Klar und ungeschönt
Frau im Dunkeln ist ein Roman der italienischen Erfolgs-Autorin Elena Ferrante, welcher erstmals 2006 unter dem Titel La figlia oscura erschien und vom Suhrkamp-Verlag 2019 ins Deutsche übersetzt und neu ...
Frau im Dunkeln ist ein Roman der italienischen Erfolgs-Autorin Elena Ferrante, welcher erstmals 2006 unter dem Titel La figlia oscura erschien und vom Suhrkamp-Verlag 2019 ins Deutsche übersetzt und neu aufgelegt wurde. Ferrante beschreibt darin das Leben der Endvierzigerin Leda, welche einen Sommerurlaub auf Kalabrien verbringt und dort vor allem mit sich selbst konfrontiert wird.
Leda ist achtundvierzig Jahre alt und arbeitet an einer Universität in Florenz. Als sie ihren Sommerurlaub in einem Häuschen in Kalabrien verbringt, begegnet sie dort einer Großfamilie aus Neapel, welche vor allem durch Lärm und überdimensionale Präsenz auf sich aufmerksam machen. Leda wird durch die Neapolitaner an eigene Familienmitglieder erinnert, was nichts Positives vermuten lässt. Lediglich die junge Mutter Nina und ihre Tochter Elena sind ihr direkt sympathisch. Sie beobachtet Mutter und Kind über mehrere Tage, bis die geliebt Puppe der kleinen Elena verschwindet. Leda beteiligt sich zunächst an der Suche, um die Kleine zu trösten, nimmt die Puppe, als sie diese findet jedoch an sich und behält sie, obwohl Elena sie schmerzlich vermisst.
Leda hat zwei inzwischen erwachsene Töchter, Marta und Bianca, welche beide bei ihrem Vater in Kanada leben. Im Laufe der Geschichte wird immer deutlicher, dass Leda ein sehr zwiegespaltenes Verhältnis zu ihren Kindern hegt. Sie liebt sie, ist ihrer aber in der Vergangenheit dennoch oft überdrüssig gewesen und wird nicht müde, Gründe zu finden, weswegen sie diese zurecht im Kindesalter verlassen und mit ihrem Vater allein gelassen hat. Dadurch wird Ledas Zerrissenheit allzu deutlich. Sie sucht das eigene Glück, innere Zufriedenheit, auch wenn das bedeutet, auf ihre Kinder verzichten zu müssen. Sie will die aufopfernde Mutter sein, verliert sich aber immer wieder in dem Wunsch, sich selbst, unabhängig von anderen, verwirklichen zu wollen.
Die Autorin, deren bürgerlicher Name unbekannt ist, hat das Buch 2006 unter ihrem Pseudonym Elena Ferrante veröffentlicht. Der Grund dafür dürfte nicht schwer zu finden sein. Immerhin stellt ihre Protagonistin, welche in der Ich-Perspektive berichtet, eine klassisch polarisierende Persönlichkeit dar. Eine Mutter, welche ihre Kinder verlässt, wird in den seltensten Fällen bei Mitmenschen als Sympathieträgerin gelten. Ferrante hat sich so vor Anfeindungen geschützt, um denen, welche sie als Autorin und ihren Hauptcharakter als ein und dieselbe Person betrachten, keine Angriffsfläche bieten zu können. Ob dennoch autobiografische Züge für Frau im Dunkeln Anwendung gefunden haben, bleibt offen.
Der Schreibstil ist klug und flüssig geschrieben, die Charaktere ausreichend gezeichnet um sich diese vorstellen zu können. Das Setting harmoniert mit der Handlung und den Figuren, lässt die Stimmung des Buches sogar noch deutlicher werden. Die Geschichte hat mich gut unterhalten und vor allem sehr aufgewühlt.