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inkl. MwSt
- Verlag: Kühlen, B
- Themenbereich: Kunst
- Genre: keine Angabe / keine Angabe
- Seitenzahl: 112
- Ersterscheinung: 19.06.2006
- ISBN: 9783874482783
Das Gladbacher Münster
Rundgang - Geschichte - Wandel
Vorwort
Ich freue mich, einen Beitrag für ein Buch über das Gladbacher Münster zu verfassen. Über ein solch einzigartiges Bauwerk
zu schreiben, ist für mich ein besonderer Auftrag, zumal ich erst seit kurzem hier tätig bin. Sein Zauber zieht mich Sonntag für Sonntag in den Bann. Das Münster lässt mich schwärmen, und es ist der Schwarm der Mönchengladbacher. Mein Vorgänger, Propst Erlemann, beginnt seinen Rundgang vor dem Westportal. Dort ritzte an einem Karfreitag Joseph Beuys sein berühmtes „EXIT“ in die schwere Holztüre. Vor mehr als dreißig Jahren machte der Künstler den Eingang zum Ausgang. Seine Aktion wirkte wie eine Aufforderung an die Kirche, endlich herauszukommen und sich um die Welt zu kümmern. Einige Zeit vorher hatte Papst Johannes XXIII. ein eigenes Happening gestaltet. Demonstrativ riss er die Fenster seines Arbeitszimmers im Vatikan auf, um anschließend den Beginn des Konzils zu verkünden.
Die Mahnungen von Papst und Künstler sind heute sogar notwendiger als damals. Dennoch fällt auf, dass Beuys sein „EXIT“ von außen in das Portal einritzte. Normalerweise bringt man ein Ausgangsschild innen an, weil es nur dort den Weg ins Freie zeigt. Dagegen stoße ich von außen auf den Hinweis „EXIT“. Obwohl ich draußen bin, werde ich eingeladen,
nach „draußen“ zu gehen. Insofern verkehren sich die Verhältnisse. Das Außen wird zum Innen. Oder: der Ausgang der Welt führt mitten in das Münster. Sobald ich den Münsterplatz verlasse und die Schwelle überschreite, umfängt mich der Schutz der Basilika. So gedeutet lädt das „EXIT“ ein, eine kurze Zeit aus der Welt herauszugehen. Wer durch den Beuys’schen Ausgang in das Münster tritt, erlebt einen Ort, der ihn reich beschenkt. Er spürt sofort, was er in ihm findet und was er aus ihm mitnehmen kann. In diesem Raum sammelt sich seine verbrauchte Kraft. Sein Einsatz, die Welt zum Besseren zu gestalten, bedarf einer geistig- geistlichen Stütze, wie sie das Münster seit Jahrhunderten bietet. Das Haus Gottes ist eben ein Haus der Menschen, in dem die Schwachen wieder stark werden. Innen ist wahrzunehmen, wie das Heute mit dem Gestern verbunden ist. Darauf baut das Morgen auf. Durch die Umkehrung von Außen und Innen wollte Beuys sicher keinen Fluchtweg eröffnen. Die Welt in das Münster zu verlassen, dient der Welt. Was seine Aktion präsentiert, ist ein Obdach für die müden Seelen. Die an der Welt Verwundeten finden auf dem Abteiberg eine Heilstätte. Allein der Raum des Münsters heilt, und nur aus heilen Menschen werden Heilige. Hier darf der Wanderer rasten, ohne träge zu werden und die Welt aus den Augen zu verlieren. So wichtig es ist, die Enge der mittelalterlichen Kirche auf zu
brechen, genauso wichtig ist es, unter dem Gewölbe des Münsters behütet zu sein. Dann heißt es, aus dem „EXIT“ wieder den Eingang zu machen. Aber vorher empfängt mich hinter dem „EXIT“ der Hl. Michael in seiner gedrungenen Kapelle. Nach alter Tradition besiegt er meinen Drachen der Mutlosigkeit. Einige Schritte weiter sehe ich im Mittelschiff Gräber und Gewölbe. Himmel und Erde verbinden sich und lassen mich staunen über Grenze und Grenzenlosigkeit. Kurz darauf erblicke ich das Licht der Chorfenster, das mir die Farbe meines Lebens verrät.
