Man fragt sich unwillkürlich: Wie würde ich mich in dieser Situation verhalten.