Machtkämpfe und Intrigen im mittelalterlichen Venedig
Sommerferien! Julian, einer der drei „Zeitdetektive“ aus dem fiktiven Städtchen Siebenthann, ist gerade von einem zweiwöchigen Urlaub in Venedig mit seinen Eltern zurückgekehrt und voller Eindrücke! Die ...
Sommerferien! Julian, einer der drei „Zeitdetektive“ aus dem fiktiven Städtchen Siebenthann, ist gerade von einem zweiwöchigen Urlaub in Venedig mit seinen Eltern zurückgekehrt und voller Eindrücke! Die verwinkelte, verwirrende Lagunenstadt lässt ihn nicht los. Aber vor allem beschäftigt ihn das Rätsel der Quadriga über dem Hauptportal der Basilica di San Marco, die zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten Venedigs gehört! Kreuzritter, so hieß es, hätten sie einst, im Jahre 1204, im Zuge des 4. Kreuzzuges aus Konstantinopel nach Venedig gebracht. Der kluge Julian merkt auf! Das kann doch nicht sein, denkt er – und fragt sich, was die Kreuzritter denn in Konstantinopel zu suchen gehabt haben, lag es doch weit ab von der Route nach Jerusalem, das stets Ziel der Kreuzritter gewesen war. Als er den Fremdenführer um eine Erklärung bittet, weicht dieser aus, sagt lediglich, dass die Geschichte dahinter „eine Geschichte voller Blut und Tränen, voller Verrat und Lügen“ sei.
Julian wäre nicht er selbst, wenn er die Dinge auf sich beruhen lassen würde! Er weiht seine Freunde, den wagemutigen Leon und die clevere, nie um gute Einfälle verlegene Kim in das Rätsel ein und gemeinsam beschließen die drei, wie immer begleitet von der geheimnisvollen Katze Kija, die sie von ihrer ersten Zeitreise ins Ägypten der Pharaonin Hatschepsut mitgebracht hatten, sich in der alten Bibliothek des Benediktinerklosters St. Bartholomäus umzusehen.
Und was sie dort über den vierten Kreuzzug erfahren, der als besonders negatives Beispiel seiner Art, als Tragödie, Katastrophe und mörderisches Unterfangen, das nur der Befriedigung von Geldgier und christlicher Machtansprüche diente, in die Annalen der Geschichte eingegangen ist, lässt ihnen die Haare zu Berge stehen! Sie lesen, dass Papst Innozenz III. zu diesem Kreuzzug aufgerufen hatte, der in Venedig seinen Anfang nahm und über den Seeweg nach Jerusalem führen sollte. Die Schiffe, 200 an der Zahl, sollten sie von den Venezianern mieten – für damals unglaubliche 85000 Silbermark, die der zu jener Zeit herrschende greise Doge Enrico Dandolo verlangte. Doch aus irgendeinem Grund konnten die reichen Kreuzritter unter der Leitung von Hugo St. Pol und Bonifatius Montferrat das Geld plötzlich nicht aufbringen! Der Doge gab ihnen dennoch die Schiffe und stundete ihre Schulden – doch im Gegenzug mussten sich die Kreuzritter verpflichten, die Städte Zara ( das heutige Zadar ) und Konstantinopel für ihn zu erobern, die zur damaligen Zeit die größten Konkurrenten der Serenissima als führende Handelsstädte waren. Was als Kreuzzug gedacht war, wurde in Wirklichkeit ein Wirtschaftskrieg – und ins Heilige Land gelangten die Kreuzritter niemals!
Nun, das Rätsel um die Quadriga war zwar jetzt gelöst, aber gleichzeitig tat sich ein neues auf: wieso war den Kreuzrittern denn plötzlich das Geld ausgegangen? Wo war es geblieben? Die Freunde waren sich einig – sie würden wieder einmal dem unheimlichen Zeit-Raum Tempus einen Besuch abstatten, mit dessen Hilfe sie in jedes beliebige Jahr der Geschichte reisen konnten. Das Geheimnis um den verschwundenen Silberschatz der Kreuzritter musste gelöst werden!
Dass das bisher gefährlichste und unheimlichste Abenteuer ihrer Zeitreisen-Missionen bevorstand, hätten Kim, Julian und Leon bereits ahnen können, als sie den Zeit-Raum Tempus betraten, denn er war furchteinflößender, erschreckender als jemals zuvor, die vielfältigenden Geräusche waren lauter, das Pulsieren stärker. Ein Brüllen, Pfeifen, Heulen und Ticken schien sie zu warnen – und sie hätten vielleicht gut daran getan, in Siebenthann zu bleiben und das Rätsel um den Silberschatz zu vergessen, denn was sie dann in der Stadt Venedig erwartete, bedeutete Lebensgefahr vom Anfang bis zum Ende! Zwar kamen sie ganz allmählich dem Geheimnis auf die Spur, doch dass sie ihre neue Zeitreise überlebten, grenzte schon fast an ein Wunder! Und wären da nicht ein paar pfiffige Straßenkinder gewesen, die ihnen in nicht nur einen brenzligen Situation, in die sie in der Stadt, hinter deren Kulissen gerissene Machtkämpfe tobten und Intrigen geschmiedet wurden, die besser niemals ans Tageslicht kommen sollten, zu Hilfe eilten – wer weiß, ob die Freunde Siebenthann und ihre geliebte Eisdiele ( „die beste der Welt“! ) jemals wiedergesehen hätten....
Dieses neunte Abenteuer der Zeitdetektive ist sicherlich das beste, spannendste und gefährlichste, das Fabian Lenk bis dahin ersonnen hat! Es ist eines der Bücher, die man von Anfang an nicht aus der Hand legen möchte. Ein unglaublich guter Kriminalroman für junge Leser – wiewohl nicht unbedingt für 9 – 10jährige, die mir zu jung erscheinen, um die geschichtlichen Informationen einordnen und verdauen zu können. Der Autor lässt eine Epoche auferstehen, die wenig bekannt ist, der in deutschen Schulen nicht viel Raum gegeben wird, und haucht ihr das gleiche pulsierende Leben ein, das er von seinem Zeit-Raum Tempus ausgehen lässt. Man rennt mit den drei Freunden und ihrer Katze, die auch hier wieder als Lebensretterin fungiert, durch das Labyrinth der mittelalterlichen Lagunenstadt, versteckt sich mit ihnen in dunklen Ecken und auf Dachböden, flüchtet vor den gar mächtigen Feinden, von denen sie geradezu umzingelt sind – und nähert sich dabei Schritt für Schritt der erschreckenden Lösung, mit der der Autor durchaus ins Schwarze getroffen haben mag!
Wir wissen nicht, was wirklich geschah, doch so, wie er es sich ausdenkt, hätte es tatsächlich sein können. Das gilt hier genauso wie für die acht Vorgängerbände, in denen sich Realität mit Fiktion mischt, in denen reale Personen der Geschichte auf erfundene treffen, die jeweils eine wichtige Rolle spielen bei der Lösung eines Rätsels, das zu ergründen Julian, Leon und Kim mittels Tempus anreisen. Gepaart mit den bekannten und gesicherten Fakten ist dies eine großartige Mischung! Imagination und Realität komplementieren sich bei Fabian Lenk immer perfekt und sind die Grundbausteine für eine hervorragende Kinder- und Jugendbuchreihe, die ich als eine der besten einstufen möchte, die der Büchermarkt für jene Zielgruppe anbietet!