Wenn ich dagegen nach unten in die Krypta gehe, überwältigt mich eine finstere Höhle. Aber sie ängstigt mich nicht, da sie mich tatsächlich wie der Mutterschoß birgt. Neugeboren steige ich die enge Treppe nach oben. Jetzt bin ich kräftig genug, den umgekehrten Weg einzuschlagen. Der „EXIT“ aus der Welt lässt mich wieder in die Welt hineingehen. Die Menschen in Mönchengladbach brauchen das Münster, da es aus der Welt herausführt und gleichzeitig hineinführt. Wie in einer Schatztruhe sammelt es die Sehnsüchte der Menschen aller Zeiten. Deshalb ist es ein Sammelbecken der römischen Matronensteine, der Vitusreliquien, der Segensworte des Hl. Albertus und des Beuyschen Happenings. Gleich einem Album hängt das Triumphkreuz über dem Altar. In ihm konzentriert sich noch einmal Vergangenes um der Zukunft willen. Der Kreuzbaum grünt und bringt reiche Frucht. Im Münster beschenkt Religion, hier bedrängt sie nicht. Hier wird Gnade gewährt, nicht Gesetz erlassen.
Obwohl Mönche das Münster errichtet haben, ist es ein Geschenk Gottes an die Menschen unserer Stadt.
Wir leben mit dem Vertrauen, dieses kostbare Geschenk nicht zu verspielen. Dessen ist sich vor allen Dingen der Münsterbauverein bewusst. Dank seiner Hilfe steht das Münster als Wahrzeichen dieser Stadt bis heute unangefochten auf dem Berg. Damit ist und bleibt es ein Zeichen für die Wahrheit, die der Mensch zum Überleben braucht. Auch der Bischof von Aachen hat sich in finanziell schwieriger Zeit für das Münster als „eine besondere Kirche“ des Bistums entschieden. Der Papst nennt es „seine Basilika“. Wer würde solch eine Kirche nicht an sein Herz drücken! Seit über 1000 Jahren ist sie in Gladbach der „Ort der verfemten Begriffe und der ausgestoßenen Wörter: Gerechtigkeit, Mitleid, Barmherzigkeit, Trost, Schutz des verfolgten Lebens, Sturz der Tyrannen“ (F.Steffensky). Die Welt, deren „EXIT“ direkt ins Münster führt, weiß um die Kraft, die sie von dort empfängt.
Albert Damblon
Ich freue mich, einen Beitrag für ein Buch über das Gladbacher Münster zu verfassen. Über ein solch einzigartiges Bauwerk
zu schreiben, ist für mich ein besonderer Auftrag, zumal ich erst seit kurzem hier tätig bin. Sein Zauber zieht mich Sonntag für Sonntag in den Bann. Das Münster lässt mich schwärmen, und es ist der Schwarm der Mönchengladbacher. Mein Vorgänger, Propst Erlemann, beginnt seinen Rundgang vor dem Westportal. Dort ritzte an einem Karfreitag Joseph Beuys sein berühmtes „EXIT“ in die schwere Holztüre. Vor mehr als dreißig Jahren machte der Künstler den Eingang zum Ausgang. Seine Aktion wirkte wie eine Aufforderung an die Kirche, endlich herauszukommen und sich um die Welt zu kümmern. Einige Zeit vorher hatte Papst Johannes XXIII. ein eigenes Happening gestaltet. Demonstrativ riss er die Fenster seines Arbeitszimmers im Vatikan auf, um anschließend den Beginn des Konzils zu verkünden.
