Empfehlenswerte Biographie
Wer sich mit Parvus - einer Schlüsselperson der jüngeren Geschichte - erstmalig beschäftigen möchte, für den ist dieses Buch genau richtig. Denn Heresch kann schreiben und erwähnt alles Wesentliche nach ...
Wer sich mit Parvus - einer Schlüsselperson der jüngeren Geschichte - erstmalig beschäftigen möchte, für den ist dieses Buch genau richtig. Denn Heresch kann schreiben und erwähnt alles Wesentliche nach dem neuesten Stand und auch die neueste Literatur. Der Nachdruck dieses Buches von 2013 ist inhaltlich identisch und für 9,99 E. neu zu bekommen. Wichtig: Für Parvus und die Bolschewiki hegt Heresch keine Sympathie, wird aber nie unsachlich. Das Buch von Scharlau und Zeman (Freibeuter der Revolution) ist sprachlich eine übersteife, verquaste Zumutung aus den muffigen 60er Jahren und absurd überteuert, eine einzige Quälerei für den Leser - Heresch im Vergleich dazu ein Genuss.
Parvus ist zusammen mit Trotzki einer der führenden Akteure in der gescheiterten Revolution von 1905. Kaum bricht die jungtürkische Revolution aus, ist auch Parvus jahrelang in Istanbul tätig (interessanterweise auch Jabotinsky). Antrieb für alles ist bei Parvus der Hass auf das Zarentum, das er für für den Hauptakteur des russischen Antisemitismus hält (man sollte wissen, das Heresch durch und durch pro - zaristisch ist und die Bolschewisten verabscheut). Er ist ein bedeutender marxistischer Theoretiker, aber pikanterweise von dem Wunsch durchdrungen, richtig reich werden zu wollen. Er betrügt Maxim Gorki um seine Tantiemen und wird als marxistischer Unruhestifter aus mehreren deutschen Städten vertrieben.
Heresch erzählt von Champagnerflaschen zum Frühstück und einem Harem üppiger Blondinen, der Parvus umgab. Er ermöglicht Lenin durch seine Umtriebigkeit die Realisierung der ersten bolschewistischen Zeitung Iskra (Funke) in seiner Privatwohnung, die nach Russland geschmuggelt wird.
Ohne Parvus hätte die Oktoberrevolution nicht stattgefunden - er ist die später von Lenin und Stalin verleugnete graue Eminenz hinter den Kulissen, der die Deutschen dazu bringt, seinen Plan einer Revolution in Russland mit deutschem Gold zu finanzieren, Gold ohne das Lenin niemals Erfolg hätte haben können, denn eine erfolgreiche Revolution kostet sehr viel Geld. Ziel der Kooperation: Der deutsche Kaiser wollte seinen russischen Kriegsgegner schwächen und die Bolschewiki wollten die Revolution und sofortigen Frieden - was beides auch erreicht wurde. Heresch erwähnt auch Parvus geschäftliche Verbindung mit Basil Zaharoff (Sacharow!) in der Türkei, dem Waffenmogul und undurchsichtigen Kriegsgewinnler, der in allen Konflikten der damaligen Zeit seine Finger mit drin hatte und auch die Japaner vor dem Krieg mit Russland mit den modernsten Schlachtschiffen versorgt hat (finanziert von J. Schiff aus Amerika, der den Zarismus wegen der Judenverfolgungen in Russland zutiefst verabscheute), um so den Zarismus sturmreif zu schießen, was mit der Revolution von 1905 ja einen gewissen ersten Erfolg hatte. In Zaharoffs Haus bei Paris residierte übrigens der amerikanische Präsident Wilson bei der Versailler Friedenskonferenz. Die von Heresch beigefügten Faksimile - Dokumente aus deutschen Geheimarchiven (incl. den von Parvus bereits in Istanbul verfassten Plan für die Revolution) lassen einen aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Das Buch ist eine wirklich ergiebige Quelle für Informationen.