„Ein Duft muß die besten Augenblicke des Lebens wieder wachrufen.“ (Karl Lagerfeld)
Julia Bent hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Eltern, doch in letzter Zeit hat sich ihre Mutter sehr verändert. Als Julia mit ihr einen Streit am Telefon hat, muss sie mit anhören, wie ihre ...
Julia Bent hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Eltern, doch in letzter Zeit hat sich ihre Mutter sehr verändert. Als Julia mit ihr einen Streit am Telefon hat, muss sie mit anhören, wie ihre Mutter einen Autounfall hat, bei dem sie stirbt. Julia ist voller Schuldgefühle deswegen, sind die letzten Worte doch im Ärger gefallen. Als Julia ihrem Vater dabei hilft, die Sachen ihrer Mutter zu sortieren, findet sie in einem geheimen Fach einen Schlüssel für ein Postfach, in dem sich neben dem Lieblingsparfüm ihrer Mutter auch ein Liebesbrief des französischen Parfümeurs Antoine Leforts befindet, der den Duft für Ihre Mutter kreiert hat. Julia ist völlig verwirrt, denn die Ehe ihrer Eltern schien immer glücklich zu sein. Sie beschließt, nach Frankreich zu fahren, um den Parfümeur aufzusuchen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Ihre Beziehung zu ihrem Verlobten Frank ist gerade schwierig, was auch daran liegt, dass Julia völlig verunsichert über die wichtigen Dinge in ihrem Leben ist. Kaum in Roquefort-les-Pins in der Provence angekommen, trifft sie auf den ausgebildeten Parfümeur und Maler Nicolas, den Sohn des Parfümeurs Antoine, der seinen Vater gerade zu Grabe getragen hat. Nicht nur die wunderschöne Landschaft lässt Julia aufatmen, es sind besonders die Gespräche mit Nicolas und die Zeit, die sie mit ihm verbringt, dass sie sich langsam wieder wohl in ihrer Haut fühlt. Gemeinsam suchen sie nach Anhaltspunkten, die Julias Verdacht in Bezug auf den Liebesbrief bestätigen, doch als sie endlich etwas finden, scheint es Julias Welt noch mehr aus den Angeln zu heben…
Gabriele Diechler hat mit ihrem Buch „Lavendelträume“ einen wunderschönen und emotionalen Roman vorgelegt, der den Leser auf eine zauberhafte Reise in die Provence mitnimmt und ihn mit allen Sinnen eine bittersüße Geschichte hautnah erleben lässt, die sich auch nach der letzten gelesenen Seite so tief in Herz und Seele eingegraben hat, dass man sie nicht mehr vergisst. Der Schreibstil ist flüssig, gefühlvoll und farbenprächtig, der Leser wird regelrecht in die Seiten gesogen und kann diese gar nicht mehr loslassen, so fesselnd und einzigartig ist die Geschichte. Die Spannung wird gemächlich aufgebaut, schraubt sich aber im Verlauf immer weiter in die Höhe. Die Autorin versteht es außerordentlich geschickt, ihren Leser durch geschickte Wendungen und Überraschungsmomente in neue Richtungen zu leiten, wobei des Lesers eigene Gedanken immer wieder auf die Reise gehen und kombinieren, um des Rätsels Lösung näher zu kommen. Gleichzeitig entführt sie ihre Leserschaft auch in das Reich der Düfte und Aromen, erklärt die Zusammensetzung von Parfüm und bringt ihr die Arbeit eines Parfümeurs sehr nah. Ein Beruf voller Leidenschaft und vor allem mit einem ausgezeichneten Verständnis für Menschen und was sie ausdrücken bzw. was ihr Wesen unterstreicht. Die Landschaftsbeschreibungen sind so zauberhaft und detailliert geschildert, dass der Leser sich an einem traumhaften Ort wähnt, die herrlichen Felder voller Blüten regelrecht vor sich sehen kann, während gleichzeitig die Düfte von Rosen, Lavendel, Zitronen und Flieder die Nase verführerisch kitzeln.
Die Charaktere sind sehr detailliert und liebevoll ausgestaltet und mit Leben versehen worden. Sie bestechen durch eine außerordentliche Natürlichkeit, individuelle Eigenschaften, Menschlichkeit und vor allem durch authentische und nachvollziehbare Gefühle und Handlungen, so dass der Leser das Gefühl hat, sie gut zu kennen und sich ihnen verbunden zu fühlen. Durch diese erzeugte Nähe zu den Protagonisten ist geradezu unmöglich, nicht mit ihnen zu fühlen, zu leiden, zu hoffen und zu jubeln, der Leser geht mit ihnen regelrecht durch eine Achterbahn der Gefühle: von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt. Julia ist eine sehr sympathische Frau, die seit dem Tod ihrer Mutter nicht nur traurig ist, sondern auch von Schuldgefühlen geplagt. Sie ist sich ihrer eigenen Gefühlswelt nicht mehr sicher und stellt alles in ihrem Leben in Frage einschließlich ihrer Beziehung zu ihrem Verlobten. Sie ist eine feinsinnige und gefühlsgesteuerte Person, die verzweifelt versucht, sich selbst wiederzufinden, um hoffnungsvoll in die Zukunft zu sehen. Maren ist Julias beste Freundin und Arbeitskollegin, die immer ein offenes Ohr für sie hat und ihr so manches Mal mit Rat und Tat zur Seite steht. Sie ist warmherzig und doch selbst so verunsichert, wie sie der Männerwelt gegenübertreten soll, da sie schon einige Enttäuschungen verbuchen musste. Frank ist ein pragmatischer und unterkühlter Mann, der alles vom Kopf her erklären muss. Als er merkt, dass auch ihm das Herz gebrochen werden kann, wirkt er auf einmal wie verloren und muss sich eingestehen, dass nicht immer nur der Kopf die richtigen Entscheidungen fällt. Nicolas ist ein attraktiver und warmherziger Mann, der in einem liebevollen Elternhaus und mit betörenden Düften aufgewachsen ist. Er ist einfühlsam, ein guter Zuhörer und neben der Malerei ein ebenso guter Parfümeur wie sein Vater Antoine, denn von ihm hat er alles gelernt. Nicolas ist beliebt und ein guter Gastgeber, was seine vielen Freunde deutlich machen. Aber er ist auch sensibel, empathisch und von Zweifeln geplagt. Trotzdem wirkt er, als würde er in sich ruhen und dies überträgt sich auch auf seine Mitmenschen. Auch die übrigen Protagonisten wie Camille, Anouk oder auch Alexander tragen mit ihrem Erscheinen zur Bereicherung der Handlung bei.
„Lavendelträume“ ist nicht nur ein Roman über die Liebe, die Familie, über Geheimnisse und die Welt der Düfte, er ist gleichzeitig eine Umarmung an das Leben und die Schönheit der Natur. Gabriele Diechler ist hier ein Meisterwerk gelungen, das selten zu finden ist: ein Buch, dass alle Sinne des Lesers anspricht und ihn gleichzeitig hautnah an der Handlung teilhaben lässt. Absolute Leseempfehlung für ein Highlight des Jahres 2018 – Chapeau, besser geht es wirklich nicht!