Die Mahnungen von Papst und Künstler sind heute sogar notwendiger als damals. Dennoch fällt auf, dass Beuys sein „EXIT“ von außen in das Portal einritzte. Normalerweise bringt man ein Ausgangsschild innen an, weil es nur dort den Weg ins Freie zeigt. Dagegen stoße ich von außen auf den Hinweis „EXIT“. Obwohl ich draußen bin, werde ich eingeladen,
nach „draußen“ zu gehen. Insofern verkehren sich die Verhältnisse. Das Außen wird zum Innen. Oder: der Ausgang der Welt führt mitten in das Münster. Sobald ich den Münsterplatz verlasse und die Schwelle überschreite, umfängt mich der Schutz der Basilika. So gedeutet lädt das „EXIT“ ein, eine kurze Zeit aus der Welt herauszugehen. Wer durch den Beuys’schen Ausgang in das Münster tritt, erlebt einen Ort, der ihn reich beschenkt. Er spürt sofort, was er in ihm findet und was er aus ihm mitnehmen kann. In diesem Raum sammelt sich seine verbrauchte Kraft. Sein Einsatz, die Welt zum Besseren zu gestalten, bedarf einer geistig- geistlichen Stütze, wie sie das Münster seit Jahrhunderten bietet. Das Haus Gottes ist eben ein Haus der Menschen, in dem die Schwachen wieder stark werden. Innen ist wahrzunehmen, wie das Heute mit dem Gestern verbunden ist. Darauf baut das Morgen auf. Durch die Umkehrung von Außen und Innen wollte Beuys sicher keinen Fluchtweg eröffnen. Die Welt in das Münster zu verlassen, dient der Welt. Was seine Aktion präsentiert, ist ein Obdach für die müden Seelen. Die an der Welt Verwundeten finden auf dem Abteiberg eine Heilstätte. Allein der Raum des Münsters heilt, und nur aus heilen Menschen werden Heilige. Hier darf der Wanderer rasten, ohne träge zu werden und die Welt aus den Augen zu verlieren. So wichtig es ist, die Enge der mittelalterlichen Kirche auf zu
brechen, genauso wichtig ist es, unter dem Gewölbe des Münsters behütet zu sein. Dann heißt es, aus dem „EXIT“ wieder den Eingang zu machen. Aber vorher empfängt mich hinter dem „EXIT“ der Hl. Michael in seiner gedrungenen Kapelle. Nach alter Tradition besiegt er meinen Drachen der Mutlosigkeit. Einige Schritte weiter sehe ich im Mittelschiff Gräber und Gewölbe. Himmel und Erde verbinden sich und lassen mich staunen über Grenze und Grenzenlosigkeit. Kurz darauf erblicke ich das Licht der Chorfenster, das mir die Farbe meines Lebens verrät.
Wenn ich dagegen nach unten in die Krypta gehe, überwältigt mich eine finstere Höhle. Aber sie ängstigt mich nicht, da sie mich tatsächlich wie der Mutterschoß birgt. Neugeboren steige ich die enge Treppe nach oben. Jetzt bin ich kräftig genug, den umgekehrten Weg einzuschlagen. Der „EXIT“ aus der Welt lässt mich wieder in die Welt hineingehen. Die Menschen in Mönchengladbach brauchen das Münster, da es aus der Welt herausführt und gleichzeitig hineinführt. Wie in einer Schatztruhe sammelt es die Sehnsüchte der Menschen aller Zeiten. Deshalb ist es ein Sammelbecken der römischen Matronensteine, der Vitusreliquien, der Segensworte des Hl. Albertus und des Beuyschen Happenings. Gleich einem Album hängt das Triumphkreuz über dem Altar. In ihm konzentriert sich noch einmal Vergangenes um der Zukunft willen. Der Kreuzbaum grünt und bringt reiche Frucht. Im Münster beschenkt Religion, hier bedrängt sie nicht. Hier wird Gnade gewährt, nicht Gesetz erlassen.
Obwohl Mönche das Münster errichtet haben, ist es ein Geschenk Gottes an die Menschen unserer Stadt.
Wir leben mit dem Vertrauen, dieses kostbare Geschenk nicht zu verspielen. Dessen ist sich vor allen Dingen der Münsterbauverein bewusst. Dank seiner Hilfe steht das Münster als Wahrzeichen dieser Stadt bis heute unangefochten auf dem Berg. Damit ist und bleibt es ein Zeichen für die Wahrheit, die der Mensch zum Überleben braucht. Auch der Bischof von Aachen hat sich in finanziell schwieriger Zeit für das Münster als „eine besondere Kirche“ des Bistums entschieden. Der Papst nennt es „seine Basilika“. Wer würde solch eine Kirche nicht an sein Herz drücken! Seit über 1000 Jahren ist sie in Gladbach der „Ort der verfemten Begriffe und der ausgestoßenen Wörter: Gerechtigkeit, Mitleid, Barmherzigkeit, Trost, Schutz des verfolgten Lebens, Sturz der Tyrannen“ (F.Steffensky). Die Welt, deren „EXIT“ direkt ins Münster führt, weiß um die Kraft, die sie von dort empfängt.
Albert Damblon
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